08.05.2017 Thomas Ferencik ofm

Auf den Spuren Luthers

Von Magdeburg bis Eisenach auf dem Weg zur Reformation

Die 95 Thesen wurden am Portal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen. Das Zeitalter der Reformation hat begonnen. Detailbild aus der 360° Ausstellung in Wittenberg. Bild von KHG Hamburg.

Ökumene ist für Franziskus von großer Bedeutung. Als er am Kreuzzug teilnahm, wollte er die „Andersgläubigen“ nicht mit dem Schwert überzeugen. Sondern Mit dem Evangelium und durch das Beispiel seines Lebens. Ihm ging es auch nicht um eine sogenannte Bekehrung der Heiden. Diese Gesinnung des Franziskus hat sich über alle Jahrhunderte im Franziskanerorden erhalten. Die Reformation greift in ihrer Auffassung des „Freien Christenmenschen“ die Aspekte des franziskanischen Selbstverständnisses auf.

In Hamburg betreuen die Franziskaner das Franziskus-Kolleg. Es bietet für 160 Studierende aus ca. 45 Nationen Wohnmöglichkeiten. Das Kolleg hat sich darüber hinaus zur Aufgabe gemacht, das Zusammenleben junger Menschen untereinander zu fördern. Kolleg und Katholische Hochschulgemeinde arbeiten eng zusammen. Die Erzdiözese Hamburg hat im Internationalen Kolleg Räume für die Hochschulgemeinde angemietet.

Bruder Thomas Ferencik ist Franziskaner und Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Hamburg. Seit vielen Jahren begleitet er die Studierenden seelsorglich. Die KHG arbeitet eng mit den konfessionsverschiedenen Gemeinden zusammen. Gemeinsame Angebote des Franziskus-Kollegs und der KHG richten sich an alle Interessierten, unabhängig ihrer Herkunft oder Konfession und tragen zur Ökumene und zum interreligiösen Dialog bei.


Anlässlich des Reformationsjubiläums hat sich die KHG Hamburg und die KHG Lübeck auf den Weg gemacht, um den Spuren Luthers und der Reformation zu folgen.  Im Tagebuch der Katholischen Hochschulgemeinde KHG schildert Bruder Thomas die Etappen und Eindrücke dieses Ökumenischen Weges, vom Beginn in Magdeburg bis zum Ziel auf der Wartburg in Eisenach.

Vom 28. April bis 1. Mai auf den Spuren Luthers

28. April: Begegnung mit der KSG Magdeburg

Wir fahren Richtung Osten und erreichen schließlich Sachsen Anhalt, das „Land der Reformation“. Heute ist dieses Land tiefste Diaspora mit gerade einmal 3,5 % Katholiken. Unser erstes Ziel ist die KSG Magdeburg, bei der wir übernachten wollen. Als wir ankommen, haben wir Mühe auf dem Gemeindegelände einen Parkplatz zu finden. „Hier ist echt was los.“ Ein herzlicher Empfang der KSG erfüllt unsere nach langer Fahrt ermüdeten Gesichter mit Freude. Das köstliche Essen bringt uns die Lebensgeister zurück. Von der Diaspora ist hier nichts zu merken. Danke an Magdeburg!

29. April: Wittenberg

Um die Spuren Luthers zu ergründen, tauchen wir in das Leben vor 500 Jahren ein. Die 360° Ausstellung in Wittenberg bietet uns einen mitreißenden und imposanten Eindruck in die Lebensverhältnisse der damaligen Zeit. Bäm! Das detailreiche Panorama verbindet verschiedene Szenen aus Luthers Zeit und ist damit der perfekte Auftakt in unsere Exkursion. Denn die historischen Hintergründe werden uns in den nächsten Tagen die verschiedenen Wirkungsstätten Luthers näher bringen.

Im Anschluss gehen wir zur berühmten Schlosskirche. Hier soll Luther angeblich die 95 Thesen angeschlagen haben. Wir sehen das große Eingangsportal, in das die Thesen aus Messing eingelassen wurden. Egal wie diese Thesen veröffentlicht worden sind, von hier aus startete eine Bewegung, die bis heute die Welt bewegt. Wir stehen vor dieser Tür, fast andächtig. Jedem ist bewusst, dass hier nicht nur 95 Thesen zu lesen sind, sondern Weltgeschichte geschrieben wurde.

Wir gehen nun zum Lutherhaus, in dem wir eine interessante Führung haben. Besonders eindrucksvoll ist die Stube des Ehepaars Luther in der man noch die originale Wandbemalung und Möbel zu sehen bekommt. Zusammen mit den Berichten der Museumsführerin können wir uns gut vorstellen, wie Frau Luther stickend am Fenster sitzt, während er Biertrinkend am Tisch mit seinen Gästen debattiert. Besonders beeindruckt uns, dass wir nicht nur auf den Spuren Luthers sind, sondern genau genommen auch auf denen von Melanchthon und Lucas Cranach. Wir erfahren, dass Melanchthon maßgeblich an der Übersetzung der Bibel mitgewirkt hat und Cranach für die bildliche Verkündigung seinen Beitrag leistete.

Am Nachmittag fahren wir zum Geburtshaus Luthers nach Eisleben. Zwar erleben wir hier eine schlechte und unfreundliche Führung, doch sind wir uns nicht weniger der Tatsache bewusst, dass wir uns hier an der Wiege der Reformation befinden. Ein neugeborener Mensch wird einmal die Welt in Bewegung bringen. Das ist keine Hollywood-Inszenierung, sondern reale Geschichte. Wir überlegen kurz, ob wir uns für ein Selfie in das Bett Luthers legen, da die Museumsführerin meinte, alles sei zum anfassen und greifbar nah. Das war es auch. Aber würde Luther solch einen Personenkult wollen?

Am Abend fahren wir dann nach Halle, um in einer von den Franziskanern betreuten Gemeinde zu übernachten. Das kleine relativ neue Gemeindezentrum aus den 80er Jahren ist eine sehr schöne Unterkunft. Nach dem Essen findet jeder schnell sein nächstes Betätigungsfeld. Die einen freunden sich mit der Tischtennisplatte an, die anderen singen Lieder in der Kirche. Den Franziskanerbrüdern danken wir herzlich für ihre Gastfreundschaft!

 

Auf dem Platz vor dem Augustinerkloster in Erfurth. Hier lebte Luther als Augustinerchorherr. Bild von KHG Hamburg.

30. April: Erfurt

Heute fahren wir zu einem Ort, der uns nachdenklich machen sollte. Das Augustinerkloster in Erfurt steht auf dem Programm. Hier erfahren wir nicht nur etwas über das asketische Leben der Mönche, sondern werden auch mit der Frage konfrontiert, warum es heute noch evangelische und katholische Christen gibt. Eine italienische Teilnehmerin unserer Gruppe unterhält sich angeregt mit einer deutschen Christin. Was ist in Deutschland anders? Wieso können nicht alle Christen vereint ihren Glauben bekennen? Wir feiern im Kapitelsaal unseren gewohnten Gottesdienst.

Michael, ein Student der Religionswissenschaften, der uns durch die Räumlichkeiten geführt hat, wollte schnell wieder nach Hause, blieb jedoch und war schließlich sichtlich beeindruckt. Nicht weil wir etwa Geschenke mitgebracht hätten, sondern wohl deshalb, weil wir im Gottesdienst die Möglichkeit hatten, unsere Gedanken und Eindrücke der Fahrt wiederzugeben:

  • Es ist beeindruckend, wie ein Mann mit Freunden eine solche Bewegung ins Leben rufen kann
  • Wir wandeln auf den Spuren Luthers und gelangen zu einer real existierenden Wirklichkeit
  • Katholische Hochschulgemeinde befasst sich mit Reformation (eine ev.Christin ist bewegt)
  • Augustiner und Franziskaner: beide Orden haben Männer hervorgebracht, die die Kirche in Atem hielten

Anschließend gehen wir zum Erfurter Dom. Dort erwartet uns eine Führung zur Gloriosa, der größten freischwingenden Glocke. Unser Weg führt vorbei am Coelikum, einem Vorlesungssaal, in dem Luther gelehrt hat und heute noch Theologiestudenten ausgebildet werden. Unsere aufgenommenen Fotos geben staunende Blicke und überwältigende Eindrücke im Turm der Glocken wieder.

1. Mai: Wartburg – Eisenach

Auch wenn Luther auf der Wartburg sicheren Schutz erfuhr, so ist doch bemerkenswert, dass die Heilige Elisabeth im Fokus unserer dortigen Führung steht. Ein wenig kommen hier die Gegensätze zusammen, wie man Kirche erneuern oder mit Leben füllen kann. Der eine mahnt Strukturen der Kirche an, die andere folgt einfach dem Evangelium und hilft den Armen. Beide Haltungen sind sicherlich nicht wegzudenken. Denn Form und Inhalt gehören zusammen und müssen gelegentlich erneuert und wiederbelebt werden.

Viel wissenswertes und informatives zum Lebensumfeld des Reformators bietet die 360° Ausstellung in Wittenberg.
Bild von KHG Hamburg.

 

 


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