„Frieden stiften als franziskanischer Auftrag“ war der Titel einer Veranstaltung auf dem Katholikentag in Leipzig. Der Apostolische Vikar von Aleppo, Franziskanerbischof George Abou Khazen, beschrieb dort die zumeist hoffnungslose Lage der Menschen in Syrien. Die Situation könne man gleichsam als eine „neue Apokalypse“ beschreiben. Er berichtete vom Zusammenbruch des Gesundheitssystems, die meisten Krankenhäuser seien zerstört, mehr als 35.000 Ärzte geflohen. Strom gebe es nur etwa zwei Stunden am Tag. Täglich gebe es Bombardierungen, von denen auch die Zivilbevölkerung betroffen sei. So verliere Syrien im zunehmenden Maße durch die Flucht der Menschen die Jungen und Gebildeten. Aleppo sei, wie seinerzeit Sarajevo, zum „gefährlichsten Ort der Welt“ geworden, stellte der Bischof fest.
Die Getreidevorräte seien gestohlen und in die Türkei verkauft worden. Gleiches gelte für viele für die Produktion notwendige Maschinen. Die Rolle der Türkei in dem Konflikt zwischen Assad, dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und der Rebellenorganisation Al-Nusra steht ohnehin im Fokus der Kritik des syrischen Bischofs. Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei sei auf einer Länge von hundert Kilometern völlig offen. Die Türkei kaufe Öl aus den von der Terrormiliz IS kontrollierten Regionen und unterstütze diese damit. Auch sei das Land zentraler Umschlagplatz für vom IS geraubte Kunst- und Religionsschätze aus Syrien. „So verlieren wir unsere Geschichte“, beklagte der Franziskaner.
In dieser Situation bleibe die Kirche nahe bei den Menschen. „Solange dort Christen vor Ort sind, bleibt auch die Kirche präsent“, versprach der Bischof. Im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten versuchten die Franziskaner der notleidenden Bevölkerung beizustehen. Dies geschehe durch die Wasserversorgung aus eigenen Brunnen, Stromgeneratoren, die Verteilung von Lebensmittelpaketen und eine medizinische Grundversorgung. Ein wichtiges Signal sei auch die Hilfe beim Wiederaufbau zerstörter Wohnungen. Auch die eigenen Räumlichkeiten der Franziskaner seien schon mehrfach von Bomben beschädigt worden. „Wir haben aber immer wieder aufgebaut, um den Menschen dort ein Signal der Hoffnung zu geben.“
Der langjährige Kustos der Franziskaner im Heiligen Land, Bruder Pierbattista Pizzaballa, will die Präsenz seines Ordens in Syrien unbedingt aufrechterhalten. Das werde aber nicht leicht: „Wir können nicht allein den Frieden bringen. Wir sind wenige und arm“, sagte der langjährige Kustos, dessen Nachfolger vor wenigen Tagen ernannt wurde. Derzeit haben die Franziskaner in ihrer Heilig-Land-Provinz – die Israel, Palästina, Jordanien, Syrien, Ägypten, den Libanon und Zypern umfasst – nach eigenen Angaben 280 Mitglieder. In Syrien leben demnach sechsundzwanzig Franziskaner. „Wir dürfen nicht kapitulieren. Wir sind Christen. Wir sind Gläubige. Es ist nicht leicht und nicht ungefährlich, in der Region zu bleiben“, stellte Bruder Pierbattista fest. Zwei Franziskaner seien vor einiger Zeit entführt und dann wieder freigelassen worden.
Bruder Pierbattista betonte, der Krieg in Syrien sei kein Krieg zwischen den Religionen. Vielmehr sei es ein Bürgerkrieg und ein komplexer Konflikt verschiedener islamischer Gruppen. Die Christen seien keine Teilnehmer dieses Konflikts, sondern zwischen die Fronten geraten. Auftrag der Franziskaner sei es, zu vermitteln und Frieden auszustrahlen. „Wir müssen in Vertrauen investieren und dürfen vor allem keine Mauern aufbauen“, erklärte der Kustos im Ratssaal des Neuen Rathauses unter einem Bild der Leipziger Völkerschlacht. „Die Dschihadisten wollen spalten, wir sind das Symbol, das den anderen Weg zu leben zeigt.“ Bruder Pierbattista spricht sich daher, wie der franziskanische Bischof Abou Khazen, gegen spezielle militärische Schutzzonen für Christen aus. Ein solches Handeln sei gegen jede Logik, weil die Christen nicht Partei der Krieges, sondern Brückenbauer seien. Diese Aufgabe könne man in einem Schutzkorridor nicht leisten.
Schließlich haben beide die Hoffnung, dass es doch noch eine friedliche Zukunft für Syrien gebe. „Ich bin weder ein Prophet noch der Sohn des Propheten“, machte Bruder Pierbattista deutlich, dass er noch keine Vorstellung davon habe, wie eine Lösung des Konflikts aussehen könne. Wichtig sei vor allem, nicht so zu tun, als habe man die Lösungen bereits in der Tasche. „Wir müssen versuchen, die Realitäten in kleinen Schritten Stück für Stück zu verändern“, erklärte er. Allerdings werde es Generationen dauern, „alles wieder so aufzubauen, dass Normalität hergestellt werden kann“. Aleppos Bischof erklärte, was zunächst erforderlich sei, ehe man an die Zukunft denken könne: „Zuerst brauchen wir ein Ende des Krieges.“ Für die Zeit danach gebe es positive Signale der Gesprächsbereitschaft. Einige junge, gebildete Muslime würden sich intensiv über das Christentum informieren. Einige hätten sich sogar schon taufen lassen. Auch die Glaubensverfassung der Christen in seinem Land lässt ihn hoffen. „Wir sind zwar weniger, werden darüber aber noch christlicher.“
Pater Werner Mertens, der in der deutschen Ordensprovinz für die Angelegenheiten im Heiligen Land zuständig ist, dankte für die große Unterstützung, die dem Orden auch in finanzieller Hinsicht für seine Arbeit in der Region zuteil werde. „Alles, was bei uns ankommt, geben wir direkt nach Jerusalem weiter und von dort aus wird es zielgerichtet den Aufgaben in den Ländern zugeführt“, erklärte der Franziskaner. Er betonte die besondere Bedeutung Syriens für das Christentum durch die Bekehrung des heiligen Paulus in Damaskus.
„Unser Schicksal ist eingezeichnet in Gottes Hände“, zeigte Bischof Abou Khazen die Hoffnung auf, die den Menschen bleibt. Eine Hoffnung auch darauf, dass es für die Christen in Syrien noch eine friedliche Zukunft geben kann, in der die Franziskaner im Heiligen Land sie ebenfalls begleiten werden.
- Mehr zum Thema Christen in Syrien erfahren sie auch unter weltkirche.katholisch.de in einem Videointerview mit dem Franziskanerbischof George Abou Khazen: „Der Krieg muss ein Ende haben“