Eigentlich war für Samstag Vormittag Regen auf dem Kreuzberg angesagt, doch solange die Segnung des fertig gestellten Kreuzweges hinter der Wallfahrtskirche andauerte, solange blieb es trocken – zumindest von oben, denn Bruder Stanislaus Wentowski, der Guardian des Klosters, sparte keineswegs mit Weihwasser. „Wenn schon, dann richtig“, pflegt er bei Segnungen zu sagen.
Nach fast zwei Jahren Planungen und Umsetzung konnte der Kreuzweg ergänzt und in Gänze gesegnet werden. Nötig wurde die Vervollständigung, da die Stationen „Kreuzigung“ und „Grablegung“ in der Darstellung fehlen. Nachgearbeitet wurden die fehlenden Stationen vom Langenleitner Bildhauer Günter Metz, der gemeinsam mit seinem Sohn Klaus Metz die Enthüllung vornahm.
„Noch stechen sie hervor und das ist auch gut so“, sagte Bruder Stanislaus. „Alle Menschen sollen sehen, das etwas neues entstanden ist.“ Ein Dank ging an Stefan Vorndran, der die Mauer so umbaute, dass die neuen Platten eine Einheit mit den vorhandenen Platten des Kreuzweges bilden.
Bei der eigentlichen Segnungshandlung ging Bruder Stanislaus mit Weihwasser und Weihrauch am Kreuzweg entlang. Dann wandte er sich an die Gläubigen, die sich gemeinsam mit den Kreuzbergmusikanten hinter der Kirche versammelt hatten. „Ich habe gerade Gänsehaut bekommen. Als ich bei der 12. Station, der Kreuzigung, das Weihrauchfass geschwungen habe, lief aus den Augen des linken Schächers, der auf Jesus schaut, ein Tropfen Wasser. Ich habe vorher reichlich Weihwasser genommen, das ist also kein Wunder, aber für mich ist es ein Zeichen.“ Und er erklärte, wie er dieses Zeichen versteht. „Egal wie viel man im Leben gesündigt hat, wenn man auf Jesus Christus hinschaut und man bereut von Herzen, mit Tränen, dann sagt er: noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Bruder Stanislaus hielt inne und sagte: „Das ist unser Glauben!“ In seiner Predigt stellte er, passend zum Thema des Festes Kreuzerhöhung und der Segnung des Kreuzweges, das Kreuz in den Mittelpunkt. Er erinnerte daran, dass das Kreuz am Anfang des Christentums kaum eine Rolle spielte. „Denn nicht der Tod war wichtig, sondern die Auferstehung Jesu Christi. Die Frohe Botschaft hieß und heißt: Jesus lebt. Er hat den Tod besiegt. Und wer an ihn glaubt, wird den Tod in Ewigkeit nicht schauen.“ Er fragte in die voll besetzte Kirche: Wieso feiern wir das Fest Kreuzerhöhung? Wieso schauen wir auf das Kreuz und sollen an das Leid, die Qualen und den Tod erinnert werden? Wer will damit schon konfrontiert werden?
Und dann erklärte er die Zusammenhänge: Das Leben sei schön, aber leider nicht perfekt, es beinhalte auch dunkle Seiten, die für die Reifung des Menschen unabdingbar seien. Der Mensch stoße in seinem Leben an Grenzen, die aus der Bahn werfen können. Er werde mit Krankheit, Tod, Schicksalsschlägen oder Katastrophen konfrontiert. Oft werde der Satz gebraucht: Das Leben ist ungerecht. Genau hier könne der Glaube behilflich sein und zumindest Trost und Kraft schenken. Jesus selbst habe am eigenen Leib erfahren, wie ungerecht das Leben sei. Aber er habe nicht nur gelitten, er habe das Leben gefeiert, wo sich Gelegenheit dazu bot.
Das Fest der Kreuzerhöhung sei nicht eingeführt worden, um alleine den Tod Jesu ständig vor Augen zu haben, sondern um an die heilsame Begegnung mit ihm zu erinnern. Und damit war Bruder Stanislaus wieder beim Schächer und der Träne aus Weihwasser, der das heilsame trotz grausamen Todes am Kreuz erfahren habe.
Seit Jahrhunderten kommen die Menschen auf den Kreuzberg, um Hilfe für ihr Leben zu erbitten. „Sie schauen zwar dem Leid und dem Tod ins Angesicht, doch ausgerechnet von dem Gekreuzigten erfahren sie Stärkung für das ungerechte Leben, oder eine Motivation, weiter nach dem Guten zu suchen. Im Symbol des Kreuzes kann man tatsächlich die Güte und Liebe Gottes entdecken.“ Der Glaube könne helfen, mit schlechten Erfahrungen und Schicksalsschlägen so umzugehen, dass das Leben immer noch lebenswert empfunden werde. „Der Glaube kann uns helfen, zu liebenden und glücklichen Menschen zu werden – trotz der dunklen Seiten. Kreuz und Leid werden nicht von uns hinweg genommen, aber damit allein gelassen, werden wir auch nicht. Gott wird erst recht in den Dunkelheiten unseres Lebens mit seiner Liebe, Kraft und Stärke bei uns sein. Daran soll uns Kreuzerhöhung erinnern.“