Am Hochzeitstag schenkt ein Ehemann seiner Frau einen großen Blumenstrauß. „Aber das wäre doch eigentlich nicht nötig!“, bemerkt sie daraufhin. Und sie hat recht: Entscheidend ist die Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre. Und doch – das kleine Geschenk erfreut sie. Es lässt konkret erfahren, was Worte nur umschreiben können. Es wird zum Ausdruck der Beziehung. Ist der Blumenstrauß „nur“ ein Zeichen, so sind ein Kuss oder die Lust an der körperlichen Vereinigung noch mehr. Sie zeigen eine Beziehung nicht nur an, sie realisieren sie. Da wird der Leib zum „Realsymbol“: In der Zärtlichkeit verwirklicht sich eine Liebe, auch wenn diese Liebe mehr ist als körperliche Berührung.
Eine alltägliche „Sache“ erinnert nicht nur an eine tiefere Wirklichkeit, sondern aktualisiert sie, macht sie erlebbar. Zum sakramentalen Zeichen – beispielsweise das Wasser bei der Taufe – gehört das sakramentale Wort: „Ich taufe dich ..“« Damit wird eine Handvoll Wasser zur Leben schaffenden Begegnung mit Christus. Die sakramentalen Zeichen verweisen also nicht nur auf Christus, sondern setzen ihn gegenwärtig. Darum ist jedes Sakrament wesentlich ein Beziehungsgeschehen. Sakramente vermitteln nicht ein „Etwas“, also „Gnade“ oder „Heil“. Es geht nicht um sachhafte Zuwendungen. Jedes Sakrament ist personale Begegnung mit Christus. Explizite Einsetzungsworte wie für die Taufe (Mt 28,19: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie …“) oder die Eucharistie (Lk 22,19: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“) finden sich nicht für alle Sakramente.
Die Reformation hatte darum im kritischen Rückgriff auf die Schrift den Sakramentsbegriff auf Taufe und Abendmahl beschränkt. Aber ein Sakrament kann nicht mit einer isolierten Bibelstelle begründet werden. Das »sakramentale« Geschichtsverständnis des Volkes Israel, nach dem sich in historischen Ereignissen immer auch Heilsgeschichte vollzieht, kommt in Jesus Christus zu einem unüberbietbaren Höhepunkt: In der Menschwerdung geht Gott selbst in seine Schöpfung ein. Jesus Christus, ganz Mensch und ganz Gott, ist das „Ursakrament“. Das Heil, das er in Person ist, wird durch die Kirche in die Geschichte hinein vermittelt und konkretisiert sich auch in den historisch gewachsenen sieben Einzelsakramenten.
Da ein Sakrament ein durch die Kirche vermitteltes Tun Gottes ist, darf ich mich darauf verlassen, dass sich in diesem wirksamen Zeichen die Christusbegegnung unabhängig vom subjektiven Empfinden des Empfängers oder der persönlichen Disposition des Spenders vollzieht. Diese objektive Verlässlichkeit des Sakraments ist entlastend, muss aber durch einen subjektiven Zugang ergänzt werden: Auch wenn Gott im Sakrament seine Nähe definitiv und in Freiheit schenkt, so kann sie bei mir doch nur ankommen und fruchtbar werden, wenn ich mich ihr auch persönlich öffne.
„Aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen!“ Sakramente in ihrer heutigen Gestalt wären nicht unbedingt nötig. Jesus hat andere Möglichkeiten, uns seine Nähe erfahren zu lassen. Aber wie über ein ehrliches Geschenk freue ich mich auch über diese verlässlichen Zeichen der Nähe Gottes an den Knotenpunkten meiner Existenz, von der Geburt (Taufe) über den Prozess des Erwachsenwerdens (Firmung) bis an die Grenze des Lebens (Krankensalbung), dort, wo ich mich in Verantwortung nehmen lasse (Ehe, Weihe), ebenso wie in der Erfahrung von Schuld (Versöhnung) und im alltäglichen Unterwegssein (Eucharistie).
„Die Sakramente“ – noch vor 50 Jahren waren sie selbstverständliche Begleiter auf dem Lebensweg der allermeisten Katholiken. Heute sind sie für viele nur noch traditionelle Relikte oder gar religiöse Folklore, die man sich häufig nur noch den Großeltern zuliebe spenden lässt.
Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Frühjahr 2011