31.10.2016 Stefan Federbusch

Die Franziskaner und die Reformation

Tagung der Johannes-Duns-Scotus Akademie vom 26. bis 29. Oktober

Johannes-Duns-Scotus-Fenster
Johannes Duns Scotus dargestellt als „Doctor Subtilis“. Glasfenster in der Franziskanerkirche St. Barbara in Mönchengladbach.

Zeitgleich zum „Thesenanschlag“ von Martin Luther wurden die Franziskaner durch Papst Leo X. 1517 offiziell in die beiden Zweige von „Konventualen“ und „Observanten“ geteilt. Auch auf franziskanischer Seite wird 2017 also eines ambivalenten Jubiläums gedacht.

Während die strengeren Observanten in der Regel dem „alten“ Glauben treu blieben, wandten sich die „Konventualen“ mehrheitlich dem „neuen“ lutherischen Glauben zu. Die acht Franziskaner in Frankfurt übergaben 1529 dem Rat der Stadt ihr Kloster und gaben ihr Ordensleben auf. Der Guardian Peter Pfeiffer wurde evangelischer Prediger. Die Barfüßerkirche wurde eine der zunächst vier evangelischen Kirchen, ab 1547 evangelische Hauptkirche der Messe- und Kaiserkrönungsstadt Frankfurt, von der zu diesem Zeitpunkt nur noch 2 % der Bevölkerung katholisch war. Heute steht an ihrer Stelle die Paulskirche, in der 1848/49 die Nationalversammlung abgehalten wurde. Bekannt ist die Paulskirche zudem durch die jährliche Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

Den Brückenschlag bildete am Ende der Tagung der Vortrag von Schwester Bernadette Bargel über „Die Klarissen-Äbtissin Caritas Pirckheimer von Nürnberg und die Reformation“. In Nürnberg war es so, dass die Franziskaner am 21. März 1525 zum letzten Mal bei den Klarissen predigen dürften, dem Geburtstag der Äbtissin Caritas Pirckheimer. Anschließend blieben den Schwestern über viele Jahre die Sakramente von Eucharistie, Beichte und Krankensalbung versagt. Im Gegensatz zu den Brüdern in Frankfurt weigerten sich die Klarissen, ihr Kloster aufzugeben. In Nürnberg erfolgte der Versuch, das Kloster von außen aufzuheben, also bereits vier Jahre bevor die Brüder in Frankfurt den neuen Glauben annahmen. Caritas Pirckheimer bestach durch ihre humanistische Bildung, mit der sie Vermittlungsgespräche mit Philipp Melanchton führte. Der Rat blieb allerdings bei seiner harten Linie. Zwar wurde das Kloster nicht aufgehoben, den Schwestern wurden jedoch evangelische Prediger vorgesetzt und sie dürften keine neuen Mitglieder aufnehmen. Drei Schwestern wurden gegen ihren Willen gewaltsam von ihren Familien aus dem Kloster geholt.

Einen sehr persönlichen, da biografischen Vortrag hielt Dr. Henri Veldhuis unter dem Titel „Ein Reformierter in der Franziskanertradition“. Er erzählte von seiner Kindheit und Jugend in einer streng gläubigen Familie in einem weitgehend säkularen bzw. liberalen Umfeld. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ war in der Familie nichts zu spüren. Erst später gelang es ihm durch das Studium, auch andere Linien zu entdecken und durch die franziskanische Tradition, u.a. der Beschäftigung mit Johannes Duns Scotus, zu einer anderen Form von Glauben zu finden.

Worum es bei der Reformation ging, hatte zuvor bereits Prof. Ludger Honnefelder dargestellt mit seinem Referat zum Thema „Die Freiheit eines Christenmenschen – Über die neue Sicht der Freiheit in der Lehre des Johannes Duns Scotus“. Er verstand es, das Problem der Rechtfertigung bei Luther darzustellen sowie die Akzente, die sich diesbezüglich bei Duns Scotus finden. Deutlich wurde, dass Luther in weiten Teilen einen Katholizismus bekämpft hat, der nicht katholisch war, und somit die theologischen Schieflagen und religiösen Praktiken der katholischen Kirche, die nicht dem Evangelium und ihrer eigenen Tradition entsprachen. Bereits Scotus hat auf die Gnade als ungeschuldetes Geschenk verwiesen. Gott wendet sich uns Menschen in Freiheit zu, um uns zu Mitliebenden zu machen.

Dass die Spuren der franziskanischen Tradition bis heute auch in den Kirchen der Reformation nachwirken, verdeutlichte der Beitrag von Bruder Hermann Schalück. Er zeigte die „Spuren und Formen franziskanischen Lebens in den Kirchen der Reformation“ auf. Im evangelischen Bereich haben sich in Deutschland verschiedene Kommunitäten gebildet wie die Michaelsbruderschaft oder die Gemeinschaft von Gnadental. Die Christusbruderschaft Selbitz ist sogar Mitglied der Interfranziskanischen Arbeitsgemeinschaft (INFAG), ebenso wie die „Gefährten des hl. Franziskus“ als internationale ökumenische Bewegung. Die spirituelle Grundlage der Evangelischen Franziskanertertiaren basiert gar auf der Nichtbullierten Regel des hl. Franziskus. Franziskanische Spuren finden sich in der weltweiten „Society of San Francis“ ebenso wie in den Ordens-Gemeinschaften der Anglikanischen Kirche, in den Assisikreisen in Dänemark ebenso wie in lutherischen Kreisen in Schweden und Finnland.

Über „Die Quellen zu Franziskus und Klara von Assisi in der Spaltung des Ordens und in der frühen Reformation“ informierte Bruder Johannes Schlageter. Er ging dabei vor allem auf das Werk des Bartholomäus von Pisa ein.

Bruder Heinz-Meinolf Stamm bürstete die Biografie Luthers gegen den Strich bzw. bestimmte Lutherbilder, die sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert haben. Er betonte Luther als „gemeinsamen Vater im Glauben“, da es Luther um die Eine Christenheit gegangen sei. Er war vom Ansatz her Reformer, nicht Reformator. In der weiteren Entwicklung müsse gesehen werden, dass Luther „Vater und Ketzer“ zugleich war.

Die Diesjährige Tagung der Johannes-Duns-Scotus-Akademie beschäftigte sich mit dem Thema Die Franziskaner und die Reformation. Bild von Bruder Stefan Federbusch.
Die diesjährige Tagung der Johannes-Duns-Scotus-Akademie beschäftigte sich mit dem Thema Die Franziskaner und die Reformation. Bild von Bruder Stefan Federbusch.

Wie in den vergangenen Jahren nahm an der Tagung die niederländische Forschungsgruppe zu Duns Scotus teil. Als einer ihrer Forscher referierte Prof. Anton Vos über „Reformation und Scotismus“. Zentrale Begriffe seines Vortrags waren die Ablösung des Kontingenzdenkens des Mittelalters durch das Notwendigkeitsdenken der Moderne. Mit ihr ging auch das Denken von Johannes Duns Scotus verloren bzw. trat in den Hintergrund. Mit der Beschäftigung Luthers gewinnt auch Duns Scotus neue Relevanz. Prof. Vos betonte das Wissen um die scholastische Theologie. Scotus zu studieren sei eine Lebensnotwendigkeit der Kirche.

Den letzten Impuls setzte Bruder Paul Zahner mit der Frage, inwieweit die Reformatoren durch den Joachimismus beeinflusst worden seien. Dieser geht auf Joachim von Fiore (gest. 1202) zurück. Zu unterscheiden sei zwischen Joachimismus als seiner Lehre selbst und Joachitismus als die Lehren, die sich in seinem Nachgang gebildet haben. Bereits Bonaventura musste sich mit dem Joachimismus auseinandersetzen, da einige Franziskaner mit dieser Lehre in Berührung kamen und sie propagierten. Bonaventura nahm bestimmte Aspekte auf, korrigierte sie aber. Bestimmte Fragestellungen wurden auch von Luther erörtert, ohne dass sie direkt auf joachitische Einflüsse zurückgehen müssen wie die Frage des Kirchenbildes, der Sakramente (wer darf Abendmahl feiern?), der Ämter, der Stellung des Evangeliums. Eine extreme Form praktizierte die Täuferbewegung, die eine Theokratie errichten wollte mit Münster als neuem Jerusalem. Auch hier bleiben die konkreten Einflüsse des Joachimismus wage.

Die Tagung stellte ein buntes Mosaik zur Verfügung, das weiter bereichert werden kann. Ein Baustein dazu dürfte Band 12 der Franziskanischen Akzente werden, der voraussichtlich im Dezember erscheint: „Franziskus und Luther – Freunde über die Zeiten“ von Schwester Nicole Grochowina (Christusbruderschaft Selbitz). Darin stellt sie u.a. die Sicht (des ehemaligen Augustinermönchs) Luther auf die Franziskaner dar sowie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden „Reformer“ der Kirche.

Die nächste Tagung der Johannes-Duns-Scotus-Akademie findet im Oktober 2018 in Hofheim statt.

Mehr Information zur Johannes-Duns-Scotus-Akademie: hier

 


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