Der Name „Jesus“ ist in sich schon ein vollständiges Gebet. In seiner hebräischen Variante Jeschua bedeutet er: „Jahwe rettet“. Letztlich spricht das Neue Testament von nichts anderem als davon, dass Gott sich uns in Jesus Christus als der rettende, der heilende, der helfende Gott zugewandt hat. Daraus hat sich das sogenannte „Jesusgebet“ entwickelt, das in der Ostkirche eine lange Tradition aufweist. In der Westkirche wurde es ab dem Mittelalter vor allem durch die Bettelorden verbreitet. Im Zusammenhang mit La Verna kommt sein Biograf Thomas von Celano auf das Namen-Jesu- Gebet des Franziskus zu sprechen:
„Zudem wissen die Brüder, die mit ihm verkehrten, wie er täglich, ja ständig die Rede von Jesus auf den Lippen hatte … Immer war er mit Jesus beschäftigt, Jesus trug er stets im Herzen, Jesus im Munde, Jesus in den Ohren, Jesus in den Augen, Jesus in den Händen, Jesus in seinen übrigen Gliedern“ (1 Celano 115).
Der Sinn des Jesusgebetes
Das bleibende Mit-Sein mit Jesus, die geistliche Kommunion mit ihm, ist der eigentliche Sinn des Jesusgebetes. Die immerwährende Nennung des Namens Jesu ist Kommunion mit dem WORT Gottes in seiner dichtesten und persönlichsten Form: in seinem geoffenbarten Namen. Durch die immerwährende liebende Übung des Namen-Jesu-Gebetes praktiziert Franziskus ein mütterliches Tragen Jesu in sich, wie er es im 2. Brief an die Gläubigen ausdrückt:
„Mütter unseres Herrn Jesus Christus sind wir, wenn wir ihn in unserem Herzen und Leibe tragen durch die Liebe und ein reines und lauteres Gewissen“ (2 Gl 50; 53).
Die Konzentration auf den Namen Jesu hilft mir beim kontemplativen Verweilen in Gott.
Einüben des Jesusgebetes
Für das Jesusgebet sind im Laufe der Entwicklung, vor allem in der Ostkirche, mehrere Textvariationen gepflegt worden. Wir konzentrieren uns hier nur auf die einfache Anrufung des Namens „Jesus“, ein „Einwortgebet“, das besonders dazu hilft, das Denken möglichst vollständig“ auf Jesus zu konzentrieren und die Vielfalt der Gedanken einzuschränken.
Ein wichtiges Ziel ist es, das Jesusgebet nicht nur zu festen Gebetszeiten zu üben, sondern fortwährend als Begleitung zu allen Aktivitäten, bis es sich mit dem Beten des Heiligen Geistes in uns verbindet und sich verselbstständigt.
Das Jesusgebet ist so schlicht, dass es jeder üben kann, und zwar zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei jeder Gelegenheit. Ich konzentriere mich dabei auf das Herz, nicht auf Kopf und Verstand. Es geschieht im bloßen Glauben, dass Jesus anwesend ist, auch wenn ich nichts verspüre, und zwar nicht nur um mich herum, sondern in mir, in meinem Herzen. Er kennt mich besser als ich mich selber, weil er in meinem Innersten anwesend ist und mich mit liebevollen Augen sieht.
Das Jesusgebet wird sehr ruhig und frei gebetet. Ich kann auch versuchen, es im Atemrhythmus zu beten, aber nur, wenn es gut tut! Spüren Sie, ob das Beten des Namens für Sie beim Ein- oder beim Ausatmen stimmig ist. Verweilen Sie dann in seinem Namen, bis von innen her der Impuls zum erneuten Wiederholen kommt. Das Gebet darf mich nicht außer Atem bringen. Für den Anfang kann es hilfreich sein, für jede Anrufung eine Perle des Rosenkranzes durch die Finger gleiten zu lassen.
Über Menschen den Namen Jesus aussprechen
Das einfachste Fürbittgebet ist es, den Namen Jesu an den Namen des Menschen zu hängen, für den ich beten möchte:
N. N.–Jesus.
Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Sommer 2020