Bruder Franz Josef Kröger

San Rufino

Taufkirche von Franz und Klara

Hoch über die Dächer der Stadt erhebt sich die Kuppel der Bischofskirche San Rufino. Zur Zeit des heiligen Franziskus war es eines der bedeutendsten Bauwerke der Region.
Hoch über die Dächer der Stadt erhebt sich die Kuppel der Bischofskirche San Rufino. Zur Zeit des heiligen Franziskus war es eines der bedeutendsten Bauwerke der Region.

Die Kathedrale San Rufino mit ihren feingliedrigen Rosetten versteht es, durch ihre architektonische Gestaltung den Betrachter in ihren Bann zu ziehen. Schon von der Straße her, begrüßt das aufwendig gegliederte Eingangsportal den Besucher. Der Vorplatz der Kathedrale diente und dient auch heute noch für diverse Veranstaltungen. Hier hat Franziskus, unbeabsichtigt, vor den Einwohnern von Assisi sein kleines „Bekehrungsspiel „ inszeniert. Dieses Ereignis wird in der „Sammlung von Perugia“ erzählt. Franziskus, der schon zu Lebzeiten vom Volk als Heiliger verehrt wird, habe sich, um die Bürger vom Gegenteil zu überzeugen, von zwei Mitbrüdern nackt und mit einem Strick um den Hals auf den Kirchenvorplatz führen lassen. Während ihn ein Bruder mit Asche bestreute, soll Franziskus ausgerufen haben: „Ihr glaubt, ich sei ein Heiliger … Doch ich bekenne vor Gott und vor euch, dass ich in dieser meiner Krankheit Fleisch und gewürzte Fleischbrühe gegessen habe.“ (Per 80) Dieses Geschehen löste bei den Umstehenden Betroffenheit aus und führte so manchen zum Glauben.

Noch in anderer Hinsicht wird dieses bedeutende Bauwerk als Zeuge herangezogen. In dieser Kirche sollen nämlich beide, Franziskus und später Klara, getauft worden sein. In San Rufino beginnt Klara am Palmsonntag ihren Bekehrungsweg.

San Rufino

Sie ist eine Augenweide, die so harmonisch gestaltete Fassade von San Rufino, der Kathedrale der Bischofsstadt Assisi. Der große und freie Vorplatz der Kirche gibt nicht nur den Blick frei auf die Fassade mit den grandios gestalteten Rosetten, er bietet auch Raum und Bühne für Veranstaltungen und öffentliche Inszenierungen. Die Kunst der Inszenierung lag auch Franziskus im Blut. Er hat nicht nur auf das Wort gesetzt. Er hat es gleichermaßen verstanden, sein Leben in der Nachfolge Jesu „in Szene“ zu setzen; so auch auf dem Vorplatz von San Rufino. Doch davon soll später die Rede sein.

Wer das Innere der Kirche von San Rufino betritt und nach Spuren sucht, die auf das Leben von Franziskus oder Klara hinweisen, der wird sich mit wenig Sichtbarem bescheiden müssen. Im Grunde ist es nur das alte Taufbecken dieser Kirche, das in einer direkten Beziehung zu Franziskus und Klara steht. Hier wurden zunächst Franziskus und später Klara getauft.

Die Taufe eines Kindes war in damaliger Zeit wohl etwas derart Selbstverständliches, dass darüber kaum ein Wort verloren wurde. Zumindest in Heiligenbiografien spielt die Erinnerung an die Taufe selten eine Rolle. Das gilt auch für Franziskus und Klara. Thomas von Celano, der als Erster eine Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus verfasst, berichtet davon ganz lapidar und ohne Ortsangabe. „Franziskus, der Knecht und Freund des Allerhöchsten, dem die göttliche Vorsehung diesen Namen beilegte, damit durch den seltenen und ungewohnten Namen der ganzen Welt der Glaube an seine Sendung umso schneller bekannt werde, wurde von der eigenen Mutter Johannes genannt, als er durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste aus einem Kind des Zornes zu einem Kind der Gnade wurde.“ Andere Biografen oder Zeitzeugen halten eine Erinnerung an die Taufe erst gar nicht für nötig.

Die Berufung Klaras

Die mächtige Fassade des Domes. Auffallend die mittlere Fensterrosette mit ihren filigranen Speichen. Foto von Kerstin Meinhardt.
Die mächtige Fassade des Domes. Auffallend die mittlere Fensterrosette mit ihren filigranen Speichen. Foto von Kerstin Meinhardt.

Thomas von Celano ist es auch, der erzählt, wie sich in dieser Kirche San Rufino die „Neugeburt“ Klaras vorbereitet. Dass Klara in dieser Kirche getauft wurde, gilt als unbestritten. Aus notariellen Akten aus dem Jahre 1148 ergibt sich ebenso, dass das Haus, in dem Klara aufwuchs, linker Hand am Eingang zum Vorplatz der Kirche stand – auch wenn von diesem Haus heute nichts mehr zu sehen ist. Vielleicht hat Klara von hier aus gehört, wie Franziskus auf dem Vorplatz von San Rufino predigte. Hier hat sich die Berufung Klaras vorbereitet. Vielleicht in aller Stille – aber gewiss nicht ohne ein Mitwirken und ein Mitwissen von Franziskus und dem Bischof von Assisi.

„Es stand der Palmsonntag bevor“, schreibt Thomas von Celano. „Da begab sich das Mädchen (Klara) mit glühendem Herzen zu dem Manne Gottes, um sich über ihre Bekehrung zu erkundigen, was zu tun sei und wie sie vor sich gehe. Der heilige Vater Franziskus hieß sie am Festtag fein gekleidet und geschmückt mit dem übrigen Volk zur Palmweihe gehen. In der folgenden Nacht sollte sie das Lager verlassen und die weltliche Freude in Trauer über das Leiden des Herrn verwandeln. Als der Sonntag kam, betrat Klara mit den Übrigen die Kirche, strahlend in festlichem Glanze in der Schar der Frauen. Dort geschah ein bedeutsames Vorzeichen. Während die anderen Gläubigen sich zu den Palmzweigen hindrängten, blieb Klara aus Scheu unbeweglich auf ihrem Platz. Da stieg der Bischof die Stufen herab, ging zu ihr hin und legte ihr die Palme in die Hand. In der folgenden Nacht rüstete sie sich auf Geheiß des Heiligen und unternahm in guter Begleitung die ersehnte Flucht. Da sie zum gewöhnlichen Eingang nicht hinausgehen wollte, öffnete sie mit staunenswerter Kraft eigenhändig eine andere, mit Holz und Steinblöcken verrammelte Türe.“ (Leben der heiligen Klara, 7)

Im Innern der Kirche, von der Sakristei aus zugänglich, liegt das sogenannte Oratorium des heiligen Franziskus. Hierhin soll Franziskus sich immer zum Gebet zurückgezogen haben, bevor er in der Kirche von San Rufino oder auf dem Vorplatz predigte. Nach Bonaventura war dieses Oratorium damals allerdings noch keine Kapelle, sondern eine „Hütte im Garten der Kanoniker“.

Die Vision der Brüder

An dieser Stelle soll sich ebenfalls eine geheimnisvolle Vision der Brüder im nahen Rivo Torto ereignet haben. Thomas von Celano berichtet darüber wie folgt: „Eines Nachts hatte sich der hochselige Vater Franziskus von ihnen (den Brüdern von Rivo Torto) abgesondert (San Rufino). Und siehe, ungefähr um Mitternacht – einige Brüder schliefen, andere beteten inständig in der Stille – fuhr durch die Tür der Wohnstätte ein feuriger Wagen in hellstem Glanz und wandte sich zwei-, dreimal in der Behausung hin und her. Auf dem Wagen thronte eine gewaltig große Kugel, die das Aussehen einer Sonne hatte und die Nacht hell erleuchtete. Die Wachenden staunten, die Schlafenden fuhren auf und fühlten nicht weniger innere Erhellung des Herzens wie äußere des Leibes. Als sie sich nun versammelten, fragten sie sich, was das zu bedeuten habe; doch da wurde durch die Kraft und Gnade eines solchen Lichtes das Gewissen des einen dem anderen offenbar. – Sie erkannten schließlich, dass es die Seele des heiligen Vaters war, die in so hellem Glanz erstrahlte; durch seine vorzügliche Reinheit und so liebevolle Sorge um seine Söhne hatte er ein solches Gnadengeschenk von Gott zu erhalten verdient.“ (Cel I, 47)

Den Vorplatz von San Rufino hat Franziskus zumindest einmal für einen ungewöhnlichen und „bühnenreifen“ Auftritt genutzt. Davon berichtet die „Sammlung von Perugia“. Franziskus wird von den Menschen bereits zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Damit kommt Franziskus nicht gut zurecht. Er fühlt sich nicht als Heiliger, sondern als der „ganz Kleine und Schwache“. Aber das „Schauspiel“, mit dem Franziskus vor San Rufino sich selbst vor den Augen der Menschen sozusagen als großen Sünder und schwachen Menschen „denunzieren“ möchte, schlägt um in eine „Stunde der Bekehrung“ für viele, die dieses Geschehen verfolgen.
Franziskus hat sich von einer schweren Krankheit gerade etwas erholt, als er auf dem Vorplatz von San Rufino predigt. Nach der Predigt geht er mit Petrus Cathani in die Kirche zurück und befiehlt ihm, ihn (Franziskus) mit einem Strick um den Hals und nackt vor das vor der Kirche wartende Volk zu führen. Zusätzlich soll ein anderer Bruder Franziskus mit einer Schüssel voller Asche überschütten. Franziskus soll dabei dem Volk zugerufen haben: „Ihr glaubt, ich sei ein Heiliger … Doch ich bekenne vor Gott und vor euch, dass ich in dieser meiner Krankheit Fleisch und gewürzte Fleischbrühe gegessen habe.“ (Per 80)

Die von Franziskus erhoffte Wirkung bleibt aus. Anstatt sich über die Schwächen von Franziskus lustig zu machen oder sich zu ärgern, macht sich tiefe Betroffenheit breit. Betroffenheit, die zur Anfrage an das eigene Leben und den eigenen Glauben wird. Zugleich eine Art „Neugeburt“. Oder um es mit Paulus zu sagen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12,10)

Der Typanon über dem Hauptportal zeigt Christus als Weltenrichter, flankiert von Maria und dem Kirchenpatron San Rufino. Foto von Kerstin Meinhardt.
Der Typanon über dem Hauptportal zeigt Christus als Weltenrichter, flankiert von Maria und dem Kirchenpatron San Rufino. Foto von Kerstin Meinhardt.

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