Franziskaner in Deutschland

Ein zeithistorischer Überblick

Papst Innozenz bestätigt Franziskus und seinen Brüdern 1209 ihre Ordensregel. Fresco von Giotto in der San Francesco Basilika, Assisi. Bild von Stefan Diller
Papst Innozenz bestätigt Franziskus und seinen Brüdern 1209 ihre Ordensregel. Fresco von Giotto in der San Francesco Basilika, Assisi. Bild von Stefan Diller

Die vom heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) ins Leben gerufene Bruderschaft wurde mit der Anerkennung durch Papst Innozenz III.(1209/10) und der Bestätigung der endgültigen Regel (1223) zum Orden der Minderen Brüder (Ordo Fratrum Minorum, OFM).

Nach Deutschland kamen die ersten Franziskaner im Jahr 1221. Sie fanden hier rasch Lebens- und Wirkmöglichkeit. Davon zeugen die etwa 200 Konvente, die zum Ende des 13. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum dokumentiert sind.

Die Ausbreitung des Ordens fiel mit dem Prozess der Verstädterung zusammen. Zum Stadtbild der aufstrebenden Städte gehörten sehr schnell Klöster der Franziskaner (neben Dominikanern, Augustiner-Eremiten und auch Karmeliten). Die pastorale Tätigkeit der Ordensleute kam dem Anliegen der städtischen Bevölkerung entgegen. Andererseits konnten die zur Besitzlosigkeit verpflichteten Brüder nur mit deren Hilfe von ihrer Arbeit leben. Diese fruchtbare Kooperation von Stadt und Kloster bestimmte die Anfangsgeschichte der Franziskaner in Deutschland. Sie prägte freilich auch deren franziskanische Lebensform und Tätigkeit.

Spaltung des Ordens und andere Erschütterungen

Im 15. Jahrhundert drängten Reformimpulse aus Italien und Frankreich nach Deutschland. Mit Hilfe der geistlichen und weltlichen Obrigkeit konnten sich die reformerischen Kräfte, die sog. Observanzbewegung, durchsetzen. Das führte zur Spaltung des Ordens (Franziskaner und Franziskaner-Konventualen), die im Jahr 1517 durch Papst Leo X. offiziell vollzogen wurde. Die im gleichen Jahr in Deutschland ausbrechende Reformation erschütterte den Orden zutiefst. Einige Franziskaner wurden zu begeisterten Anhängern Martin Luthers und seiner reformatorischen Theologie, andere zu entschiedenen Gegnern. Der Orden verlor in den evangelischen Städten und Ländern seine Klöster. Eine Konsolidierung setzte erst im Laufe des 17. Jahrhunderts ein. Förderer waren jetzt die weltlichen und geistlichen Landesherren, die Klostergründungen ermöglichten und zeitgemäßes Apostolat in Seelsorge, Predigt und Schule erwarteten. In die Franziskanerklöster zog barocke Lebensform mit entsprechender Frömmigkeit und Geistigkeit ein.

Mit den grundlegenden politischen und kirchlichen Veränderungen um 1800 kam diese ordensgeschichtliche Epoche an ihr Ende. Die Säkularisation führte zur Aufhebung fast aller Franziskanerklöster in Deutschland. Der Neubeginn setzte nur zögerlich ein; jede Klostergründung hing von staatlicher Genehmigung ab und blieb unter strenger staatskirchlicher Aufsicht. Trotzdem konnte sich der Orden behaupten und nach und nach seine alte Organisation wieder aufnehmen.

Franziskanermenge. Bild von Bruder Michael Blasek
Franziskanermenge. Bild von Bruder Michael Blasek

Heute: Weltweite franziskanische Präsenz

Die apostolische Tätigkeit fand ihren Ausdruck in seelsorglicher Aushilfe, Volksmission, Wallfahrtsorten und Exerzitien. In großem Ausmaß engagierten sich die deutschen Franziskaner jetzt in der Auslandsmission (China, Japan, Südamerika). Der Orden wurde weltweit präsent, freilich noch unter der Form eines europäischen Franziskanertums. Der geographischen Ausbreitung entsprach das personelle Wachstum, das ein vielfältiges, beeindruckendes Apostolat ermöglichte.

In jüngster Vergangenheit und Gegenwart teilt der Orden, der nach den Jesuiten und Benediktinern weltweit immer noch mit ca. 13.600 Mitgliedern der drittgrößte Orden ist, das Geschick aller Orden der katholischen Kirche: In den alten Ländern zahlenmäßiger Rückgang, Verlust prestigeträchtiger Funktionen und Reduzierung der apostolischen Tätigkeiten. In den Ländern der „Dritten Welt“ findet der Orden zu eigener Prägung des franziskanischen Lebens.

Die der Situation geschuldeten Beschränkungen führen überall zur Neubesinnung auf „das“ Franziskanische und seiner heute verständlichen Umsetzung. Programmatisch sind Einfachheit, Brüderlichkeit, Option für die Armen und Unterprivilegierten, Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, für Frieden und Gerechtigkeit und zeitgemäße Evangelisation.

In unserer Provinz in Deutschland (der „Franziskanerprovinz von der heiligen Elisabeth“ KdöR mit Sitz in München) leben ca. 300 Franziskaner in mehr als 35 Klöstern. Nimmt man die Angehörigen der Franziskanischen Familie zusammen (d.h. auch die Minoriten und Kapuziner) sind die Franziskaner nach den Benediktinern die zweitstärkste Ordensgemeinschaft in Deutschland.

Statistische Angaben zur franziskanischen Bruderschaft

Mit Datum vom 31. Dezember 2015 gibt es weltweit 13507 Franziskaner. Dazu einige Details: Postulanten: 612 (nicht berücksichtigt in der Zählung); Novizen: 417; Zeitlichprofessen: 1481 (davon in Priesterausbildung: 1182; Brüder, die nicht in Priesterausbildung sind: 299); Ewigprofessen: 11609 (Priester 9152; Laienbrüder: 2338). Es gibt 119 Franziskaner, die Kardinäle (5) und Erzbischöfe/ Bischöfe (114) sind. Die Zahl der verstorbenen Brüder des letzten Jahres beträgt 305.

Die Franziskaner sind in 119 Ländern tätig und verteilen sich folgendermaßen

  • Afrika und Naher Osten: 12210
  • Lateinamerika: 3279
  • Nordamerika: 1241
  • Asien / Ozeanien: 1467
  • Westeuropa: 3862
  • Osteuropa: 2437.

Die weltweite Bruderschaft gliedert sich in 98 Provinzen und Autonome Kustodien; 8 Entitäten und 5 Häuser sind dem Generalminister unterstellt;

Die Zahlen sagen nicht alles über die Qualität unserer Lebensweise aus, können aber eine „Richtschnur“ sein, „um die Entitäten neu zu strukturieren, das Feuer für die evangelische Lebensweise zu entfachen und die Hoffnung wiederzubeleben“ oder „um die interprovinzielle Zusammenarbeit anzuregen, die wirklich wichtig ist, wenn wir den unterschiedlichen Präsenzen des Ordens Leben und Bedeutung verleihen wollen“

(Fr. Michael Perry, Bericht am Generalkapitel 2015, Roma 2015, 12. 144).


6 Kommentare zu “Franziskaner in Deutschland

  1. Jesus sagt: „Wer frei von Schuld, werfe den ersten Stein!“. Das gilt wohl insbesondere für Deutsche, wenn man an die jüngste Geschichte denkt.. Wir alle tragen eine mehr oder minder große historische Kollektivschuld wegen unterschiedlichster gesellschaftlicher Vergehen, ob das Unterdrückung der Frauen, der Juden oder von Häretikern in der Zeit der Inquisition ist. Ich sehe es als Aufgabe, sich von diesen „Altlasten“ durch seine Lebensweise loszusagen und ein liebevolles fürsorgendes Miteinander zu pflegen

  2. Guten Tag, beim Lesen Ihrer Internetseiten habe ich versucht, ein wenig die Geschichte Ihres Ordens zu studieren. Leider habe ich keine kritische Darstellung vorgefunden. Ich hätte z. B. Gerne gewusst, welche Rolle die Inquisition gespielt hat. Auf der Internetseite der Dominikaner lässt sich dazu einiges finden: sogar eine Erklärung aus dem Jahr 2000. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir antworten
    könnten. Mit freundlichen Grüßen Hermann- Josef Spanke

      1. Eine moderne Forschung zum Thema Franziskaner und Inquisition ist unseren Forschern auf Nachfrage nicht bekannt. Die Dominikaner haben da in den letzten zwei Jahrzehnten ein Großprojekt durchgezogen, dass franziskanischerseits nicht zu leisten ist. Allerdings haben die Dominikaner auf dem Feld auch deutlich mehr aufzuarbeiten. Was nicht heißen soll, dass die Franziskaner ohne Flecken dastehen…

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