Bruder Cornelius Bohl

Ich glaube an Jesus Christus

Gedanken zum Glaubensbekenntnis

Gott wurde Mensch, damit wir wirklich Menschen werden. (Zeichnung von Bruder Gabriel Gnägy)
Gott wurde Mensch, damit wir wirklich Menschen werden. (Zeichnung von Bruder Gabriel Gnägy)

„Der Mensch schafft Gott nach seinem Bild“. Das stimmt wohl leider. Wie sollte ich auch herauskommen aus meiner Welt? Selbst wenn ich ganz Neues denken möchte, bleibe ich notwendig in den Vorstellungen gefangen, die mir nun mal zur Verfügung stehen. Das ganz Andere, das alles Bekannte übersteigt, bleibt entzogen. Darum landet die religiöse Produktivität des Menschen letztlich immer nur bei Projektionen und Götzen. Wir schaffen Gott nach unserem Bild – und bleiben damit unter uns.

Soll die Rede von Gott überhaupt Sinn machen, dann müsste dieser Gott irgendwie von sich aus auf uns zukommen. Dazu müsste er zwar über unsere Denkformen kommunizieren, unsere Bilder und Wörter gebrauchen, aber diese wären dann auch gefüllt mit seiner Wirklichkeit und nicht nur mit unseren Wünschen. Die jüdisch-christliche Tradition glaubt, dass Gott das tut. Sie nennt das »Offenbarung«: Gott begegnet in geschichtlichen Erfahrungen, sendet Menschen, spricht in heiligen Schriften. Christen sind verrückt genug, noch weiter zu gehen: Gott gebraucht nicht nur ein Stück unserer Welt, um etwas von sich zu zeigen, er wird Welt. Gott wird Mensch: Jesus von Nazareth ist „Sohn Gottes“, »Wort des Vaters«, dessen unüberbietbare Selbstmitteilung. Wer darüber noch nicht irritiert den Kopf geschüttelt hat, hat noch nie Weihnachten gefeiert.

Jesus Christus ist für uns nicht deswegen von so zentraler Bedeutung, weil er ein so guter Mensch war, weil er als ein großer Lehrer der Menschheit eine faszinierende Ethik begründete, weil er Verlogenheit und Machtmissbrauch so radikal kritisiert hat und für seine Überzeugungen gestorben ist. Auf diesen Ebenen gibt es noch andere, die mindestens ebenso gut waren wie er. Jesus hat einen Mehrwert: Wer ihm begegnet, begegnet Gott. Wem er sich zuwendet, dem wendet sich Gott zu. Wer ihm folgt, kommt bei Gott an. Seitdem er am Kreuz gestorben ist, können Leiden und Tod ein Ort Gottes sein. „An Jesus Christus glauben“ meint mehr, als nur sein Leben an ihm ausrichten. Er ist in uns und wir sind in ihm. Davon sprechen nicht nur Paulus oder die großen Mystiker. Das erfahren Christen seit 2.000 Jahren bis heute. Alltäglich.

Das Christusereignis ist einmalig. Aber es öffnet die Augen dafür, dass es so etwas gibt wie ein „Christusprinzip“: Welt kann gotthaltig sein. Der aus dem Kolosserbrief entwickelte Gedanke, dass alle Wirklichkeit auf Christus hin erschaffen ist und darum auf ihn verweist, mag uns ebenso spekulativ erscheinen wie die Überzeugung eines Teihard de Chardin, dass die Schöpfung dynamisch auf Christus als ihr Ziel zustrebt. Vertrauter sind uns da die Sakramente. Auch in ihnen begegnet Gott durch Welt, durch eine Handvoll Wasser etwa oder durch ein Stück Brot.

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2013


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