11.10.2019 Bruder Gabriel Zörnig

Attentat auf die jüdische Gemeinde in Halle an der Saale

Bruder Gabriel Zörnig, Seelsorger in Halle berichtet.

Zwei Menschen sind am Mittwoch, 9. Oktober in Halle/Saale durch Schüsse getötet worden. Ein Mann starb in einem Döner-Imbiss. Eine Frau wurde vor der Synagoge getötet, als der antisemitische und rechtsextreme Täter vergeblich versuchte, die Synagoge zu stürmen, in der jüdische Gläubige ihr Fest Jom Kippur feierten.

 

Bruder Gabriel Zörnig, Seelsorger in Halle, ist nicht nur schockiert und betroffen, sondern auch entschlossen zu handeln:

Am Mittwoch in Halle: Die Stadt war menschenleer, keine Straßenbahn fuhr, der Hauptbahnhof in Halle wurde von der Deutschen Bahn nicht mehr angefahren, alle Geschäfte geschlossen. Nebenan die Feuerwa-che Süd, Nachbarschaft vom Franziskanerkloster, schickte immer wieder Rettungsfahrzeuge los, Blaulicht, Sirenengeheul, viele Polizeiwagen unterwegs. Es war sehr bedrohlich, weil niemand wusste, wohin die Flucht des Attentäters ging, wie viele Attentäter es sind? Würden sie auch am Franziskanerkloster vorbei-kommen? Beim Rentnerkreis klingelte ständig irgendein Handy und die bange Frage: Wo bist du gerade? Bist du sicher? Als dann eine ältere Dame erzählte, dass gleich hier um die Ecke in einem Supermarkt eine Geiselnahme stattfindet, kam sowas wie Angst auf. Ein Glück war das eine Fehlinformation. Die Polizei warnte, aus dem Haus zu gehen. Es galt Amokalarm. Der Friedensgottesdienst in der Marktkirche zum 30. Gedenken der Friedlichen Revolution fällt aus, hieß es. Es versammelten sich aber dennoch Menschen und gedachten der Ereignisse, die so frisch waren.

Die Mappe mit den Sonderbriefmarken zum interreligiösen Dialog wird Bruder Gabriel als Solidaritätszeichen der jüdische Gemeinde in Halle übergeben. Bild von Bruder Damian Bieger

Erst nach und nach gab es Informationen, obwohl sehr spärlich. Das ganze Ausmaß wurde mir erst am folgenden Morgen bewusst. Zwei Tote, kaltblütig ermordet, weil sie im Weg standen. Die getötete Frau, die den Täter vor der Synagoge angesprochen hatte, musste das mit ihrem Leben bezahlen. Was wäre passiert, wäre der Terrorist in die Synagoge eingedrungen?

Aber Halle steht auf. Am Mittwochabend schon in der Marktkirche, am Donnerstag Gedenkgottesdienst und eine Gedenkveranstaltung auf dem Markt. In den Sonntagsgottesdiensten wird es ein Gedenkgebet geben, am Montag findet ein großer ökumenischer Gottesdienst mit den jeweiligen Bischöfen in Halle statt. In meinem Fenster brennt eine Kerze.

Am Donnerstag, 10.10. fand in Berlin in der Katholischen Akademie die Präsentation der neuen Briefmarke zum interreligiösen Dialog statt, die Begegnung von Franziskus und dem Sultan 1219. Dort war natürlich Halle auch Thema. In einem kurzen Grußwort erzählte ich von vor Ort. So bekam ich eine Mappe mit den neuen Briefmarken mit als Solidaritätszeichen für die jüdische Gemeinde hier in Halle mit Unterschriften der am Festakt beteiligten. Es geht um Dialog und einander kennenlernen, gerade auch heute.

Wir lassen uns nicht unterkriegen, im Gegenteil. Wir gehen aufeinander zu und stärken uns im Glauben. Dass der Terror so nah kommt, sozusagen vor der eigenen Haustür stattfindet, macht mich nicht nur traurig, sondern auch handelnd. Ich hoffe, dass ich die Gelegenheit bekomme, am Schabbath morgen die Solidaritätsnote persönlich zu überbringen.

Ich grüße euch mit shalom und pace e bene, zwei Tage nach dem Anschlag

Euer Br. Gabriel aus Halle.


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