10.11.2020 Bruder Jürgen Neitzert

Die Stimme von Assisi

Mit Gesang die Botschaft Christi unter die Menschen tragen

Mit seinem Gesang will Bruder Alessandro den Menschen die Botschaft des Evangeliums näher bringen.

Bruder Alessandro Brustenghi heißt mit Ordensnamen eigentlich Bruder Giacomo (Jakobus), wird aber immer Alessandro oder auch „Brus“ genannt. 1978 in einem kleinen Dorf bei Perugia in der Nähe von Assisi geboren, lebt Bruder Alessandro in San Damiano und arbeitet tagsüber zumeist im Umfeld der Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi als Tischler und Restaurator. Das war schon immer eine seiner Leidenschaften. Eine offizielle Ausbildung als Tischler hat er keine absolviert, sondern sich die Techniken in der Praxis angeeignet. „Es ist besser, zu einem Meister zu gehen, der es dir beibringt. Man muss ein, zwei Meister finden, die es dich in ihrer Werkstatt lehren. Und es müssen Menschen sein, die die Kultur kennen“, so formuliert es Bruder Alessandro für sich. Und diese Überzeugung gilt für ihn auch in Bezug auf seine zweite Leidenschaft, die Musik. Abends und mittlerweile auch an vielen Tagen tritt er als Sänger in Konzerten nicht nur in ganz Italien, sondern auch weltweit auf, denn er ist ein berühmten Tenor geworden.

Alessandro interessierte sich schon früh für Musik, wollte Komponist werden und hörte im Alter von acht Jahren die Toccata und Fuge in d-moll von Bach. Diese Musik faszinierte ihn schon als Kind. Im Alter von neun Jahren begann er mit dem Orgelunterricht. Er besuchte eine gute Musikschule in Perugia, lernte Klavier und sang in Chören mit. Mit 18 Jahren begann er mit einer Gesangsausbildung, weil die Schule eine italienische Tenorstimme suchte. Er musste eine Gesangsprüfung ablegen und stürzte sich in ein intensives Übungsprogramm. „Meine Lehrerin lehrte mich nicht nur die Technik, sondern auch, den Gesang zu spüren, ihn zu fühlen.“ Nach zwei Jahren Ausbildung hatte sich seine Stimme sehr gut entwickelt. „Die Musik hat mich die Liebe zu den schönen Dingen gelehrt, aber auch Ordnung, Disziplin, und was es bedeutet, mich vollständig in die Musik hineinzugeben. Sie hat dazu beigetragen, in mir ein systematisches und analytisches Bewusstsein zu entwickeln. Und sie hat mich geöffnet für unvorstellbare technische Möglichkeiten. In der Musik treffen sich Wissenschaft und Kunst, Geist und Herz, Logik und Leidenschaft“, so Bruder Alessandro in unserem Gespräch. Das ist für mich eine aussagekräftige Zusammenfassung, denn dies alles findet sich auch in der einzigartigen Persönlichkeit von Bruder Alessandro.

Nach den Jahren der Ausbildung in den verschiedensten musischen Fächern hatte Alessandro Mühe, eine andere Berufung mit seiner musikalischen Berufung in Einklang zu bringen. Mit 16 Jahren fühlte er in sich eine Berufung von Gott, aber erst mit 19 Jahren nahm er den Kontakt zu den Franziskanern auf. Er wollte den Gesang aufgeben, aber der Postulatsmagister hörte ihn singen und sagte ihm, mit dieser Stimme müsse er singen. Er solle jeden Tag üben und studieren. Und sein geistlicher Begleiter riet ihm, erst sein professionelles Musikstudium im Konservatorium abzuschließen, bevor er in den Orden eintritt. So schloss Alessandro zunächst eine erste qualifizierte Gesangsausbildung ab und trat mit 21 Jahren dann in die Franziskanerprovinz von Assisi ein. Zunächst war er Postulant in Monteluco und anschließend Novize im Noviziatskloster San Damiano. Nach drei Jahren verließ er zunächst den Orden, studierte Operngesang, Orgel und Komposition und schloss sein Hochschulstudium mit der Laurea in Operngesang, also dem Universitätsabschluss ab. Danach wollte er eigentlich ein Eremitendasein führen, trat dann aber doch wieder in die Franziskanerprovinz ein. Nun sang er in der Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi zusammen mit dem Chor und arbeitete gleichzeitig als Tischler. Im Jahr 2009 legte er dort auch die Feierliche Profess ab und begann damit, als Gesangssolist aufzutreten.

Von Assisi zu den „Abbey Road Studios“

Während einer Reise nach Italien auf der Suche nach einem neuen italienischen Tenor entdeckte Mark Pinder – Manager von Mike Hedges, dem ehemaligen Produzenten von U2, Dido und vielen anderen – diese außergewöhnliche Stimme, als ein Gesangslehrer aus Perugia ihm Alessandro vorstellte. Er bot ihm an, ein Album mit traditioneller und zeitgenössischer geistlicher Musik in den weltberühmten Abbey Road Studios in London zu produzieren. Bruder Alessandro fragte den Provinzial um Erlaubnis, die gewährt wurde. Auf der Reise nach London saß er zum ersten Mal in seinem Leben in einem Flugzeug. Dann unterzeichnete Bruder Alessandro einen Exklusivvertrag mit einem der weltweit führenden Plattenlabel Decca Records, das zu Universal Music gehört, natürlich mit Einverständnis des Ordensoberen. Der irische Franziskaner Bruder Eunan McMullan, der in San Damiano lebt und Jurist ist, begleitete ihn zu vielen Terminen und regelte von nun an alle Vertragsfragen für Bruder Alessandro. Alessandros Debütalbum (2012) wurde ein außerordentlicher Erfolg. Es trägt den Titel „Voice from Assisi“, auf Italienisch „La voce da Assisi“ oder auf Deutsch „Die Stimme aus Assisi“. Das Album beginnt mit dem Lied „Fratello Sole, Sorella Luna“ (Bruder Sonne, Schwester Mond), von Riz Ortolani. Dieser hatte es für Franco Zeffirellis Film von 1972 über den heiligen Franziskus nach der Melodie einer mittelalterlichen „Laude“ aus Cortona komponiert. Donovan hat die gleiche Melodie für das Lied „Brother Sun, Sister Moon“ in der englischen Version des Films benutzt.

Das Album besteht aus traditionellen und modernen geistlichen Liedern wie Schuberts „Ave Maria“ und „Sancta Maria“ aus der „Cavalleria rusticana“, dem „Panis angelicus“ von Thomas von Aquin und endet mit dem oft dem heiligen Franziskus zugesprochenen Gebet aus Chartres: „Make Me a Channel of Your Peace“ (Mach mich zum Werkzeug Deines Friedens). Auch eine kürzlich entdeckte Arie von Bellini sowie Vertonungen von Gebeten des heiligen Franziskus wie „Le Lodi Di Dio Altissimo“ finden sich auf diesem Album geistlicher Musik. Das Orchester von Abbey Road in London begleitete Bruder Alessandro.

2012 wurde auch die erste Single mit den Titeln „Panis angelicus“ der vorletzten Strophe des „Hymnus sacris solemniis“, den der heilige Thomas von Aquin für das Fronleichnamsfest geschrieben hat, und „Sancta Maria« aus »Cavalleria rusticana“ veröffentlicht.

Im Jahr 2013 produzierte die Decca eine zweite CD mit ihm: „Voice of Joy“. Sie enthält alte und neuere Weihnachts sowie franziskanische Lieder, darunter auch zum ersten Mal veröffentlichte Stücke. Die CD wurde teilweise in den Strongroom Music Studios in London mit dem Studio Orchestra London, zum anderen in Bethlehem aufgenommen. Das war Alessandros erste Pilgerreise ins Heilige Land.

Geistliche Lieder, aber auch Jazz

Bruder Jürgen Neitzert und Bruder Alessandro Brustenghi bei ihrem Gespräch in Assisi

Der Decca-Vertrag ging nun von der Londoner auf die Mailänder Filiale über. Im Jahr 2015 kam dort die dritte CD mit alten und neuen geistlichen Liedern in sieben Sprachen heraus: „Voice of Peace“, aufgenommen mit einem italienischen Orchester und dem berühmten Guido Rimonda mit seiner Stradivari-Violine aus dem 18. Jahrhundert sowie dem Orchester „Camerata Ducale“ – eine Botschaft des Friedens aus Assisi.

Anschließend erschien eine Sammlung von vier teils noch nicht editierten Weihnachtsliedern von Bruder Alessandro mit dem Chor der Wiener Sängerknaben: „O holy night – Weihnachtslieder „. Im September 2019 kam das vorerst neueste Album mit dem Titel „Il paese del sole“ (Das Land der Sonne) heraus. Es wurde von einer umbrischen Plattenfirma in Zusammenarbeit mit den Franziskanermissionen herausgebracht und hat einen ganz anderen Charakter als die anderen CDs. Es enthält melodische und ergreifende italienische Lieder im Jazzstil, ursprünglich aus dem 18. und 19. Jahrhundert, sodann das neapolitanische Lied und das sich in den 20er und 30er und auch 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelnde italienische Lied, ein geistliches Lied und ein von Bruder Alessandro selbst verfasstes Stück.

Der berühmte Jazzmusiker Javier Girotto und zwei umbrische Künstler haben daran mitgewirkt. Ein umbrisches Werk, um die Missionen zu unterstützen, aber auch ein bedeutendes kulturelles Werk.

In Übereinstimmung mit seinem Armutsgelübde weigert sich Bruder Alessandro Brustenghi, Geld für den Verkauf der Alben entgegenzunehmen. Der Erlös geht vollständig an die weltweiten Missionsprojekte der Franziskaner.

Bruder Alessandro hat auf all seinen Reisen nie in einem Hotel geschlafen, sondern immer entweder in einem Franziskanerkonvent oder in kirchlichen Einrichtungen. Immer trug er das Ordensgewand. „Denn das Ordensgewand ist wie die Blüte an einem Baum, wenn du die Blüte wegnimmst, trägt der Baum keine Frucht. Ich liebe das Ordensgewand und möchte der Welt sagen, wer ich bin. Und auf unseren Reisen haben wir immer einen Moment gesucht, das Evangelium zu verkünden. Alle Anfragen an mich gehen immer zu meinem Ordensoberen, der darüber entscheidet. Wenn er sagt, es soll nicht sein, streiche ich es. Die Aufforderung, immer zu zweit zu gehen und der Gehorsam rettet. Wenn es möglich ist, gehe ich immer gemeinsam mit Bruder Eunan. Es gefällt mir nicht, im Vordergrund zu stehen. Bruder Alessandro hat verstanden, dass sein Gesang, seine Konzerte eine Möglichkeit sind, das Evangelium zu verbreiten. „Die Musik hat die Eigenschaften von Gott, denn sie kommt direkt von Ihm.“

In den sozialen Medien sind Videos mit Alessandro zugänglich, bei YouTube und Facebook. Seine CDs können über den Handel bestellt werden.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Herbst 2020


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert