09.10.2016 Von Monika Sendker / NKZ Neue Kirchenzeitung Hamburg

Endlich zuhause!

Familie Osman aus Syrien hat im Studentenwohnheim der Franziskaner eine neue Heimat gefunden

Neue Heimat im Franziskus-Kolleg: Kheirea (r.) und Mohammed Osman (l.) mit ihrer neugeborenen Tochter Fatma, Kheireas Brüder Shiar (zweiter v.r.) und Khalil (vorne Mitte) und ihr Cousin Mohamad (dritter v.r.) mit Pater Ronald Wessel (hinten Mitte), Karin Löning (vierte v.r.) und Omar Hassan (zweiter v.l.). Bild von Monika Sendker.
Neue Heimat im Franziskus-Kolleg: Kheirea (r.) und Mohammed Osman (l.) mit ihrer neugeborenen Tochter Fatma, Kheireas Brüder Shiar (zweiter v.r.) und Khalil (vorne Mitte) und ihr Cousin Mohamad (dritter v.r.) mit Pater Ronald Wessel (hinten Mitte), Karin Löning (vierte v.r.) und Omar Hassan (zweiter v.l.). Bild von Monika Sendker.

„Wir haben im vergangenen Herbst im Franziskus-Kolleg zwei Appartements für die Familie freigeräumt“, berichtet Bruder Ronald A. Wessel, der Kollegleiter. Gemeinsam mit Eva Wypler, der Sekretärin im Haus, hat er sich in den vergangenen Wochen um die Neuankömmlinge gekümmert. Dass die Syrer Muslime sind, das ist für den Franziskaner höchstens ein Ansporn: „Flüchtlingshilfe ist Nächstenliebe konkret. Wir haben ja alle Konfessionen im Haus. Respektvoll, friedlich und tolerant miteinander umzugehen, das versuchen wir hier zu leben. Unsere Studenten kümmern sich sehr und begleiten die Familie auch bei vielen Behördengängen.“

Gerne folgt die Familie der Einladung, über ihre Flucht zu sprechen. Der Tisch ist gedeckt, es gibt schwarzen Tee und Kekse. Drumherum haben Kheirea Osman und ihr Mann Mohammed, Kheireas Brüder Shiar und Khalil und ihr Cousin Mohamad Platz genommen. Für das Gespräch ist auch Omar Hassan (30) gekommen, der ebenfalls im Franziskus-Kolleg wohnt. Er studiert öffentliches Gesundheitswesen und übersetzt die Gespräche auf Arabisch. Denn mit der Verständigung klappt es noch nicht so gut. Das beste Deutsch spricht mittlerweile der 13-jährige Khalil, er besucht die Stadtteilschule am Hafen. Die Schule gefalle ihm sehr gut an Deutschland, sagt er. Dort gebe es ein Mittagessen und drei Pausen – das kennt er aus seiner Heimat anders.

Mit schweren Verletzungen auf der Flucht Shiar Osman (24), kann Besuchern nur mit Mühe seine rechte Hand geben. Er ist halbseitig gelähmt. Ein Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat habe ihm bei einem Überfall in den Kopf geschossen, übersetzt Omar Hassan. Trotz seiner Verletzungen hat er sich im Mai des vergangenen Jahres mit seiner Schwester, dem kleinen Bruder und dem Schwager auf die Flucht begeben. Da war die Stadt Aleppo schon zum größten Teil zerstört. Zu Fuß in die Türkei, mit Hilfe von Schleusern in einem kleinen Boot übers Mittelmeer nach Griechenland, über Makedonien, Serbien, Ungarn. Den körperlichen Belastungen war er dort nicht mehr gewachsen, er blieb in Ungarn, kam für eine Nacht in Polizeigewahrsam. Freunde nahmen ihn mit über Passau nach Jena, wo er erstmals ärztlich behandelt wurde. Inzwischen besucht er täglich eine Physiotherapie. Shiar hat als anerkannter Flüchtling eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die Asylanträge der anderen Familienmitglieder wurden ebenfalls positiv beschieden, nur Khalil ist, da er noch minderjährig ist, nur geduldet.

Kheirea (27) und Mohammed Osman (31) kamen über Ungarn nach Passau, dann nach Hamburg, ins Aufnahmelager Niendorfer Straße. Und von dort ins Franziskus-Kolleg. In Syrien hatte Mohammed viele kleine Jobs, er arbeitete in einem Textilgeschäft, in der Landwirtschaft. Was er beruflich in Deutschland machen will? Darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht, gesteht er. Zunächst einmal müsse er seinen Deutschkurs absolvieren. Und sich um seine Familie kümmern. Für das junge Ehepaar, das seit sechs Jahren verheiratet ist, hat das Wort Familie neuerdings einen anderen Klang: Fatma wurde vor acht Wochen geboren. Der Säugling schläft während des Gesprächs friedlich in den Armen der Mutter. Kheireas Eltern sind ebenfalls aus der zerstörten Stadt Aleppo geflohen, sie warten nun in Griechenland auf die Familienzusammenführung, auf die Weiterreise, auf den ersten Blick auf das Enkelkind. Eine Situation, die der ganzen Familie zu schaffen macht. Vor allem der 13-jährige Khalil hat Heimweh nach seinen Eltern.

Das Elternhaus in Aleppo ist nur noch eine Ruine Die Eltern von Mohamad, Kheireas Cousin, sind dagegen noch in Aleppo. Über Whatsapp hält Mohamad Kontakt zu ihnen. Er habe Angst um sie, sagt er und zeigt ein Foto seines Elternhauses auf dem Handy: Es sind nur noch Ruinen zu sehen. Der junge Mann sollte in Syrien zum Militär, da ist er geflohen. Ob er eines Tages zurückkehren würde, unter anderen, friedlichen Umständen? Mohamad schüttelt den Kopf. Er will jetzt Deutsch lernen und dann eine Ausbildung machen. Vielleicht in einer Autowerkstatt, das würde ihm gefallen. In Deutschland habe er gelernt, dass er alles selbst in die Hand nehmen müsse, sagt Mohamad. Und das will er tun. Sein Cousin Shiar hat in Syrien Schmuck gefertigt. Aber dafür braucht er zwei Hände. Die rechte Hand ist, wie das rechte bein, völlig bewegungslos. Manchmal hat er Schmerzen.

Die Bilder aus dem Krieg tragen sie alle mit sich. Und sie reden untereinander über das Erlebte. Mohammed Osman denkt viel an sein zerstörtes Haus in Aleppo. Jetzt sei er froh, ohne Angst zu leben, auch über die Wohnung im FranzikusKolleg sei er glücklich. Es gebe so viele Menschen im Haus und in der Stadt, die ihnen helfen, dafür seien sie dankbar, sagt er. „Bruder Ronald ist wie ein Vater für uns“, übersetzt Omar Hassan. Auch Karin Löning gilt ihr Dank. Die engagierte Frau aus der benachbarten Gemeinde St. Elisabeth hat sich in der Zeit der Schwangerschaft viel um Kheirea gekümmert. Sie wollte helfen, sie organisierte ein Bett für das Neugeborene, eins ergab das andere. „Es fügt sich“, sagt sie. Und die einfachste Art zu helfen sei doch, einfach zu helfen. Karin Löning kommt inzwischen fast täglich, um mit Kheirea und Mohammed deutsch zu reden, damit sie ihre Sprachkurse bestehen. Bruder Ronald hofft, dass Kheireas Eltern demnächst aus Athen kommen dürfen. Viele bürokratische Hürden seien dafür noch zu meistern. „Und dann werden wir wohl auch noch ein weiteres Appartement für sie freiräumen.“

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Franziskus-Kolleg Hamburg

 


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