Die Berufung von Franziskus war es, das Evangelium (griech. = gute Nachricht) zu leben. Bedingt durch die Vielfalt des Evangeliums ist es immer nur möglich, bestimmte Aspekte hervorzuheben und in eine bestimmte Lebensweise umzusetzen. Die Spiritualität (spiritus: latein. = Geist) eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen ist daher geprägt von dem Blickwinkel, von dem er bzw. sie auf das Evangelium schaut und von den Erfahrungen, die sein bzw. ihr Leben geprägt haben.
Da auch das Leben und Wirken von Franziskus äußerst vielfältig und vielschichtig ist, beschränkt sich die Darstellung auf einige wesentliche Grundzüge seiner Spiritualität sowie kurzer Hinweise auf Bestandteile einer franziskanischen Spiritualität heute.
In 27 Elementen reflektiert Bruder Stefan Federbusch die franziskanische Spiritualität und ihre konkrete Umsetzung. In der Anfangszeit zog Franziskus mit seinen ersten Brüdern von Ort zu Ort, um dort das Evangelium zu predigen. Nichts sollen sich die Brüder aneignen, weder geistig noch materiell. Franziskus sieht in der gesamten Schöpfung, in der Welt sein Kloster. Diese Sichtweise liegt dem 9. Element der franziskanischen Spiritualität zugrunde.
27 Elemente franziskanischer Spiritualität
9. Innerlich und äußerlich bewegt bleiben
Zentrales Kernelement bildet für Franziskus und seine Brüder die Nachfolge Jesu in Form des Wanderlebens, wie es Jesus mit seinen Aposteln geführt hat. Das Evangelium von der Aussendung der Jünger ist für Franziskus der Anstoß, das Einsiedlergewand abzulegen und sich zu kleiden, wie im Evangelium angegeben (vgl. Gef 8,25). Als er „hörte, dass die Jünger Christi nicht Gold oder Silber noch Geld besitzen, noch Beutel, noch Reisetasche, noch Brot, noch einen Stab auf den Weg mitnehmen, noch Schuhe, noch zwei Röcke tragen dürfen, sondern nur das Reich Gottes und Buße predigen sollten, frohlockte er sogleich im Geiste Gottes und sprach: ‚Das ist es, was ich will! Das ist es, was ich suche! Das verlange ich aus innerstem Herzen zu tun’“ (1/2 C 22).
Dies wird noch einmal bestätigt, indem Franziskus mit den beiden ersten Brüdern, die sich ihm anschließen, drei Mal das Evangelienbuch öffnet und sie die Stellen vom Verkauf des Besitzes, von der Aussendung und vom Kreuztragen finden. Im „Sacrum Commercium“ (SC 63) bittet die Herrin Armut die Brüder, „man möge ihr das Kloster zeigen“. Die Brüder führen sie auf einen Berg, zeigten ihr das gesamte Panorama, das sich bot, und antworteten: „Das ist unser Kloster.“ Das franziskanische Kloster ist also die Welt, sind die Menschen, nicht bestimmte Orte, nicht die Klausur. Der franziskanische Ort (= topos) ist Ort-los (u-topisch). Die Beheimatung war für Franziskus zum einen die Berufung und zum anderen die Bruderschaft. Seine besondere Liebe galt dem Ursprung(sort), der „Portiuncula-Kapelle“ als Wiege des Ordens (vgl. 1/2C 18: „etwas musste er von der Erde haben, denn anders hätte er Christus nicht dienen können“).
Innerlich und äußerlich beweglich bleiben bedeutet heute:
- Flexibilität und Nicht-Gebundenseins an bestimmte Orte
- Innerlich und äußerlich beweglich bleiben
- Sich nichts aneignen
- Die Zeichen der Zeit erkennen.
- Neue Herausforderungen annehmen