Joaquín Garay ofm

„Der Friede sei mit Dir!“ – Sehnsucht nach Harmonie

Der christliche Friedenswunsch

Der Friedensgruß nach dem Vaterunser und vor der Kommunion gehört als Wunsch, als Gabe beziehungsweise Geschenk Gottes und als Aufgabe für uns alle einfach zu jedem Gottesdienst. Daher wird ein kurzer Handschlag nach der liturgischen Einladung „Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung“ von einem großen Teil der Gottesdienstteilnehmenden sehr geschätzt. Die Sehnsucht nach Frieden ist also immer bei jedem Gottesdienst dabei!

„Der Friede des Herrn sei allezeit mit Euch und mit deinem Geiste“: Der Friedensgruß ist nicht aus Beliebigkeit Teil des Gottesdienstes, auch wenn er für einige Liturgiekenner wenigstens in dieser Form und zu dieser Zeit aus verschiedenen Gründen umstritten sein mag. Er hat einen symbolischen Wert: Er bringt in der Liturgie die Sehnsucht jedes Menschen zum Ausdruck, mit Gott, den Mitmenschen und mit sich selbst im Frieden zu leben – ein Wesenszug des christlichen Glaubens.

Christen aller Konfessionen sind überzeugt, dass das ganze Leben Jesu, das Evangelium – allem voran die Bergpredigt mit dem Geist der Seligpreisungen –, Jesu Gebot der Feindesliebe – seiner Grundeinstellung zur Gewaltlosigkeit –,Friedensbotschaft ist. Das Christentum versteht sich als Religion des Friedens. Deswegen ist das Thema Frieden wesentlicher Bestandteil der Seelsorge. Aus der Pastoralperspektive kann ich nur bestätigen und bestaunen, wie präsent das Thema Frieden in den Gemeinden ist.

Friedenswunsch im Kirchenjahr

In unserer katholischen Liturgie kommt der Wunsch nach Frieden zum Beispiel in den geprägten Zeiten des Kirchenjahres sehr deutlich zum Ausdruck. Die Liturgie der Adventszeit ist von der Erwartung nicht nur des Messias geprägt, sondern der messianischen Zeit. Der Herr wird kommen und der Frieden wird auf der Erde anbrechen. Unübertroffen ist die Sehnsucht nach Frieden zu Weihnachten. Der Gott-mit-uns wird mit dem Friedensgedanken für die Welt verbunden. Ihm wird der Hoheitstitel „Friedensfürst“ verliehen. Es wird verkündigt: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,14) In der Osterzeit beginnen die Begegnungsgeschichten des Auferstandenen mit den Frauen und seinen Jüngern mit dem Gruß „Friede sei mit Euch“. Die biblischen Lesungen und Lieder sind in den geprägten Zeiten voll mit positiven, friedvollen Zukunftsvorstellungen für die ganze Welt. All das bietet in der Seelsorge ausreichende Impulse für Ansprachen und Gebete. Passende Lieder gehören zur Gestaltung von Gottesdiensten. Xavier Moll fand fast 100 Stellen im „Gotteslob“ (GL), an denen der Friedensgedanke vorkommt: Strophen in Psalmen, Kehrversen, Gesängen und Kanones. In der Liederaufteilung (GL 462 bis 475) und bei den Andachten (GL 680) findet man einen Abschnitt: Schöpfung – Gerechtigkeit – Friede. Der Friede wird im „Gotteslob“ gedeutet als Gabe Gottes und Frucht des Geistes. Christus wird als Friedensbringer gepriesen, Maria als Vermittlerin des Friedens. Friede sei, so manche Gebete, Aufgabe des Menschen. Lieder laden ein, den Frieden zu suchen und im Frieden zu sterben. Xavier Moll verweist auch beim Thema Frieden auf andere Stichworte, wie Krieg, Ruhe und Versöhnen.

Die Friedenstaube, ein Symbol des Friedens.
Bild von Archiv Deutsche Franziskanerprovinz.

Frieden überflutet

Es ist erstaunlich, wie viele Materialien für Gottesdienste zum Thema Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung und Gewaltlosigkeit für Gemeinde, Familie, Kinder und Jugendliche, für den Gebrauch in Kindertagesstätten und im Religionsunterricht zur Verfügung stehen – gedruckt oder digital im Internet.

Dazu kommen zahlreiche Aufrufe, Besinnungen und Andachten für den Frieden:

  • der Welttag des Friedens am 1. Januar mit dem Aufruf des Papstes zu einem aktuellen Anlass
  • die im Jahr 1986 entstandene Initiative Friedenslicht aus Bethlehem, die hierzulande besonders von der Pfadfinderbewegung getragen wird
  • der Weltgebetstag der Frauen, der Zeichen für Frieden und Versöhnung sein will, indem er sich für den Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen und gegen alle Formen von Diskriminierungen in Kirche und Gesellschaft einsetzen
  • die „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V.“, die interreligiösen Gebetstreffen dort organisiert, wo sie aktiv oder lebendig ist In diesem Jahr stand der 101. Katholikentag in Münster 2018 unter dem Leitwort „Suche Frieden“, inspiriert vom Psalm 34. An Impulsen und Initiativen für Frieden in unserer Zeit fehlt es also nicht.

Friedensstifter sein

Nach der pastoralen Erfahrung in einer großen Seelsorgeeinheit, wie in Mannheim-Neckarstadt, kann ich feststellen: Es steht außer Zweifel, dass die meisten Mitglieder unserer Pfarrgemeinden sensibel für leidende Menschen sind und mit Menschen in Not mitfühlen. Es gibt eine große Bereitschaft zum Spenden und das nicht nur im Katastrophenfall. Bei Sonntagsgottesdiensten ist es oft üblich, eine Fürbitte für den Frieden, für die Opfer von Gewalt, für eine gerechte Welt zu formulieren. Und trotzdem: Wenn es um die konkreten Geflüchteten bei uns geht oder um das Zusammenleben mit Andersgläubigen vor Ort, dann scheiden sich daran auch in den christlichen Kirchen die Geister. Die Vision bleibt lebendig: Christinnen und Christen werden aus dieser Sehnsucht nach Frieden zu Friedensstiftern vor Ort; sie sind überzeugt, Frieden kann es nur durch Versöhnungsarbeit geben, durch Gerechtigkeit, in Gleichheit zwischen Menschen und in der Bewahrung der Schöpfung – und zwar hier und heute unter uns.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Mission 2 / 2018


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