Für viele Teilnehmende von NGOs begann die UN-Klimakonferenz in Glasgow bei kaltem und windigem Wetter. Bruder Clark Berge SSF von der „Gesellschaft des Heiligen Franziskus“ war unter den Tausenden, die draußen anstanden, um an dem zweiwöchigen Treffen teilnehmen zu können. Während er in der Schlange wartete, kam er zufällig mit Diplomaten von den Salomonen – einem Inselstaat im Pazifik – ins Gespräch, einer Inselgruppe, auf der Bruder Clark viele Jahren gelebt und die Pfarrei der anglikanischen Franziskaner mit aufgebaut hatte.
„In diesem Gespräch ist mir vor Augen geführt worden, dass die Folgen der Klimaerwärmung für die Menschen aus dieser Weltregion schon heute bittere Realität sind. Bei meinem letzten Besuch dort war ich in Städten, die heute bereits unter Wasser stehen“, sagt Bruder Clark. „Das ist keine theoretische Debatte mehr.“ Die Auswirkungen der Klimakrise sind in unterschiedlichem Ausmaß bereits weltweit spürbar.
Als Guardian (Oberer) der „Hilfield Friary“, eines anglikanischen Franziskanerkonvents in Dorset im Südwesten Englands, ist Bruder Clark Teil einer Gemeinschaft, die das franziskanische Erbe der Sorge um den Planeten lebt: Durch ihr gemeinsames Engagement für ein nachhaltiges Leben haben sie ihren CO2-Fußabdruck um 95 Prozent reduziert und das Gebiet in ein Paradies für Wildtiere verwandelt. Für die Weltklimakonferenz in Glasgow, die COP26, hat Bruder Clark eine klare Botschaft mitgebracht: Veränderung ist möglich.
Und diese ist auch bitter nötig. Die jüngsten UN-Berichte zeigen, dass die Welt trotz der neuen Verpflichtungen auf der COP26 immer noch auf dem Weg zu einem katastrophalen Anstieg der globalen Temperatur von weit über 2° C ist. Für die pazifischen Inselstaaten bedeutet dies eine existenzielle Krise. Dabei hätten die wohlhabenden Länder durchaus die Möglichkeiten, den Schaden für diese Länder zumindest zu mildern. „Ein langer und schrecklicher Tod hat keine Würde: Sie könnten unsere Inseln genauso gut mit Atombomben vernichten“, sagte der Präsident von Palau, einer kleinen Inselgruppe im Pazifik, auf der COP26, als er eine ehrgeizigere Klimapolitik forderte.
Dennoch gibt es auch Orte der Hoffnung. So konnten im Vorfeld der Konferenz zwei wichtige Erfolge bei den Vereinten Nationen in Genf erreicht werden: Nach mehr als einem Jahrzehnt ständiger Bemühungen hat der Menschenrechtsrat im Oktober 2021 endlich das universelle Recht auf eine gesunde und nachhaltige Umwelt anerkannt.
Diese Entscheidung klingt für viele wie eine Selbstverständlichkeit. In Wirklichkeit musste sie hart erkämpft werden, denn sie hat konkrete Folgen nicht nur auf dem Papier: Untersuchungen zeigen, dass Länder, die diese Verpflichtung bereits in ihre eigenen Gesetze übernommen haben, in der Regel eine ambitioniertere Umweltpolitik verfolgen und bei den messbaren Kennzahlen für nachhaltige Entwicklung besser abschneiden.
Auf der Grundlage dieser Entscheidung werden für zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen neue Wege eröffnet, um von ihren Regierungen wirksamere Klimaschutzmaßnahmen einzufordern. In den Niederlanden etwa konnten Umweltaktivisten und -aktivistinnen die Regierung zwingen, die Emissionen stärker zu begrenzen, indem sie die Umsetzung der internationalen Verpflichtungen des Landes vor Gericht einklagten.
Zudem beschloss der Menschenrechtsrat erstmals einen Sonderberichterstatter / eine Sonderberichterstatterin für Menschenrechte und Klimawandel zu ernennen. Diese Personen werden oft als „Augen und Ohren des UN-Menschenrechtsrates“ bezeichnet, weil sie unabhängige Recherchen zu Menschenrechtsfragen, die in ihr Mandat fallen, durchführen und diese bei den Vereinten Nationen einbringen können.
In der Vergangenheit haben franziskanische Brüder und Schwestern bereits häufig gemeinsam mit Franciscans International zusammengearbeitet, um anderen Sonderberichterstatter / Sonderberichterstatterinnen Informationen zur Verfügung zu stellen und konkrete Anliegen bei den Vereinten Nationen vorzubringen. Diese neue Expertin oder dieser neue Experte wird eine ähnliche Rolle übernehmen und könnte entscheidend dafür sein, dass die wirklichen Auswirkungen des Klimawandels auf Menschen am Rande auch öffentlich werden. Dies wiederum würde dabei helfen sicherzustellen, dass deren Interessen bei der Umsetzung der weltweiten neuen Klimapolitiken auch berücksichtigt werden.
In Glasgow haben Bruder Clark und andere Franziskanerinnen und Franziskaner versucht, auf dem UN-Gipfel und auf den Straßen den politischen Druck auf die Regierenden mit interreligiösen Initiativen und Demonstrationen aufrechtzuerhalten. Noch ist es zu früh, um zu beurteilen, ob die COP26 dazu beiträgt dem 1,5° C-Ziel wirklich näher zu kommen. Doch einige kleinere Abkommen zwischen Staatengruppen könnten ein Anfang sein.
„Wir müssen Druck auf die gewählten Amtsträger / Amtsträgerinnen ausüben, damit sie die von den Unterhändler / Unterhändlerinnen hier in Glasgow getroffenen Vereinbarungen ratifizieren und sicherstellen, dass sie auch Teil der Politik und der Gesetze der einzelnen Staaten werden“, postulierte Bruder Clark. „Der andauernde politische Druck der Bevölkerung ist der entscheidende Schlüssel dafür, ob es gelingen kann, endlich eine weltweite Klimapolitik durchzusetzen, die den 1,5° C-Pfad wirklich beschreitet und dies nicht nur ankündigt.“
Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Winter 2021