Der Heilige, der am meisten mit der Natur in Verbindung gebracht wird, ist Franziskus von Assisi. Am 29. November 1979 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Patron des Umweltschutzes erhoben. Bereits seit 1931 gibt es den Welttierschutztag – auffällig viele Tierschutzvereine haben Franziskus zum Patron.
Wie hat ein Mensch des Mittelalters auch unserer Neuzeit und Postmoderne nach 800 Jahren in Bezug auf Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit noch etwas zu sagen?
Für Franziskus ist die „Umwelt“ eine „Mitwelt“. Die Schöpfung und mit ihr die Geschöpfe sind um ihrer selbst willen da, nicht als „Gebrauchswert“ für den Menschen. Sie verweisen auf Gott als den Schöpfer allen Seins.
Dies kommt besonders in seinem bekanntesten Text, dem Sonnengesang zum Ausdruck. Er ist in altitalienischer Sprache verfasst und gegen Ende seines Lebens nach einer langen Phase des Leidens entstanden. Franziskus wusste sich eingebunden in alles Geschaffene. Darum sind für ihn die Gestirne und Elemente, die Pflanzen und Tiere „Brüder“ und „Schwestern“ und die Erde wird zur „Mutter“.
Franziskus und die Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung
Für Franziskus kommt alles von Gott her. Mit den Geschöpfen und durch alle Geschöpfe preist er Gott im Sonnengesang für alles, was ihm geschenkt ist. Das Leitmotiv des Sonnengesangs ist die geschwisterliche Gemeinschaft mit den kosmischen Erscheinungen: mit der Herrin und Schwester Sonne, mit Bruder Mond und den Sternen, mit den Elementen, Bruder Wind, Schwester Wasser, Bruder Feuer, der Schwester und Mutter Erde und mit allen Kreaturen.
Die Schöpfung als Spiegelbild Gottes
Franziskus lobt und dankt Gott für alles, was er geschaffen hat.
Der Mensch bedient sich der Geschöpfe, weil er sie zum Leben und Überleben braucht. Der Umgang mit ihnen sollte geprägt sein von Ehrfurcht und Achtsamkeit. Ein Verständnis des Beherrschens, der Inbesitznahme und Ausbeutung widerspricht dem Schöpfungsauftrag. Als Teil des Ganzen nimmt der Mensch seine Verantwortung wahr, indem er als Hüter die Schöpfung bewahrt und im Sinne der Nachhaltigkeit die Lebensgrundlagen für alle Geschöpfe erhält. Letzter Grund dafür ist das theologische Verständnis, dass die Schöpfung ein Spiegelbild Gottes ist.
Nachhaltigkeit als ökologisches Leitbild
Im Jahr 1983 wurde von der UN-Generalversammlung die „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ einberufen, die 1987 den sogenannten Brundtland Report „Unsere gemeinsame Zukunft“ veröffentlichte. Darin wird mit dem Begriff der „Nachhaltigen (zukunftsfähigen) Entwicklung“ die untrennbare Verbindung von Umwelt und Entwicklung beschrieben und der Begriff der Nachhaltigkeit wie folgt definiert: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Die Forderung, diese Entwicklung dauerhaft zu gestalten, gilt für alle Länder und Menschen“ (Gro Harlem Brundtland).
Die Idee der Nachhaltigkeit ist somit zum zentralen Leitbild für das Überleben der Menschheit (im 21. Jahrhundert) geworden. Einer der wesentlichen Sätze und Erkenntnisse Albert Schweitzers lautet: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“. Dieser Gedanke drückt sehr treffend Nachhaltigkeit aus.
Heute wird sie verstanden als Zusammenspiel von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen. Alle drei Komponenten müssen eine gleichberechtigte Berücksichtigung finden, um in Bezug auf Lebensmöglichkeiten für alle zu einem gerechten und fairen Interessensausgleich zu kommen.
Nachhaltigkeit im Sonnengesang
In einer Strophe preist Franziskus den Herrn für den „Bruder Wind“, für die Luft und für die Wolken, für die heitere Himmelsbläue und jede Witterung, „durch die Du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst“. Das hier imm Originaltext gebrauchte Wort ‚sustentamento‘ bedeutet: aufrechterhalten, aushalten, erhalten, nachhalten. Noch ein weiteres Mal kommt eine Ableitung dieses Wortes im Sonnengesang vor. Franziskus spricht von „unserer Schwester, der Mutter Erde, die uns trägt und lenkt (,sustenta et governa‘)“. Es ist erstaunlich (oder vielleicht gerade auch nicht), dass Franziskus in seinem bekanntesten Lobpreis eine Urform des Wortes gebraucht, das heute eines der meist verwendeten im Kontext der Ökologie ist: „sustainability“ = Nachhaltigkeit. Franziskus ist hier also tatsächlich höchst aktuell. In seinem Sonnengesang verbirgt sich ein bzw. das ökologische Leitbild unserer Zeit!
Der Sonnengesang
Der Sonnengesang ist der bekannteste Text des „Troubadours aus Assisi“ und zählt aufgrund seiner dichterischen Gestalt und seines Inhalts zur Weltliteratur.
Er entstand in altitalienischer Sprache im Winter 1224/25.
Das Gebet ist nicht nur eine Hymne auf Gottes gute Schöpfung, sondern fordert uns auch heraus in unserem Verhalten zur Welt und in der Annahme von Krankheit und Sterben.
Der Sonnengesang
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.
Aus: Franziskus-Quellen