Bruder Cornelius Bohl

Erlösung

Die Gaben des Geistes und die Aufgaben der Kirche

Erlösung zielt nicht nur auf innerweltliches Heil. Es geht auch um endgültiges Heilwerden, über den Tod hinaus.
Erlösung zielt nicht nur auf innerweltliches Heil. Es geht auch um endgültiges Heilwerden, über den Tod hinaus.

Christentum gehört zu den großen Erlösungsreligionen. Alles dreht sich um den Erlöser. Jesus wird schon bei seiner Geburt als „Retter“ vorgestellt (Lk 2,10). „Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“, erklärt ein Engel (Mt 1,21). „Durch sein Blut haben wir die Erlösung“ (Eph 1,7). Heute erfahren Menschen oft den Tod als Erlösung. Im christlichen Glauben geht es aber nicht um Erlösung durch den Tod, sondern um Erlösung vom Tod. Ist das Zentrum unseres Glaubens leer geworden?

Das Wort Erlösung birgt Sprengstoff . An ihm entscheidet sich das Menschen- und Weltbild. Ist der Mensch überhaupt erlösungsbedürftig? Von was denn? Wird ihm damit nicht die Fähigkeit abgesprochen, Leben und Welt eigenverantwortlich zu gestalten? Und wer soll ihn erlösen können? Steckt dahinter nicht die mythologisch projizierte Sehnsucht nach dem großen Papa, der schon alles richten wird? Und umgekehrt: Ist der Mensch überhaupt erlösungsfähig? Vielleicht gibt es ja Konstruktionsfehler in Welt und Mensch, mit denen wir nun einmal leben müssen.

Auch innerhalb des Glaubens tauchen immer wieder Erlösungsideen auf, die den widerspenstigen Begriff etwas glattbügeln wollen. Die unterschiedlichen Konzepte treffen sich im Wunsch nach Selbsterlösung. Wissen etwa kann Schlüssel zum Heil sein: Selbsterkenntnis und Wahrheit machen frei. Oder aber eine neue Ethik verspricht eine neue Zukunft: Wenn jeder sich ändert, wird alles besser. Und da ganze Völker durch gesellschaftliche, politische und ökonomische Strukturen unterdrückt werden, ist jede Befreiung aus ungerechten Zwängen ein Stück Erlösung. Christus wird dabei je nachdem zum erleuchtenden Lehrer, zum moralischen Vorbild oder zum motivierenden Inspirator. Er ist etwas von alledem. Aber er ist nicht nur das!

Christlicher Erlösungsglaube weiß: Wir leben in vielfältigen Formen von Versklavung und Entfremdung. Destruktive Mächte, Gier und Sucht zerstören Leben. Menschen machen Menschen kaputt. Ich selbst werde gegen besseres Wissen schuldig.

Die zweite Erkenntnis ist ebenso fundamental: Wir kommen da alleine nicht raus. Alle Versuche, eine neue heile Welt zu errichten, sind gescheitert oder in noch grausamere Unterdrückungssysteme umgeschlagen. Christen glauben nicht an Selbsterlösung, sondern an Erlösung durch Beziehung. Die entscheidende Wende muss von außen angestoßen werden. Durch einen Gott, von dem ich komme und zu dem ich gehe. Jesus hat Kranke geheilt und Besessene befreit. Er führt aus versklavenden Abhängigkeiten in die Freiheit. Durch die Taufe habe ich Anteil an ihm, bin existenziell hineingenommen in sein Schicksal. Dabei ist Erlösung immer ganzheitlich. Es geht also nicht nur um mein persönliches „Seelenheil“. Frieden, Gerechtigkeit, Sinn und Freiheit haben immer auch eine gesellschaftliche, politische und angesichts zunehmender Umweltzerstörung auch kosmische Dimension.

Dennoch zielt Erlösung nicht nur auf innerweltliches Heil. Es geht durchaus auch um endgültiges Heilwerden über den Tod hinaus. Und: Christus erlöst uns nicht nur für uns. Anderen Menschen zu Freiheit verhelfen kann nur der, der selbst frei ist. Als Erlöste können wir Erlösung vermitteln.

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2014


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