Stefan Federbusch ofm

Haltung und Handlung: Frieden

Elemente franziskanischer Spiritualität

Die Geschichte vom Wolf von Gubbio, steht exemplarisch für das Friedensverständnis aus franziskanischer Sicht. Aus der Perspektive des Heiligen Franziskus ist Frieden und Versöhnung immer und zu jeder Zeit an jedem Ort möglich. Bronzeskulptur von Bruder Laurentius Englisch ofm im Franziskanerkloster in Vossenack. Bild von Bruder Wolfgang Mauritz.

Die Berufung von Franziskus war es, das Evangelium (griech. = gute Nachricht) zu leben. Bedingt durch die Vielfalt des Evangeliums ist es immer nur möglich, bestimmte Aspekte hervorzuheben und in eine bestimmte Lebensweise umzusetzen. Die Spiritualität (spiritus: latein. = Geist) eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen ist daher geprägt von dem Blickwinkel, von dem er bzw. sie auf das Evangelium schaut und von den Erfahrungen, die sein bzw. ihr Leben geprägt haben.

Da auch das Leben und Wirken von Franziskus äußerst vielfältig und vielschichtig ist, beschränkt sich die Darstellung auf einige wesentliche Grundzüge seiner Spiritualität sowie kurzer Hinweise auf Bestandteile einer franziskanischen Spiritualität heute.


Elemente franziskanischer Spiritualität

Der enge Zusammenhang zwischen Haltung und Handlung wird bei Franz von Assisi am offensichtlichsten beim Thema Frieden. „Wenn ihr mit dem Mund den Frieden verkündet, so versichert euch, ob ihr ihn auch, ja noch mehr, in eurem Herzen habt. „Ein authentisches Friedenshandeln ist nur möglich mit einer inneren Haltung der Gewaltlosigkeit und einem versöhnten Herzen. Erst dann ist es möglich, ein glaubwürdiger Friedensstifter zu sein.

In seinem Testament schreibt Franziskus, dass er den Auftrag zum Friedenstiften vom Höchsten selbst erhalten habe: „Als Gruß, so hat mir der Herr geoffenbart, sollten wir sagen: „Der Herr gebe dir Frieden!“ Diese Weisung wurde ihm zur Leitlinie seines praktischen Handelns. „Bei jeder Predigt flehte er, bevor er den Versammelten das Wort Gottes vorlegte, den Frieden herab mit den Worten: „Der Herr gebe euch den Frieden!“ Diesen Frieden verkündete er allzeit mit größter Liebesglut Männern und Frauen, allen Leuten, die ihm auf dem Weg begegneten.“

Seinen Brüdern schrieb er daher ins Stammbuch, sprich in die Regel: „Ich rate aber meinen Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, wenn sie durch die Welt ziehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen, noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und mit allen anständig reden, wie es sich gehört.“

Für Franziskus bilden Demut, Frieden und Geduld einen untrennbaren Dreiklang, gemäß dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus: „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“. Im Begriff der Geduld (= patientia) schwingt pati = leiden mit. Franziskus sieht in der Konflikt- und Leidensfähigkeit die Wahrheitsprobe für den Frieden. Für ihn wächst Friede nur durch geduldiges Ertragen und demütiges Erleiden. Gewaltlosigkeit oder besser Gewaltfreiheit ist aber nicht rein passiv zu verstehen, sondern ist aktives Tun, das ein kreatives Potenzial entfaltet. Zu bewähren hat sie sich auf der Praxisebene des Redens und Handelns. „Und wenn wir sehen oder hören, wie man Böses sagt oder tut oder Gott lästert, dann wollen wir Gutes sagen und Gutes tun und Gott loben.“ Widerspiegeln soll sie sich in den hierarchiefreien Strukturen der Bruderschaft, die geprägt ist von Brüderlichkeit, Mindersein, Besitzlosigkeit und Gewaltfreiheit.

Franziskus lebte den Willen zum Frieden vor, indem er den Bürgermeister und den Bischof von Assisi versöhnte, für einen gerechten Ausgleich zwischen den Bürgern und dem Wolf von Gubbio sorgte, das Gespräch mit Sultan Melik al-Kamil suchte und den Brüdern in seiner Missionsregel auftrug, friedfertig unter den Andersgläubigen zu leben.

Das Zusammenleben in der brüderlichen Gemeinschaft ist das tägliche Bewährungsfeld im Kleinen für alltagspraktisches Friedenshandeln. Die Mitarbeit in der Provinzkommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist eine Möglichkeit, sich für gerechtere Strukturen einzusetzen. Darüber hinaus beteiligen sich Brüder bei pax christi, in der Kolumbienkoordination, im Ökumenischen Institut für Friedenstheologie und bei anderen Initiativen. Die Provinz ist Mitglied der „Aktion Aufschrei“ gegen Rüstungsexporte und der Kampagne erlassjahr.de. In den Konfliktherden dieser Welt versuchen Brüder, durch ihr Handeln zum Frieden beizutragen, etwa in Kolumbien, im Nahen und Mittleren Osten, in verschiedenen Ländern Afrikas. Markus Heinze OFM setzt sich als Geschäftsführer der franziskanischen Nichtregierungsorganisation Franciscans International für die Menschenrechte ein.

Heute würde sich Franziskus freuen über den Einsatz von Streitschlichtern an den Schulen, über die Freiwilligen in den verschiedenen internationalen Friedensdiensten, über die Mitglieder der peace brigades zum Schutz der Menschenrechtlerinnen, über Ausbildungskurse in gewaltfreier Kommunikation, über die Teilnehmenden an den Ostermärschen, über alle, die sich im Kleinen und Großen für Verständigung und Versöhnung einsetzen.

Mit Franziskus salus et pax = Heil und Frieden

Frieden Stiften

Franziskus versteht sich als Bote des Friedens. „Bei jeder Predigt flehte er, bevor er den Versammelten das Wort Gottes verkündigte, den Frieden herab mit den Worten: ‚Der Herr gebe euch den Frieden!‘ Diesen Frieden verkündete er allezeit mit größter Liebesglut Männern und Frauen, allen Leuten, die ihm auf dem Weg begegneten.“ (1/2 C 23; vgl. auch 1/2 C 37; 1/2 C 108). Wie die Jünger, so sollen auch seine Brüder den Menschen „Friede diesem Haus“ (Lk 10,5) wünschen (vgl. SP 101). Grundprinzip ist es, „weder Zank noch Streit an[zu]fangen“ (NbR 16,6) und „wenn wir sehen oder hören, dass Menschen Böses sagen oder tun oder Gott lästern, dann wollen wir Gutes sagen und Gutes tun und Gott loben“ (NbR 17,19). In einer Zeit, wo es für bestimmte Stände selbstverständlich war, Waffen zu tragen, erlaubt Franziskus höchstens einen Wanderstab und verdeutlicht so die Friedensbereitschaft seiner Brüder. In seinen Briefen wünscht Franziskus den Empfängern „Heil und Friede“ („salus et pax“). Für Franziskus ist die trinitarische Dimension des Friedens wichtig. Friede ist ein Geschenk des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes. „Der „wahre Friede“ kommt von Gott in der Person des Vaters und inkarniert sich im demütigen und Frieden stiftenden „Bruder und Sohn Jesus Christus“. Schließlich ist es der Geist des Herrn, der zum „wahren Frieden des Geistes“ antreibt“ (Horst von der Bey) (vgl. Gl; Ord; Erm 15).

Mit seinem Friedensverständnis stellt sich Franziskus gegen das kirchliche Denken seiner Zeit, das geprägt war vom Aufruf zum Kreuzzug. Ansonsten äußerst kirchentreu, widersetzt sich Franziskus den päpstlichen Anordnungen, die er als nicht evangeliumsgemäß erkennt. Und das, obwohl P. Innozenz III. in seinem Kreuzzugsbrief „Quia maior“ von 1213 geschrieben hatte: „So sollen (sie) wissen, dass jeder, der in dieser Stunde der Not seinem Erlöser den Dienst verweigert, sich schwer verschuldigt und schwer zu beschuldigen ist.“

Das Handeln von Franziskus zielt auf Versöhnung. Es gelingt ihm in verschiedenen Situationen, Frieden zwischen verfeindeten Parteien zu stiften (vgl. Fior 11; Fior 21; 1/2 C 37; 1/2 C 108). Die eindrucksvollste Erzählung diesbezüglich ist die Geschichte vom Wolf von Gubbio. In den Sonnengesang fügt er die Strophe von Frieden und Versöhnung ein (Sonn 11).

Im weltlichen Dritten Orden gab es das Waffenverbot: „Tödliche Waffen dürfen sie gegen niemanden empfangen noch mit sich tragen“ (Memoriale 15,3), so dass sich viele dem damaligen aufgezwungenen Kriegsdienst verweigerten.

Frieden stiften heute:

  • Absage an Gewalt jeder Art
  • Einsatz für Frieden weltweit und vor Ort
  • Initiativen gegen Rüstungsexport und für Abrüstung
  • Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern und von Friedensinitiativen.

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