Bruder Cornelius Bohl

Die Ehe

Nachdenken über die Sakramente

Manchmal muss ich mich an deinen Händen festhalten damit ich nicht in Abgründe stürze (Bildnachweis: Beitragsbild von Stefan Heerdegen / pixelio.de; Artikelbild von Rolf Handke_pixelio.de)
Manchmal muss ich mich an deinen Händen festhalten damit ich nicht in Abgründe stürze
(Bildnachweis: Beitragsbild von Stefan Heerdegen / pixelio.de; Artikelbild von Rolf Handke_pixelio.de)

Manchmal muss ich mich an deinen Händen festhalten damit ich nicht in Abgründe stürze
Manchmal muss ich deine Augen leuchten sehen damit ich meinen Weg erkenne
Manchmal muss ich deine Worte hören damit ich neue Gedanken finde
Manchmal muss ich deine Liebe spüren damit ich weiß dass ich bin

Dagmar Wenndorff

Der Text von Dagmar Wenndorff gefällt mir. Dabei widerspricht er einem gängigen Ideal von Autonomie und Unabhängigkeit. Die Wirklichkeit ist eben anders. Ich stehe nicht immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Mein Weg ist oft nicht klar. Meine Fähigkeiten sind begrenzt. Darum brauche ich ein Du. Die Beziehung zum anderen Menschen gibt Selbststand, weckt Kreativität und eröffnet Zukunft. Einleuchtend ist das nicht unbedingt. Wenn sich zwei Menschen am Abgrund die Hand reichen, werden dann nicht beide abstürzen? Im Auge des anderen, der auch keine Perspektive hat, spiegelt sich oft nur die eigene Ratlosigkeit. Und wenn beide ausgepowert sind, zieht ein Gespräch leicht noch tiefer ins Loch.

Dennoch: Menschen erleben, dass es stimmt, was der Text sagt. Ich lese ihn auch als Glaubensaussage: Wo wir uns gegenseitig halten, erfahren wir, dass wir gemeinsam noch einmal gehalten werden. Wenn sich im Miteinander ein Weg öffnet, merke ich: Wir werden beide geführt. Neue Gedanken aus einem Gespräch zu zweit lassen spüren: Uns wird Zukunft geschenkt. Von wem eigentlich? Vom Leben? Vom Schicksal? Gläubige Christen dürfen sagen: von Gott! Im Du des anderen wird das Du Gottes erfahrbar. In der Beziehung zueinander erleben wir uns gemeinsam in der Beziehung zu Gott. Zwischen mir und dir kommt Gott ins Spiel.

Was für jede Beziehung gilt, wird in der vom Glauben getragenen Gemeinschaft von Mann und Frau in sakramentaler Dichte erfahrbar. Jedes Sakrament ist Begegnung mit Christus. Die Ehepartner erfahren seine Gegenwart in ihrem Miteinander in guten und schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit. In diesem Alltag besteht das Sakrament der Ehe. Darum spenden sich die Eheleute dieses Sakrament auch gegenseitig, nicht der assistierende Priester. Hier wird ja nicht von außen ein Segen in eine Beziehung hineingetragen. Diese Beziehung wird vielmehr im Glauben auf ihr innerstes Geheimnis hin durchsichtig.

Das Sakrament der Ehe betrifft zunächst ganz persönlich die beiden Partner. Aber es ist nicht ihre Privatangelegenheit, sondern auch eine Erfahrung für die Kirche. Viele Propheten sehen in der Verbundenheit von Mann und Frau ein Bild für den Bund zwischen Gott und seinem Volk. Ähnlich versteht die frühe Kirche die eheliche Liebe als Vergegenwärtigung der Liebe und Treue Gottes zu uns allen (vgl. Eph 5,21–33).

Fünf Wesensmerkmale gestalten den Raum der Ehe: das freie Ja, echtes Wohlwollen im alltäglich geteilten Leben, gegenseitige Treue, das unauflösliche Versprechen für immer, Offenheit für Kinder. Die Latte ist hoch gelegt. So hoch, wie meine Erwartungen an Gott sind: dass er ehrlich Ja zu mir sagt. Dass er es wirklich gut mit mir meint. Dass er mich niemals fallen lässt.

Nun spielt sich Leben nicht immer in solcher Höhe ab. Scheitern und die Erfahrung von Schuld gehören dazu. Es ist schmerzlich, wenn ein Jawort plötzlich nicht mehr gilt, Menschen sich nichts mehr bedeuten, einer den anderen sitzen lässt. Die Alternative kann keine christliche Ehe zu herabgesetzten Preisen sein. Aber gerade der glaubende Mensch braucht hier die erfahrbare Zusage, dass Gottes Barmherzigkeit größer ist als unser Versagen. Das wollte Jesus uns doch klarmachen: Unter Gottes Segen darf der Sünder neu beginnen.

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Frühjahr 2012


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