12.06.2017 Gisela Fleckenstein OFS

Erstes gemeinsames Mattenkapitel der Minderbrüder seit 500 Jahren

Wo kommen wir her, wo stehen wir heute, und wo geht’s hin! Gemeinsames Mattenkapitel der Minderbrüder, vom 12. bis 14. Juni in Hofheim

Ein Minderbrüderorden; drei Zweige. Man kann die Ordenszugehörigkeit an der unterschiedlichen Ausführung des Ordenskleides erkennen. V.l.n.r. ein Franziskaner, ein Minorit und ein Kapuziner. Bild von Natanael Ganter.

Es ist das erste Mal, seit 500 Jahren, dass sich die Minderbrüder der drei Ordenszweige zu einem gemeinsamen Mattenkapitel versammeln. Vom 12. bis 14. Juni treffen sich in Hofheim Franziskaner, Minoriten und Kapuziner.

Im Jubiläumsjahr der Reformation in Deutschland, blicken die Minderbrüder auf ihre 500 jährige Geschichte, seit der rechtlichen Teilung des Ordens im Jahre 1517 zurück. Mit der päpstlichen Bulle „Ite vos“ wurde der 1. Orden des heiligen Franziskus in die Observanten (Franziskaner) und Konventualen (Minoriten) aufgeteilt. Einige Zeit später entstand erneut ein Ordenszweig, die heutigen Kapuziner. In den darauffolgenden fünf Jahrhunderten entwickelte sich in den nun eigenständigen Ordenszweigen ein reicher Schatz franziskanischer Spiritualität und Theologie, die das Selbstverständnis der drei Zweige nachhaltig geprägt hat.

Erstmals versammeln sich seit 500 Jahren nun wieder Brüder der drei Zweige des ersten Ordens zu einem gemeinsamen Mattenkapitel, um inne zu halten und darüber nachzudenken: Wo kommen wir her, wo stehen wir heute, und wo geht’s hin – 500 Jahre nach der Trennung in Kirche und Orden?


Zur Geschichte der Ordensreform

„Geht auch ihr in meinen Weinberg“ (Mt 20,4) – 500 Jahre Minoriten

„Ite et vos in vineam meam“ mit diesen Worten beginnt die Bulle, mit der Papst Leo X. (1513-1521) am 19. Mai 1517 den Franziskanerorden in Oberservanten und Konventualen aufteilte. War es eine Trennung, eine Spaltung oder eine Erneuerung des Franziskanerordens?

Dem kurialen Rechtsakt ging eine längere Entwicklung im Franziskanerorden voraus. Das von Franziskus gelebte und geforderte Ideal der absoluten Armut war für alle seine Nachfolger eine Herausforderung. Die Lebensweise der Brüder entbrannte meist an der Frage der Armutsauffassung und führte schon im 13. Jahrhundert zu Konflikten. Später verfügten Konvente über feste Häuser, besaßen Grundstücke und zum Teil regelmäßige Einkünfte aus Renten und Erbschaften. Dies wirkte sich wenig förderlich auf die Ordensdisziplin beziehungsweise auf die Treue gegenüber der Regel aus.

In Italien gab es seit 1373 zunehmend Konvente, die die Regel wieder in ihrer ursprünglichen Strenge beobachten wollten und als sogenannte Observanten ohne Eigentum den Konventualen mit festen Häusern und Besitz gegenüber traten. Auf dem Konstanzer Konzil (1415-1418) wurde den Observanten die Wahl eigener General- und Provinzvikare gestattet und sie bildeten damit quasi einen Orden im Orden. Die Auffassung der Observanten wurde durch bekannte Prediger aus ihren Reihen propagiert. Dazu gehörten beispielsweise Bernhardin von Siena und Johannes von Kapistran.

Seitens der Kurie versuchte Papst Martin V. (1417-1431) die beiden Richtungen durch eine Ordensreform („Martinianische Reformen“) wieder zu vereinen, in dem z. B. durch den Einsatz des Apostolischen Syndikus für die Geldverwaltung ein Weg gefunden wurde, um das Geldverbot nach der Regel wieder einzuhalten. Nur kurze Zeit existierte das Verbot des Besitzes von Liegenschaften und Einkünften. Der versuchte Mittelweg führte zu zeitweise drei Richtungen im Orden: Die Konventualen, die sich keiner Reform angeschlossen hatten, die Oberservanten, die keinen Besitz duldeten und an der strengen Regelauffassung festhielten und die Reformaten, die sich an den Martinianischen Reformen orientierten. Die Observanten hatten seit dem Konstanzer Konzil eigene Vikariate gebildet, die aber noch vom Provinzialminister der jeweiligen Provinz abhängig waren. 1446 erlangten die Vikariate die Selbstständigkeit und wurden zu Provinzen erhoben. Als es Papst Leo X. auf dem Generalkapitel zu Pfingsten 1517 nicht mehr gelang, die verschiedenen Strömungen wieder zu vereinen, teilte er den ersten Orden in zwei selbstständige Zweige. Die unterschiedlichen Reformgruppen schloss er zum „Ordo Fratrum Minorum Regularis Observantiae)“ zusammen und die eher reformunwilligen Franziskaner bildeten den „Ordo Fratrum Minorum Conventualium“.

Die Franziskanerkonventualen, auch Franziskanerminoriten oder – nach der Farbe des Habits – auch schwarze Franziskaner genannt, gehören heute mit den Franziskanern und den Kapuzinern zu den drei Hauptzweigen der Männerorden in der Nachfolge des heiligen Franziskus.

Dass die Ordensteilung mit dem Beginn der Reformation zusammenfiel, ist wohl eher dem Zufall geschuldet. Doch sowohl die Reformation als auch die Bulle hatten weitreichende Folgen für den Orden. Die Reformation für die Gesamtkirche und den Franziskanerorden, der mit neuen Reformideen aus den eigenen Reihen konfrontiert wurde, der die gerade getroffene päpstliche Entscheidung wieder in Frage stellte. Aus den Reihen der Observanten verständigten sich Brüder auf ein intensiveres Regelverständnis und daraus entwickelte sich bis 1619 der „Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum“, also die Kapuziner. Die Orden bildeten im Laufe der Jahrhunderte noch weitere Verzweigungen (Observanten, Rekollekten, Reformaten, Diskalzeaten) aus, die erst unter Papst Leo XIII. (1878-1903) wiedervereinigt wurden.

500 Jahre Minoritenorden ist kein besonderer Anlass zum Feiern, aber ein Anlass, um auf die Zweige und Verästelungen der franziskanischen Orden zu schauen und einen Blick auf die gemeinsamen Wurzeln zu werfen. Letztlich stehen die vielen Zweige für die Lebendigkeit der franziskanischen Idee vom Leben nach dem Evangelium.

 


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