09.04.2019 Sandra Künkel / Dürener Nachrichten Lokales Düren

Ist Fasten wirklich nur Verzicht?

Interview mit Bruder Wolfgang Mauritz

Bruder Wolfgang Mauritz OFM

Mit 22 Jahren ist Bruder Wolfgang Mauritz ins Kloster eingetreten – und hat damals auch ein Armutsgelübde abgelegt. Aber was bedeutet das überhaupt? Und wie lässt es sich dann erklären, dass der 62-Jährige regelmäßig Urlaub auf Sylt macht?

Wie sind Sie zum Franziskanerorden gekommen?

Bruder Wolfgang: Durch die Pfadfinder. Wir haben mit 14 Jahren eine Hike gemacht, also eine mehrtägige Wanderung ohne Begleitung. Weil es so geregnet hat, haben wir uns dagegen entschieden zu zelten, sondern haben in einem Kloster übernachtet. Das war mein erster Kontakt zu den Franziskanern.

Aber deswegen allein wird man noch kein Bruder.

Bruder Wolfgang: Da haben Sie Recht. Aber diese Begegnung hat in mir den Wunsch verstärk, zu den Franziskanern zu gehen. Als ich mich intensiver mit dem Thema befasst habe, habe ich einige Wochen bei den Franziskanern an der Severinstraße in Köln gelebt. Dort habe ich eine fröhliche, fromme und arbeitsame Bande kennengelernt. Dort wurde sehr viel gelacht. Ich habe sehr trinkfeste Ordensmänner getroffen, die vor allem sehr engagiert waren und viel gearbeitet haben. Es hat mir imponiert, dass die Franziskaner einen so engen Draht zu den Menschen haben. Am liebsten wäre ich mit 16 Jahren schon ins Kloster gegangen.

Warum haben Sie das nicht getan?

Bruder Wolfgang: Da hatten meine Eltern etwas gegen. Also habe ich eine Ausbildung als Musterzeichner für Krawatten gemacht, ein Atelier geleitet und später auch als Verwaltungsmitarbeiter in einem Krankenhaus gearbeitet. Erst danach, mit 22 Jahren, bin ich zu den Franziskanern gegangen. Das ist jetzt genau 40 Jahre her. Und fast genau so lange bin ich auch in Vossenack.

Sie sind kein Priester?

Bruder Wolfgang: Nein, ich bin Bruder. Und ich hatte auch nie den Wunsch, Priester zu werden. Für mich ist das noch einmal eine eigene Berufung. Ich bin Erzieher geworden und habe in dieser Funktion lange am Internat in Vossenack gearbeitet – und übrigens deswegen auch nie eine Diskriminierung von meinen Mitbrüdern erfahren. Bei den Franziskanern hat man auch als Bruder alle Möglichkeiten offen. Ich bin kein Priester, aber sehr wohl Oberer dieses Hauses.

Warum sind Sie zu den Franziskanern gegangen? War das immer klar?

Bruder Wolfgang: Ja, ich habe mir nie einen anderen Orden angeschaut. Ich war als Jugendlicher und bin es auch eigentlich heute noch von Franziskus in seiner Radikalität sehr begeistert. Er stammte aus einer der reichsten Familien Assisis und hatte alle Chancen. Sein Vater hat ihn als Ritter eingekleidet. Aber Franziskus hat alles hinter sich gelassen, alles abgelegt. Am Ende ist er sogar betteln gegangen.

Beim Eintritt in den Orden haben Sie Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam geschworen. Kann man die Tragweite einer solchen Entscheidung mit 22 Jahren überhaupt schon überblicken?

Bruder Wolfgang: Nein, überblicken kann man sie nicht. Aber man geht mit einem unglaublichen Idealismus an die Sache ran. Und man legt ja auch nicht sofort seine ewigen Gelübde ab. Orden und Kandidat können sich beide einige Jahre prüfen.

Was bedeutet es eigentlich konkret, ein Armutsgelübde abgelegt zu haben?

Bruder Wolfgang: In Zahlen bedeutet es, nicht mehr als 1600 Euro Taschengeld im Jahr zu haben. Davon muss ich beispielsweise auch meinen Urlaub finanzieren. Im Gegenzug bekomme ich natürlich alles vom Orden, was ich brauche. Ich habe und empfinde das auch so, ein Netz, das mich auffängt. Für mich bedeutete Armut auch, hier im Kloster für die Jugendlichen im Internat, die ich betreut habe, immer verfügbar zu sein, wenig Freizeit und wenig Rückzugsmöglichkeiten zu haben. Und am Ende auch sehr wenig Urlaub.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie ein großer Freund von Sylt sind. Sylt gilt als absolute Promi- und Schickimicki-Insel. Wie lässt sich das vereinbaren?

Bruder Wolfgang: Ein Mitbruder hat mich vor Jahren mit nach Sylt genommen und da war es um mich geschehen. Es gibt dort wunderschöne Ecken, einsame Strände – ganz ohne Schickimicki. Ich habe mir das reiche Sylt interessehalber aber auch angesehen. Da muss ich aber nicht mehr hin.

Stört Sie das Dekadente, das diese Insel auch verströmt, nicht?

Bruder Wolfgang: Nein, nur einmal, haben wir mit den beiden Pfarrern der Insel eine Demonstration geplant, weil es an einem Strand ein spezielles Luxusessen für Hunde geben sollte. Das ist totaler Quatsch, wurde aber später auch abgesagt.

Was ist für Sie Luxus?

Bruder Wolfgang: All das zu haben, was ich nicht brauche. Luxus ist aber auch, Zeit zum Lesen zu haben, etwas länger schlafen zu können, um Kraft für die Arbeit im Kloster zu tanken. Aber ich bin auch leidenschaftlicher Sammler und kann schwer widerstehen, wenn ich etwas sehe, das gut in meine Puppensammlung passt.

Haben Franziskanerbrüder einen Computer und ein Auto?

Bruder Wolfgang: Haben sie. Mit dem Computer können wir Kontakte in die ganze Welt pflegen. Und das Auto brauchen wir hier in Vossenack einfach. Das ist bei Ordensgemeinschaften, die ihr Haus mitten in der Stadt haben natürlich anders.

Haben Sie in den vergangenen vier Jahrzehnten etwas vermisst?

Bruder Wolfgang: Ja, aber das war nichts Materielles. Als meine älteste Schwester zu ersten Mal Mutter geworden ist, habe ich gedacht: „Mensch, Du könntest auch Papa sein.“ Obwohl ich im Kloster für viele Kinder verantwortlich war und einen guten Kontakt zu meinen Nichten und Neffen habe, ist dieser Stachel lange geblieben. Das war eine schwere Zeit.

Was bedeutet die Fastenzeit für Sie?

Bruder Wolfgang: Das ist nochmal ein Einschnitt. Wir sind kein Konvent, der sich geschlossen etwas für die Fastenzeit vornimmt. Und es gibt bei uns auch in der Fastenzeit nach dem Essen ein Dessert. Jeder lebt die Fastenzeit so, wie er möchte. Der Aschermittwoch ist genau wie der Karfreitag, im Kloster ein besonderer Tag – auch mit einer besonderen Stimmung. Diese beiden Tage sind wirklich gebotene Fastentage, und wir essen Hering und Pellkartoffeln. Früher, so habe ich das noch gelernt, wurde dann auch während der Mahlzeiten nicht gesprochen. Das gibt es aber nicht mehr.

Und Sie? Haben Sie sich etwas vorgenommen?

Bruder Wolfgang: Ich werde keinen Tropfen Alkohol trinken, auch nicht an Sonntagen, die ja eigentlich keine Fastentage sind. Aber für mich bedeutet die Fastenzeit noch mehr. Ich möchte versuchen, noch einmal anders oder intensiver auf die Menschen zuzugehen, freundlicher zu sein.

Wie hoch ist die Rückfallquote bei ihrem Fastenvorsatz?

Bruder Wolfgang: Nicht vorhanden. Es ist nicht so, dass ich außerhalb der Fastenzeit sehr viel Alkohol trinke. Auf Süßigkeiten zu verzichten, würde mir deutlich schwerer fallen. Ich finde es aber wichtig, sich etwas vorzunehmen, das man auch durchhalten kann. Sonst ist der Frust auch viel zu groß. Trotzdem soll der Vorsatz natürlich auch eine Herausforderung sein.


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