26.03.2020 Franz Richardt OFM

Ein Gottesdienst für Zuhause

Ein Heimgottesdienst für den 5. Fastensonntag

Tod und Auferstehung.
Aquarell von Bruder Gabriel Gnägy ofm.

Die einschneidenden Entscheidungen in Politik und Kirche führen dazu, dass Sie an diesem Sonntag keinen Gottesdienst besuchen können. Sie können, wenn Sie über Zugang zum Internet verfügen, am Gottesdienst teilnehmen, den unser Bischof um 11:00 Uhr im Dom feiert. Sie können, wenn Sie möchten, zu Hause für sich allein oder mit ihren Familienangehörigen eine Andacht feiern. So sind Sie im Gebet mit vielen Menschen überall auf der Welt verbunden, die sich vom Corona-Virus nicht total lähmen lassen wollen, sondern tun, was möglich ist. Hierfür ist der Vorschlag dieser Andacht gedacht, den Sie natürlich auf ihre persönliche Situation hin anpassen können.

Im Evangelium dieses 5. Fastensonntags geht es um die Auferweckung eines verstorbenen Freundes von Jesus, um Lazarus, den Bruder der beiden Schwestern Marta und Maria. Es mag wie eine Zumutung wirken, sich diese Begebenheit in der gegenwärtigen Situation vor Augen zu führen, jetzt, wo so viele Menschen durch das Corona-Virus sterben. Aber gerade deswegen ist es sinnvoll, diese Zumutung nicht auszusparen, sondern sie an sich heranzulassen und – was in dieser Zeit wichtig bleibt – für die Toten, die Hinterbliebenen, für uns alle in dieser Herausforderung weiter zu beten. Dazu möchte ich Ihnen mit diesem Hausgottesdienst Anregungen geben.


Es ist gut, den Gottesdienst – wie immer – mit dem Zeichen der Erlösung zu beginnen:

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr über Leben und Tod – er möge in diesen Augenblicken bei mir / uns sein.

Ein Liedtext vom dem holländischen Dichter Huub Oosterhuis (Übertragung: Cornelius Kok) mag am Anfang stehen, ein Lied, das oft in Trauersituationen gesungen wird:

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,
mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.
Hast du mit Namen mich in deine Hand,
in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben?
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt,
und laß mich unter deinen Söhnen leben.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

Originaltitel: Ik sta voor U

Text: Huub Oosterhuis / Übertragung: Lothar Zenetti / Musik: Bernard Huijbers

Gebet

Herr Jesus Christus, wir glauben

Du bist auch in dieser Zeit ungeahnter Not und Ohnmacht mit uns auf dem Weg. Auch wenn mich/uns viele Fragen bedrängen und mir/uns angst und bange werden kann, so bitte/n ich/wir dich gerade jetzt, lass mich/uns in deinem Wort Orientierung und Halt finden. Das gewähre mir/uns, der du lebst und wirkst, heute und alle Tage bis in deine Ewigkeiten.

Amen

Lesen Sie jetzt das Evangelium des heutigen Sonntags: aus dem Johannesevangelium Kap 11,1-45, oder in einer Kurzfassung

Lassen Sie dieses Evangelium auf sich wirken und bedenken Sie, was sich Ihnen in Ihre Gedanken schiebt. Möglicherweise kann einer der folgenden Impulse eine Anregung zum Nachdenken sein.

Impulse zum Nachdenken

„Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“, sagt Marta zu Jesus. Sie hat vermisst, dass Jesus bei seinem kranken Freund war und erst viel später kommt, zu spät. Der Freund ist gestorben. Wie viele Menschen müssen das jetzt in den Erschütterungen durch das gefährliche Virus erkennen, dass Gott nicht einfach da ist und so rettet, wie wir es gerne hätten. Gott lässt sich nicht einfach herbeibeten, der Tod lässt sich nicht einfach wegbeten. Wir geraten in dieser Krise im Gebet vor Gott und vor die Welt.

Wir geraten vor die Welt: Sie ist und bleibt unvollkommen. Wir leben in einer noch nicht vollendeten Schöpfung. Gottseidank für allen Fortschritt, auch medizinischen Fortschritt. Aber es bleibt ein Riss in den Fugen der Welt. Der Apostel Paulus muss feststellen: „Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung des Leibes als Söhne offenbar werden. Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung“ (Römerbrief 8,22-23). Wir leben in einer Werde-Welt, nicht in einer fertigen, schon mal gar nicht in einer perfekten Welt. Die Auferweckung des toten Lazarus – so verstehe ich sie – ist ein Zeichen, eine Bestärkung, dass wir mit unserer Welt vor Gott leben und dass Gott mit uns in unserer Welt lebt. Auch wenn uns Fragen und Anfechtungen bedrängen, wir glauben, dass es Gott gibt und dass er mit uns unsere Wege geht.

Wir geraten vor ein neues Wertbewusstsein. Solidarität und Disziplin sind auf einmal wieder große Worte und hilfreiche Tugenden. Dazu auch Demut, Brüderlichkeit und Hilfsbereitschaft in einem erstaunlichen Maße, Menschlichkeit, Mitleid – alles Tugenden, die in diesem globalen Notstand neu aufblühen.

Wir sehen in diesen Tagen trotz allem wieder neu das Aufblühen der Natur, das sich nicht aufhalten lässt, dem wir nicht nachhelfen können und müssen – für mich ein Zeichen, dass es nach winterlichen Zeiten auch wieder neue Aufbrüche geben wird.

Wir geraten vor die Ganzheit unseres Lebens, zu der der Tod gehört. Es ist schön, dass es so viele Unternehmungen gibt, die der „wellness“ von uns Menschen dienen, aber diese Tage lehren uns, dass zur „wellness“ auch die „wholeness“ gehört, die „Ganzheit“. Und zur ganzen Wirklichkeit gehört der Tod. Diese „wholeness“ kann auf Dauer nicht ausgeklammert werden. Denn jetzt geht es ums Ganze.

Wir geraten vor Gott: Wir begegnen ihm mit unseren Fragen, vielleicht auch mit unserem Ver-stummen angesichts der vielen Toten, der vielen Kranken, auch der vielen, die nur mühsam oder letztlich nur mit Zwang begreifen, dass es ernst ist. Wir geraten vor ihn, der uns ein Geheimnis bleibt oder neu zum Geheimnis wird. Wir geraten vor unsere Vorstellungen von Gott und lernen, dass er selbst einer ist, der in seinem Sohn in den Mühlen des Leids untergegangen ist. Die Auferweckung des Lazarus will mir sagen: Das Leid ist nicht das letzte Wort über die Welt. Aber diese Aussage ist kein Automatismus der Rettung. „Schmerz und Schatten sind in unser Haus eingekehrt“ (Papst Franziskus) und wollen ausgehalten werden. Auf Hoffnung hin sind wir gerettet (Paulus).

Im oben genannten Lied von Huub Oosterhuis heißt die wörtliche Übersetzung der Zeile „ich möchte glauben, komm mir doch entgegen“ so: „Ich möchte glauben, Herr, was stehst du mir dagegen“. „Das ist ein Klangfragment aus dem Buch Hiob: „Ich stehe vor dir und du achtest nicht mein. Du wandelst dich mir zum grausamen Feind“ (Hiob 30,20) Wir geraten vielleicht wie Hiob auf einen demütigen Weg vor unserem Gott, der anders erlebt wird als im ruhigen Fahrwasser gesunder Normalität. Erst am Ende eines langen Leidensweges kann Hiob sagen, auch wenn der Satz am Anfang des Hiobbuches steht: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen. Gelobt sei der Name des Herrn!“ (Hiob 1,21).

Ich schlage Ihnen vor, jetzt noch einmal das Lied von Huub Oosterhuis in der wörtlichen Übersetzung zu beten:

Ich steh vor dir in Leere, arm und bang,
fremd ist dein Name, spurlos deine Wege.
Du bist mein Gott, Menschengedenken lang –
Tod ist mein Los, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott, der meine Zukunft hält?
Ich glaube, Herr, was stehst du mir dagegen.

Mein Alltag wird von Zweifeln übermannt,
mein Unvermögen hält mich eingefangen.
Steht denn mein Name noch in deiner Hand,
hält dein Erbarmen leise mich umfangen?
Darf ich lebendig sein in deinem Land,
darf ich dich einmal sehn mit neuen Augen?

Sprich du das Wort, das mich mit Trost umgibt,
das mich befreit und nimmt in deinen Frieden.
Öffne die Welt, die ohne Ende ist,
verschwende menschenfreundlich deine Liebe.
Sei heute du mein Brot, so wahr du lebst –
Du bist doch selbst die Seele meines Betens.

(Übersetzung: Alex Stock, in: Andacht. zur poetischen Theologie von huub oosterhuis, St. Ottilien 2011, 55-56)

Beten Sie zum Schluss das Vaterunser und nehmen Sie in dieses Gebet hinein

  • die Not der Kranken,
  • das „stille Sterben“ vieler Menschen,
  • die Angst der Verwandten,
  • die Sorgen der Politiker,
  • die Arbeit der Ärzte und Pflegenden,
  • die Solidarität aller Helfenden,
  • und die Nüchternheit aller, die jetzt an den Fronten einer so noch nie erfahrenen Welt ihr Bestes geben:

Vater unser

Gebet zum Abschluss

Herr, unser Gott, steh uns bei mit Deiner Macht, hilf uns, dass Verstand und Herz sich nicht voneinander trennen. Stärke unter uns den Geist des gegenseitigen Respekts, der Solidarität und der Sorge füreinander. Hilf, dass wir uns innerlich nicht voneinander entfernen. Erhalte uns in Mut und Hoffnung. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Amen

Segensbitte

Der Herr segne und behüte uns.
Der Herr lasse sein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig.
Der Herr wende uns sein Angesicht zu und schenke uns Frieden.
Das gewähre uns der eine Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Amen


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