27.10.2016 Bruder Thomas Freidel / Bruder Claus Scheifele

Erdbeben in Mittelitalien: Entwarnung aus Assisi

Innerhalb kurzer Zeit bebt die Erde zum zweiten Mal in Mittelitalien

Oberkirche der Basilika San Francesco in Assisi. In der unteren Galerie die Wandmalereien von Giotto zum Leben des heiligen Franziskus.
Oberkirche der Basilika San Francesco in Assisi. In der unteren Galerie die Wandmalereien von Giotto zum Leben des heiligen Franziskus.

Am 26. Oktober versetzte ein erneutes Beben die Einwohner der Region Mittelitaliens in Angst und Schrecken. Innerhalb kurzer Abstände bebte bereits zum zweiten Mal die Erde in der Region Mittelitaliens.  Auch Assisi, die Stadt des heiligen Franziskus wurde diesmal von dem Beben erreicht. Glücklicherweise blieben die franziskanischen Stätten unversehrt.

Sehr stark betroffen sind allerdings unsere Brüder in der Benediktinerabtei in Nursia. Wenn Sie sich informieren möchten, oder mit Spenden helfen wollen, schauen sie bitte hier: en.nursia.org/earthquake

Aus Assisi berichtet Bruder Thomas Freidel, der Pilgerseelsorger im Konvent der Minoriten in San Francesco: „Das zweimalige Beben war auch in Assisi spürbar, nennenswerte Schäden gab es nicht. Wenn es an einem bekannten Ort wie hier Zerstörungen gäbe, würden das die Medien auch gleich melden!“

Das Kleine Kirchlein San Damiano hat Franziskus in der Phase seines Lebenswandels eigenhändig wieder aufgebaut.
Das kleine Kirchlein San Damiano hat Franziskus in der Phase seines Lebenswandels eigenhändig wieder aufgebaut.

Auch Bruder Claus Scheifele, der seit einigen Monaten im Konvent in San Damiano lebt, hat das Erdbeben hautnah miterlebt.

„Da gibt es aber Erdbeben“, sagten besorgte Mitmenschen, als ich sagte, dass ich für eine gewisse Zeit in San Damiano leben wolle. Und sie hatten recht. Gestern, am 26. Oktober 2016 waren wir in der Kirche zur bekannten täglichen San-Damiano-Vesper versammelt, die Orgel begleitete uns beim Psalmenbeten, als auf einmal – so gegen 19:10 Uhr der Boden zu zittern begann, als ob eine Herde Elefanten vorbeitrampeln würde. Ein tiefes Grummeln war zu vernehmen. „Oh je, ein Erdbeben“, dachte ich. Ich kenne das von Telfs, Innsbruck und auch von Uganda. Aber, was dann kam, überstieg meine bisherigen Erfahrungen. Erst hatte man das Gefühl, dass sich der Boden hebt und senkt und dann wurden wir hin- und her geschüttelt in unseren Chorstallen. Das Kirchengwölbe ächzte. Eine Schwester verließ mit wehendem Schleier fluchtartig die Kirche. Die Orgel hörte zu spielen auf, wir sangen auch nicht weiter, sondern schauten einander entsetzt an. Sollen wir aus der Kirche laufen? Es dauerte nicht sehr lange, da beruhigte sich die Erde und wir setzten unser Gebet fort. Es ist nichts passiert – im Gegensatz zum Zentrum des Erdbebens, das etwa 60 km von uns entfernt ist. Dort stürzten bei 5,2 auf der Richterskale Häuser ein, und es kam zu großen Schäden.

Beim Abendessen standen die Brüder alle aufgeregt zusammen und redeten sich ein wenig die Angst von der Seele. Mit einer gewissen Bangigkeit ging ich danach auf mein Zimmer. Wer weiß, da können ja noch Nachbeben kommen. Und es kam so. Gegen 21:10 Uhr gingen der Lärm und das Schütteln wieder los. Ich rannte aus meinem Zimmer zu den Brüdern, die am Fernseher Information über das Beben suchten. Der zweite Erdstoß war noch heftiger und richtete noch mehr Schäden bei 6,4 auf der Richterskala an. Ich ging dann doch schlafen – hoffend, dass nichts Schlimmeres passiert. Ich wurde nur noch einmal bei einem leichten Beben aufgeweckt. Gott-sei-Dank! Es ist uns nichts passiert.

Wir können darauf vertrauen, dass nach dem schrecklichen Erdbeben von 1997, bei dem San Damiano sehr zerstört worden war, der Wiederaufbau weitgehend erdbebensicher geschah. Überall sieht man Eisenklammern an der Fassade, und quer durch das Haus laufen starke Eisenbänder. Selbst, wenn das Zentrum des Bebens näher bei uns gewesen wäre, die Klostergebäude wären wohl nicht eingestürzt.

Aber, Erdbeben sind eine schreckliche, Erfahrung. Wenn der Boden, also das was man als das sichere Fundament ganz unbewusst als gegeben vermeint, zu wanken beginnt, dann wankt das Leben und ein existenzielles Entsetzen ist die Folge. Unser 96-jähriger Pater Giulio fand die Antwort: „In deine Hände empfehle ich meinen Geist.“

Im Gottesdienst heute früh hat der Zelebrant gleich zu Beginn der Opfer gedacht, bei denen es nicht beim Schrecken geblieben ist, sondern die in Panik aus den Häusern fliehen mussten und die jetzt in Notunterkünften hausen müssen. Und er hat Gott gedankt, dass wir von Schäden verschont geblieben sind.

Während ich diese Zeilen schreibe, ist schon wieder so ein kleiner Stoß zu spüren. Nein, nicht doch schon wieder! Ich hoffe doch sehr, dass sich die Erde wieder beruhigt.“

In einem Bericht der Frankfurter Zeitung über das Erdbeben vom 26. August, das die Bergdörfer in den Regionen Mittelitaliens, besonders Amatrice fast gänzlich zerstört hat, sprach Bruder Thomas über die Schäden die das große Beben von 1997 besonders in der Basilika San Francesco, der Grabeskirche des heiligen Franziskus in Assisi verursacht hat. Damals wurden die kostbaren Fresken Giottos zu einem großen Teil zerstört.

Die Basilika San Francesco in Assisi, In der Krypta der Unterkirche befindet sich das Grab des heiligen Franziskus.
Die Basilika San Francesco in Assisi, In der Krypta der Unterkirche befindet sich das Grab des heiligen Franziskus.

„In Assisi waren die Schäden an der Basilika im Jahr 1997 unter anderem deswegen so entstanden, weil auf dem Gewölbe eine große Menge Schutt aus den vergangenen Jahrhunderten lag. „Das war genau verkehrt“, Mehrere Kubikmeter Schutt seien in der Folge entfernt worden und es seien spezielle Federungen und Aufhängungen aus Stahl angebracht worden, um künftige Erdstöße aufzufangen. Fusetti, der seit den 70 Jahren mit der Konservierung der Fresken in Assisi beschäftigt ist, hat diese Arbeiten vorangetrieben. Gleich um vier Uhr morgens inspizierte er nun die historischen Gebäude und stellte keine Schäden fest.

Der Restaurator war einer der Überlebenden von 1997, und hat damals auch dem Kustoden der Franziskaner das Leben gerettet, indem er ihm einen Stoß versetzte, als das eine der beiden Gewölbe der Franziskusbasilika einstürzte. Damals hatte das Beben eine Stärke von 5,7; diesmal betrug die Stärke in Assisi, etwa 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt, noch 5,4. Eines der damals herabgestürzten Fresken ist durch mühselige Fitzelarbeit zu zwanzig Prozent wieder hergestellt worden, das aus dem anderen eingestürzten Gewölbe mit einer Abbildung des Kirchenvaters Hieronymus durch den großen Renaissancekünstler Giotto sogar zu achtzig Prozent. Insgesamt wurden 300 000 Fragmente zusammengesetzt In Assisi wurden auch wegen der einmaligen kunsthistorischen Bedeutung der Bauten und Malereien nach dem Erdbeben von 1997 die Konsequenzen gezogen!“ Die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen der vorangegangen Jahre haben, sich, so sagt Bruder Thomas bewährt.

 


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