Übereinstimmend berichten zeitgenössische Chronisten, wie ein Kanoniker (auch Chorherren genannt) aus Tours oder der Benediktiner Roger von Wendover, über die Neuheit des Minderbrüderlebens, dass diese ohne Eigentum leben, dem Evangelium in Armut folgen und die Demut leben. Diese Beobachter von außen waren über die neue Lebensform – ohne Eigentum dem Evangelium zu folgen – überrascht.
Tatsächlich will Franziskus, dass „die Brüder sich nichts aneignen, weder Haus noch Ort noch irgendeine Sache. Und gleichwie Pilger und Fremdlinge in dieser Welt sollen sie dem Herrn in Armut und Demut dienen …„Franziskus macht sich für die Lebensform der Minderbrüder die evangelischen Räte des Gehorsams, der Keuschheit und eben eines Lebens ohne Eigentum zu eigen. Er sieht darin die Voraussetzung, um „der Demut und Armut unseres Herrn Jesus Christus nachzufolgen„. So „sollen sie beherzigen, dass wir … von der ganzen Welt nichts anderes nötig haben als Nahrung und Kleidung, damit sind wir zufrieden„.
Diese biblische Grundlegung des Verzichtes auf Eigentum in der Armut und Demut Jesu hat für Franziskus ganz praktische und soziale Konsequenzen: Die Brüder „müssen sich freuen, wenn sie mit unbedeutenden und verachteten Leuten umgehen, mit Armen und Schwachen und Kranken und Aussätzigen und Bettlern am Wege„.
Nicht nur Almosen geben, sondern das Leben teilen
Das Leben ohne Eigentum hebt die gesellschaftliche Trennung zwischen Besitzenden und den armen Besitzlosen, den Ausgegrenzten auf. Es ermöglicht nicht nur, Almosen zu spenden, sondern in menschlicher Solidarität ihr Leben zu teilen. Jede Form von überflüssigem Eigentum der Brüder will Franziskus den noch Ärmeren geben, da er diesen Besitz als Eigentum der Armen betrachtet. So berichtet Bonaventura (1221–1274): „Da er, selbst der christlichste unter den Armen, in allen Armen Christi Bild erkannte, gab er ihnen, wenn er ihnen begegnete, freigebig weiter, was man ihm selbst zum notwendigen Lebensunterhalt geschenkt hatte. Ja, er glaubte, es ihnen zurückgeben zu müssen, als wäre es ihr Eigentum„.
Auf keinen Fall will Franziskus, dass die Brüder einen Ort oder ein Gebäude als Eigentum annehmen. Selbst den für ihn und seine wachsende Gemeinschaft so wichtigen Ort der Niederlassung in Portiunkula bei Assisi will er nicht als Eigentum der Brüder übernehmen. „… wenn auch der Abt und die Mönche dem seligen Franziskus und seinen Brüdern jene Kirche ohne jegliche Auflage und ohne Jahreszins frei abgetreten hatten, so schickte doch der selige Franziskus selbst … jährlich ein Körbchen voll kleiner Fische … Dies tat er zum Zeichen größerer Demut und Armut, damit die Brüder keinen Ort zu eigen hätten und sich an keinem Ort dauernd aufhielten, der nicht im Eigentum anderer Leute stand, sodass die Brüder nicht die Möglichkeit haben sollten zu verkaufen oder zu veräußern, auf welche Art auch immer„.
Besitztümer behindern vielfach die Nachfolge Jesu
Als Franziskus eines Tages wieder einmal nach Portiunkula zurückkehrt, findet er neben den Hütten der Brüder ein Haus aus Stein vor. Da er es als sich von den Brüdern angeeignet wähnt, will er es sofort abreißen. Erst als sich die Stadt Assisi als Eigentümerin herausstellt, lässt er davon ab. Ähnliches hat sich in der Niederlassung der Brüder in Bologna zugetragen. Vom Bischof von Assisi auf diese strenge Armut und Eigentumslosigkeit hin angesprochen und auch brüderlich kritisiert, antwortet Franziskus: „Herr, wenn wir irgendwelche Besitztümer hätten, bräuchten wir Waffen zu unserem Schutz. Daraus entstehen Rechtsfragen und Streitereien, und in der Folge wird die Gottes- und Nächstenliebe gewöhnlich vielfach verhindert. Deshalb wollen wir in dieser Welt lieber nichts besitzen“.
Dennoch, Franziskus macht eine Ausnahme: Er lässt sich vom Grafen Orlando di Chiusi den Berggipfel von La Verna schenken, um dort Gott in der Einsamkeit noch näher zu kommen. Prophetisch besteht Franziskus aber auf der Eigentumslosigkeit der Brüder und erwartet von ihnen, dass sie, wie er, „alles Gute dem Herrn, dem erhabensten und höchsten Gott, zurückerstatten und alles Gute als sein Eigentum anerkennen und für alles Dank sagen, ihm, von dem alles Gute herkommt„.
Bei allen anderen Gläubigen scheint Franziskus Eigentum akzeptiert zu haben, insofern sie ihr Herz nicht daran hängen, sondern unrecht erworbenes Gut zurückerstatten, aus Liebe und Demut Almosen spenden und würdige Früchte der Buße bringen, indem sie den Nächsten lieben, ihm nichts Böses antun, sondern Gutes erweisen.