Bruder Cornelius Bohl

Die Taufe

Nachdenken über die Sakramente

Wasser ist Leben.
Wasser ist Leben.

„Unsere tiefste Angst ist nicht, ungenügend zu sein. Unsere tiefste Angst ist, dass wir über alle Maßen kraftvoll sind. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was wir am meisten fürchten.“ Diese Sätze, die Nelson Mandela in seiner Antrittsrede als Präsident von Südafrika zitierte, lassen aufhorchen: Ja, ich darf groß und stark sein! Ich muss mich nicht kleiner machen! Was in frommen Ohren schnell nach Angeberei klingt, ist christlicher Realismus: Ich bin wichtig und wertvoll! Ich bin wer: Tochter oder Sohn Gottes, existenziell hineingenommen in den Tod und die Auferstehung Jesu. In mir lebt Gottes Geist! Das ist die Wirklichkeit der Taufe.

„Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen!“, sagt die Stimme aus dem offenen Himmel bei der Taufe Jesu. Wie viel Energie und welche vertrauensvolle Gelassenheit strömen mir zu, wenn das wirklich stimmt: In der Taufe hat Gott zu mir defnitiv Ja gesagt! Und dieses Ja ist stärker als die vielen Neins, die mich ständig klein machen wollen. Ich weiß nicht, was morgen kommt. Aber eins weiß ich: Gott und ich gehören zusammen! Für immer. Und das kann mir niemand nehmen!

Die Rede von der Erbsünde ist schwierig. Für mich korrespondiert sie mit einer konkreten Erfahrung von Menschsein überhaupt: Schon vor meiner persönlichen Entscheidung für Gut oder Böse stecke ich in vielfältigen Unheils-Zusammenhängen. Das kann eine belastete Familiengeschichte sein, eine dunkle Veranlagung in mir, ein ungesundes Umfeld, in das ich hineingeboren wurde. Mag der Einzelne strampeln, so viel er will: Da kommt er nicht raus, er verfängt sich nur immer mehr in diesem Netz. Getauftsein heißt für mich: Der Sog nach unten ist nicht die ganze Wirklichkeit. Ich bin auch von oben her gehalten und behütet. Trotz allem!

Taufgespräche – „Na ja, unsere Tochter kann ja auch wieder austreten, wenn ihr die Kirche nicht mehr passt!“ Ich habe diesen Satz oft gehört. Er stimmt. Und er stimmt nicht. Taufe ist nicht der Eintritt in den »Verein Kirche« bis auf weiteres. Sie setzt ein Vorzeichen, das mein ganzes Dasein von innen her verändert. „Ob es Gott wirklich gibt? Aber die Kirche unterstütze ich, schließlich braucht die Gesellschaft Werte!“ Kirche nur als Werteagentur? Für mich drehe ich die Gewichtung um: Gerade weil ich begrenzt bin und immer wieder schuldig werde, in den Dunkelheiten und Abgründen meines Lebens, brauche ich das Du Gottes. Er trägt mich auch in der Krise und im Scheitern. Mir gefällt es, dass ich meinen Namen mit der Taufe verbinde: Genau ich mit meiner individuellen Geschichte bin vor Gott auch dann noch wertvoll, wenn ich gegen meine eigenen Wertvorstellungen verstoße. Wir brauchen notwendig Moral. Darum ist vor der Taufe die klare Entscheidung gefordert: Ich glaube! Ich widersage! Aber Beziehung und Mystik sind wichtiger. Eine Mystik übrigens, die Christen über konfessionellen Grenzen hinweg verbindet. Die Taufe ist das große Sakrament der Ökumene.

Taufwasser, Taufkerze, die Salbung mit Chrisam, das Taufkleid – die Zeichen der Liturgie sprechen für sich: Wasser ist Leben. Licht vertreibt das Dunkel. Öl macht heil. Das Kleid umhüllt. Da muss nicht viel gesprochen werden, da kann man spüren: So ist Gott! Das geschieht in der Taufe! Oder besser: Das geschieht ständig in mir, seitdem ich getauft bin. Denn meine Taufe ist kein Geschehen in der Vergangenheit. Sie ist bleibende, prägende Wirklichkeit der Gegenwart.

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2011


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