Pater Heinrich Gockel

Afrika ruft!

800 Jahre franziskanische Geschichte in Deutschland - Vergegenwärtigung Teil 2

Der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas, liegt im Nordosten von Tansania nahe der kenianischen Grenze. 1982 kamen die Franziskaner, um in Ost-Afrika eine neue Provinz zu gründen. Bild von Greg Montani auf Pixabay

„Afrika ruft!“ lautete die Einladung des Generalministers John Vaughn im Jahr 1982 an den gesamten Orden. 29 Brüder aus 19 Provinzen und 14 Nationen folgten ihr und kamen Anfang 1983 zum fünfwöchigen Afrika-Seminar in die Generalkurie nach Rom. Dort wurden kleine internationale Fraternitäten für mehrere afrikanische Länder zusammengestellt und die Leitung des neuen Vikariats vom hl. Franziskus in Afrika gewählt: Gualberto Gismondi (Vikar), Gregory Tajchman (Vize), Ratsmitglieder Paschal Gallagher, André Comtois, Heinrich Gockel und Giacomo Bini.

Die ersten Fraternitäten brachen bald nach Ende des Seminars auf nach Malawi, Ruanda und Tansania. Die Kenia-Fraternität – mit sieben Brüdern die stärkste Gruppe – musste mehrere Wochen auf ihre Visa warten. Zu ihr gehörten die Brüder Gualberto Gismondi (Italien), Finian Riley, Conrad Schomske (USA), Daniel Hannaford (Neuseeland), Francisco Oliveira (Brasilien), Hermann Borg und auch ich – Heinrich Gockel – (Deutschland). Wir nutzten die Wartezeit mit dem Studium des Kiswahili, der Nationalsprache, die neben der offiziellen Sprache Englisch landesweit gesprochen wird. Wegen zusätzlicher Problemen mit dem Anschlussflug landeten wir schließlich erst am frühen Morgen des 19. April in Kenia.

Das Afrika-Projekt: Erinnerungen an die Anfänge

Wir kamen von verschiedenen Provinzen und Nationen, hatten unsere unterschiedlichen Erwartungen und Träume. Wir waren wie Abraham: hatten alles hinter uns gelassen und waren – jeder mit einem Koffer und leichtem Handgepäck – voll Vertrauen in ein unbekanntes Land und eine ungewisse Zukunft aufgebrochen. Im Stadtteil Westlands fanden wir mit Genehmigung des Kardinals von Nairobi Maurice Michael Otunga ein neues Zuhause. Als er vom Kommen der Franziskaner hörte, schrieb er schon im Dezember 1982 voll Freude nach Rom: „Ich freue mich über einen weiteren Tabernakel des Herrn vom Orden der Minderen Brüder in Nairobi.“

Nach einigen Wochen verstärkten drei weitere Brüder unsere Gemeinschaft. So konnte mit den Brüdern Finian, Joe, Hermann und Francesco im Juli eine zweite Fraternität in der Nachbardiözese Nakuru, in der Landpfarrei Lower-Subukia, eröffnet werden. In diesem abgelegenen, malerischen Seitental des Rift Valley fehlen noch heute asphaltierte Straßen, Elektrizität und fließendes Wasser für die meisten Menschen. Das schön gelegene Tal und die freundlichen Menschen hatten es den Brüdern angetan: Mit ihrer Präsenz wollten sie auch der Landflucht entgegenwirken. Am 16. September 1984 wurde die neu errichtete „St. Francis of Assisi Parish“ feierlich von Bischof Rafael Ndingi Mwana’a Nzeki eröffnet. Am Feldgottesdienst nahmen ca. 2.000 Gläubige aus den weitverstreuten Dörfern teil. Welch ein Erlebnis!! In der Gabenprozession wurden Bananen, Mangos, Papayas, Maiskolben, lebende Hühner und sogar ein prächtiger Ziegenbock zum Altar gebracht. Nach der Eucharistiefeier nahmen alle auf dem Rasen Platz und – wie bei der Wunderbaren Brotvermehrung im Evangelium – wurden alle satt: Es gab reichlich Ugali (Maisbrei), geröstetes Fleisch, Brot und Bananen, alles von Frauen während der Nacht bis in die frühen Morgenstunden vorbereitet.

Das Ein-Familien-Haus in der Donyo Sabuk Avenue in Nairobi, von englischen Siedlern in den 40er Jahren gebaut, war überfüllt mit elf Brüdern. Da das Haus als Zentrale für nachkommende Brüder dienen sollte, die auf ihre Visa für andere Länder manchmal monatelang warten mussten, gab es während der ersten Jahre zahlreiche Gäste. Um Platz zu schaffen, wurden größere Räume mit Sperrholzplatten unterteilt: So bekam jeder Bruder seine eigene kleine Zelle. Die offene Garage im Hof wurde in eine Kapelle umgewandelt: So konnten wir nach etlichen Wochen unsere Gebetszeiten und Eucharistiefeiern vom Aufenthaltsraum in die bescheidene Kapelle verlegen. Pater Conrad schrieb daraufhin in unsere Hauschronik: „Für jemanden, der in einem Stall geboren wurde, ist selbst eine Garage ein Fortschritt!“

Eine Idee hat Zukunft: Novizen in Uganda heute.

Unser erstes Weihnachtsfest war eine bescheidene und besinnliche Feier. Bruder Francesco aus Chile – seit vier Monaten wartete er auf sein Visum für Malawi – bot sich an, unseren Aufenthaltsraum weihnachtlich zu dekorieren. Die Holztrage im Kamin wandelte er um in eine Krippe: Holzwolle hatte er im nahen Einkaufszentrum gefunden, aber ein Christkind war unmöglich aufzutreiben. So platzierte er an Stelle des Kindes die Postkarte mit dem weinenden Franziskus (Bild von Greccio) mit den Worten: „Jesus ist nicht hier – Er ist in Deinem Herzen!“ – Wir bewunderten seine Kreativität und waren zufrieden mit unserem ersten Weihnachtsfest nahe am Äquator.

Weitere Brüder aus Deutschland, die der Aufforderung „Afrika ruft!“ gefolgt sind: Ulrich Gellert (Tansania, Kenia und Uganda), Claus Scheifele (Uganda/Kenia), Friedrich Chudalla (Kenia), Augustinus Wehrmeier (Malawi/Kenia) und Florian Reith (Malawi).


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