12.05.2018 Bruder Jürgen Neitzert

Franziskaner in Assisi verleihen „Lampe des Friedens“ an Kanzlerin Merkel

Auszeichnung und Ermahnung: Für ein Bemühen um Völkerverständigung und Frieden

Von Bruder Jürgen, unserem Generaldefinitor in Rom:

Heute traf ich bei der Preisverleihung der „Lampe des Friedens“ im Sacro Convento in Assisi die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. 2016 hatte Präsident Santos die Lampe erhalten und er gab sie heute an Frau Merkel weiter.

In ihrer Dankesrede sprach sie viel von der Wichtigkeit Europas. Frau Merkel dankte Präsident Santos für seine Rolle im Friedensprozess in Kolumbien. Sie sprach auch die Situation der syrischen Flüchtlinge in der Türkei und im Libanon an, sowie die Herausforderung für Europa und Deutschland, und ging auf die Probleme in der Ostukraine ein.

Danach war eine Diskussionsrunde mit Flüchtlingen und Migranten in der Aula des Papstpalastes von Assisi zu vielen Fragen der Flüchtlinge. Ein junger Flüchtling fragte die Kanzlerin nach dem Krieg im Jemen und auch nach Waffenexporten in das Kriegsgebiet des Jemen. Frau Merkel antwortete, dass aus Deutschland keine Waffen an Länder geliefert werden sollen, die im Jemenkrieg beteiligt sind.

Beim Mittagessen im Sacro Convento sprach sie mit dem italienischen Ministerpräsident Gentilone, dem kolumbianischen Präsidenten Santos, Kardinal Agostino Vallini und auch mit dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Prodi. Nach dem Essen habe ich ihr den Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung des Jahres 2017 zu Rüstungsexporten aus Deutschland gegeben (GKKE-Bericht) und sie darauf hingewiesen, dass die Kleinwaffenexporte das größte Problem seien.

Später hat Frau Merkel das Programm erweitert, um unsere Klöster San Damiano und Portiunkula zu sehen. Eine Franziskanerin von Siessen hat mit mir Frau Merkel durch das Kloster San Damiano begleitet, wo ich ihr das Gebet des Heiligen Franziskus vor dem Kreuzbild erklärt habe. In Portiunkula besichtigten wir die kleine Kapelle der erste Brüder und den Ort, wo der heilige Franziskus gestorben ist sowie den Rosengarten.

 

 


Hintergrund

Alle Religionen bedienen sich in ihrer Mythologie, in ihrem Kult und in ihren bildhaften Darstellungen, der Idee des Lichtes als Symbol der Gegenwart und des Segens Gottes. Das Licht ist Zeichen für die Anwesenheit Gottes, für Wahrheit und Erkenntnis. Der heilige Franziskus bittet Gott am Beginn seines Bekehrungsweges um Licht und Klarheit auf der Suche nach dem Sinn und dem Ziel seines Lebens. Seitdem nun Papst Johannes Paul II. im Jahre 1986 erstmals die Vertreter der Weltreligionen zum Friedensgebet nach Assisi eingeladen hatte ist sie zu einem Symbol geworden: Eine kleine, unscheinbare gläserne Lampe. Sie gilt mit ihrem Licht als Zeichen des Sieges über die Dunkelheit der Gewalt und der Gottesferne, das Öl, das sie nährt, steht für die Heilung der Wunden, die Kriege und Hass verursachen. Die “Lampe des Friedens” ist Ausdruck der tiefen Sehnsucht des Menschen, daß die Welt herausfinden möge aus der Dunkelheit der Gewalt.

So entstand bei den Franziskaner-Konventualen bei der Grabeskirche des heiligen Franziskus die Idee, dieses Zeichen des Friedens auch weiterhin vor allem an Regierende und andere Verantwortungsträger des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens zu überreichen. Sei es als Zeichen der Anerkennung für deren Einsatz zum Wohle der Menschen, sei es aber auch zur Erinnerung und Ermahnung daran, die fundamentalen Werte des Zusammenlebens der Völker nicht aus dem Blick zu verlieren.

In diesem Jahr wurde der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Lampe verliehen; wie immer geschah es unter den Worten des heiligen Franziskus, der in seinem Brief an die Lenker der Völker schreibt: “Bedenkt und seht, dass der Tag des Todes naht. Daher bitte ich euch in Ehrfurcht, so gut ich kann, ihr möchtet doch nicht wegen der Sorgen und aufreibenden Amtsgeschäfte dieser Welt den Herrn der Vergessenheit anheim fallen lassen und von seinen Geboten abweichen.“


Grußworte im Vorfeld der Verleihung, von Bruder Mauro Gambetti

Botschafter, verehrte Gäste, Journalisten, ein Jeder von Euch empfange den Gruß des Heiligen Franziskus. „Der Herr gebe Euch Frieden!“

Mein besonderer Dank gilt all denen, durch deren Hilfe diese Pressekonferenz heute zustande kommt, so dass wir offiziell verkünden können, dass am 12. Mai die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Präsident der Kolumbianischen Republik Juan Manuel Santos hier in Assisi sein werden. Bei dieser Gelegenheit erhält die Kanzlerin für ihr Wirken zugunsten der Versöhnung und des friedlichen Miteinanders der Völker die „Lampe des Friedens“. Diese Lampe ist die exakte Kopie von jener, die ununterbrochen am Grab des Heiligen von Assisi brennt. Sie ist ein Symbol der Liebe und der Versöhnung. Sie soll jedoch nicht nur ein Objekt der Erinnerung an diesen schönen Moment in Assisi sein. Vielmehr möchten wir ,dass durch die Gesten, Handlungen und Entscheidungen derer, die das Schicksal von Millionen von Menschen lenken können, dieses Ereignis zu einem Geist des Zeugnisses von Männer und Frauen führt, die sich über die Bedeutung dessen bewusst sind, was sie tun und wohin sie unsere Nationen in Zukunft führen.

Gemeinsam mit Präsident Santos, der die gleiche Auszeichnung im Jahr zuvor erhalten hat, wird die Bundeskanzlerin vor Hunderten von Jugendlichen von IHREM Europa sprechen. Ein Europa das auch heute noch konfrontiert ist mit seinen inneren und äußeren Unterschieden und darum ringt, eine mögliche Einheit zu finden. Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus in seiner letzten Ansprache „Freut Euch und Jubelt“ von der Heiligung jeden Tages gesprochen, ein scheinbarer Gegensatz. Aber er verdeutlicht uns die Idee des Papstes, der uns auf das Heil und die Nähe zum Nächsten aufmerksam machen will, indem er einen Jeden von uns zu kleinen freundlichen Gesten für die Menschen die uns tagtäglich begegnen, inspirieren will. Es sind wohl diese kleinen Zeichen, die uns ermöglichen die Unterschiede, die uns nicht gestatten den Menschen dahinter zu betrachten, zu überwinden.

Unterschiede“ heißt das diesjährige Motto dieser Veranstaltung. „Die Unterschiedlichkeit“, schreibt der amerikanische Philosoph Charles Taylor ist Teil der Welt in der wir als Abbild Gottes geschaffen worden sind! (La modernità della religione, tr. it., Meltemi, Roma 2004, pp. 82-83)

Die Gegensätzlichkeit der Begriffe und Ansichten führt uns zu der Annahme, dass Unterschiede, gerade weil sie unbestreitbar sind, die Möglichkeit menschlicher Beziehungen untergraben. Somit wären authentische Beziehungen nur von „kurzen Dauer, leichtfertig und nicht sehr verantwortungsbewusst. Wenn wir aber dieses vorherrschende Stereotyp verlassen, und uns auf die Idee eines Miteinanders konzentrieren, nicht der Bequemlichkeit der Interessen und der Schmeichelei der Rechtfertigung ausgesetzt, eröffnet sich ein völlig anderes Blickfeld. Die Blickrichtung zum Nächsten verändert sich grundlegend, weil sie ihre Legitimität aus der transzendentalen Natur des Gemeinwohls und aus der Würde der menschlichen Person bezieht.

Die Motivation unserer Begegnung in Assisi rührt nicht von unserer eigenen Initiative, sondern sie stammt aus den Briefen, die der Heilige Franziskus an die „Lenker der Völker“ schrieb. Eine Ermahnung für die Führer, um sie an ihre Aufgabe zu erinnern, dass sie im Dienst für das arme Volk bestellt sind. Das ist es, worauf wir nach 800 Jahren immer noch hoffen: Dass die Herrscher von gestern, heute und morgen nicht abweichen mögen von Gottes Geboten!

Dass der heilige Franziskus uns beschütze und unseren Weg erleuchte!