20.02.2017

Weniger ist mehr – Bruder Marco Nobis in „Galileo“

Bruder Marco Nobis erzählt in der Sendung „Galileo“ über sein Leben als Franziskaner.

Während den Dreharbeiten: Abendessen im Esszimmer des Konventes, Claudia Mayer im Gespräch mit Bruder Marco.
Bild von Claudia Mayer.

In der Wissenschaftsendung „Galileo“ des Fernsehsenders Pro 7 geht es diesmal um das Schwerpunktthema „Weniger ist mehr“. Dabei sind nicht nur die Essgewohnheiten oder Besitzanhäufungen gemeint. Bruder Marco Nobis, Franziskaner in Ohrbeck, erzählt, wie er durch die „Lust am Weniger“ zu einem klösterlichen Lebensentwurf kam.

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Das Weite entdecken, ohne die Mitte zu verlieren
Ein Interview mit Bruder Marco

Marco Nobis ist der jüngste Franziskaner in Deutschland. Nach Abitur und Zivildienst hat er Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule in Köln studiert. Er spielt gern Fußball, liebt das Reisen und genießt es, unter Menschen zu sein. Der gebürtige Kölner ist 27 Jahre alt und hat vor wenigen Monaten sein Noviziat beendet und zum ersten Mal seine Gelübde abgelegt.

 

Bruder Marco, du hast schon in zwei Fernsehdokumentationen über das Ordensleben mitgewirkt: in Spiegel-TV und jetzt in Galileo. Wie erklärst du dir das Medieninteresse an dir?

Ich glaube, es geht nicht so sehr um mich persönlich. Gegenwärtig gibt es öfters Fernsehbeiträge über Ordensleute. Vor Kurzem habe ich einen Bericht über eine Nonne gesehen, die gleichzeitig bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist. Das gängige Klischee „Ordensleute sind schräge Leute hinter Klostermauern und bekommen von der Welt nichts mit“ hat sich überholt. Ich denke, die Medien, stellvertretend für die Gesellschaft, sind neugierig, „wie leben diese Menschen wirklich?“

Und es ist für die Medien vermutlich interessant, wenn ein junger Mensch etwas Außergewöhnliches macht. Und seien wir ehrlich – für die meisten Menschen ist Ordensleben heute etwas Außergewöhnliches, irgendwie aus der Zeit gefallen.

 

Erlebst du die Medien als unvoreingenommen gegenüber religiösem Leben, oder geht es darum, Ordensleute als weltfremde „Freaks“ zu porträtieren?

In der Regel ist es wohl schon Neugier. Dennoch sind die Klischees offenbar sehr langlebig. Ich erinnere mich an ein Interview, in dem hinterher zu lesen war: „Mittlerweile haben die Franziskaner auch einen Fernsehapparat!“ Meine Güte, den gab es in den Konventen schon in den siebziger Jahren. – Wobei ich gestehen muss, dass dieses Klischee manchmal auch zutrifft: Es gibt wirklich Klöster, die bis vor Kurzem keinen Fernseher hatten!

Anderes ist einfach nicht aus den Köpfen herauszukriegen: Da kann ich fünfmal betonen, dass wir Franziskaner uns selbst als Brüder bezeichnen, im Fernsehbeitrag wird dann doch wieder von Mönchen gesprochen.

 

Wie hast du dir selbst das Ordensleben vorgestellt, als du vor vier Jahren die Idee hattest, ins Kloster zu gehen?

Meine ersten tieferen Glaubenserfahrungen habe ich in Taizé in Frankreich gemacht. Das Beten, Arbeiten und die Stille, die man als Teilnehmer dort für eine Woche erlebt, waren für mich sehr besonders. Diese Erfahrung hat in mir die Frage nach einem einfachen Leben geweckt. Komme ich mit dem wenigen aus, was ich mir für eine Woche eingepackt habe? Was braucht es eigentlich noch mehr?

Oder auch zu erleben, eine Woche offline zu sein. Dort hat keiner dauernd das Smartphone in der Hand. Da sind auf einmal Glaubensgespräche die wesentlichen Dinge.

Genaue Vorstellungen vom Leben der Brüder abseits der offiziellen Gebets-, Arbeits- und Gemeinschaftszeiten hatte ich vorher eigentlich nicht – dies war für mich aber auch nicht wirklich wichtig.

 

Was waren für dich die wirklich wichtigen Fragen, um eine solche Lebensentscheidung zu treffen?

Mit Gott im eigenen Leben an Grenzen zu stoßen und mich zu fragen, was brauche ich wirklich? Muss ich jedes Buch lesen und jeden Trend mitgehen? Was ist der tiefere Sinn dahinter – für was lebe ich eigentlich? Wie kann ich in einer Gemeinschaft, in der es Regeln für das Zusammenleben gibt, noch ich selbst sein? Wie kann ich mich selber innerhalb dieses Rahmens entfalten? Wie kann ich das Weite entdecken, ohne die Mitte zu verlieren?

 

Wie kamst du dann gerade auf die Franziskaner?

Als ich in Taizé war, wurde für mich der Glaube plötzlich lebendig. Ich habe für mich entdeckt, dass Glaube und Kirche mehr sind, als eine Stunde im Gottesdienst fromm zu sein. Ich wusste aber auch, dass Taizé nicht der Ort ist, um meine Idee von Glauben zu leben. Ich merkte, ich brauche den Alltag mit den Menschen, nicht nur diese Sondersituation.

In einer Ausstellung für Helden und Heilige in unserer Jugendkirche in Köln stieß ich später auf die Frage: Können nicht auch heilige Menschen Helden und Idole unseres Alltags werden? Plötzlich fing ich an, mich mit Teresa von Ávila und dem heiligen Franziskus zu befassen.

 

Als Ordensmann hast du vor Kurzem bei deiner ersten Profess versprochen, in Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam zu leben. Diese Gelübde sollen dich tragen und befreien. Für Außenstehende klingt das eher beängstigend als befreiend. Wie gehst du damit um?

Ich habe hier meine Bücher, Spaßiges und Fachliches, Bilder von lieben Erinnerungen und einen Laptop, an dem ich arbeite. Reduziert auf das für mich Nötige durch die Frage, was brauche ich wirklich für ein Leben in Einfachheit? Was brauche ich mehr?

Dann kommt natürlich die Frage nach Erotik, Intimität und Partnerschaft. Klar ist es ein Verzicht, das stimmt. Aber was heißt das eigentlich, auf eine Frau zu verzichten? Als guter Ehemann verzichtet man auf 999 Frauen – ich eben auf eine mehr. Letztendlich geht es doch nicht um den Verzicht auf die vielen, sondern um die Treue zu der einen. Das tue ich auch bei Gott, indem ich ihm sage: Ich verzichte auf eine feste Partnerschaft. Ich reserviere meine Liebe nicht für einen einzigen Menschen und meine Treue nicht für eine einzige Familie.

Gehorsam bedeutet für mich auch: Geht es immer nur nach meinem Willen? Klar, ich muss auch selber Verantwortung übernehmen, eigene Überzeugungen haben. Doch muss ich mich über die Meinung meiner Kollegen hinwegsetzen und empfinde ich es gar als persönliche Niederlage, wenn es mal nicht nach meinem Willen geht? Wenn ich anfange, mein Umfeld wirklich wahr¬zunehmen, mit anderen in einen Dialog zu treten, dann ist das für mich Gehorsam. Und es befreit ungemein, nicht immer der „Alpha-Mann sein zu müssen“.

Bruder Marco Nobis – „Das Weite entdecken, ohne die Mitte zu verlieren“

Erstveröffentlichung in Zeitschrift Franziskaner / Winter 2016
Das Interview führte Bruder Natanael Ganter


2 Kommentare zu “Weniger ist mehr – Bruder Marco Nobis in „Galileo“

  1. Eine interessante Reportage, davon koennte es mehr geben. Ich bin kein Christ aber wenn ich reise, besuche ich Kloester und Kirchen, irgend etwas zieht mich an. Mir fehlt aber das christliche Grundwissen und es gibt wenige Orden, die man besuchen kann. Daher finde ich es gut, das junge Menschen so einen Weg gehen

  2. Lieber Bruder Marco, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Entscheidung, ein Leben im Sinne Gottes im Kloster zu führen. Leider habe ich das nicht geschafft, was ich heute bereue. Ich möchte mich im Rahmen der bleibenden Freizeit gemäß den Worten der Priester Lohof und Beckedahl aus St. Barbara in Gelsenkirchen-Erle mehr und mehr der Neuevangelisierung als Laie widmen. Dazu erbitte ich Gottes Kraft auf Ihre Fürsprache und die Fürsprache meiner Vorbildsheiligen Liborius, Ludgerus, Laurentius und Barbara.

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