Religiöser Fundamentalismus ist brandgefährlich. Sein Gottesbild bestimmt auch die Sicht von Geschichte: So ein Gott greift unmittelbar ein, schafft Sieger und Verlierer, macht die einen stark und lässt andere untergehen. „Im Namen Gottes“ geschehen in der Geschichte unvorstellbare Grausamkeiten.
Sollte man Gott nicht besser ganz aus der Geschichte heraushalten? Nun können gerade wir Christen das nicht: Die Heilige Schrift erzählt durchgehend von Menschen, die in ihrer Geschichte auch eine Geschichte zwischen Gott und sich erfahren. Gott ist nicht über oder hinter der Geschichte. Die Geschichte ist Raum Gottes. In Jesus wird er selbst ein Stück Geschichte. Im Glauben an die Wiederkunft Christi steckt die Überzeugung, dass die Geschichte auf ihn zuläuft und in ihm ein gutes Ende findet.
Diese Konzeption von „Heilsgeschichte“ will Grundfragen beantworten, die sich auch in völlig säkularer Form stellen: Kann man Geschichte verstehen? Gibt es einen Sinn in der Geschichte? Hat Geschichte ein Ziel? Konkret: Verläuft Geschichte in einer aufsteigenden Linie, so dass, durch alle Katastrophen hindurch, letztlich alles immer besser wird? Davon haben die Marxisten geträumt oder die Fortschrittsutopisten der Siebzigerjahre. Oder steuert alles auf die große Katastrophe zu? Dafür gibt es realistische Szenarien. Oder wabert die Geschichte im Kreis vor sich hin? Nach Karl Popper hat die Geschichte keinen Sinn, aber der Mensch kann ihr einen Sinn verleihen. Friedrich Nietzsche hat der Kirche vorgeworfen, die Geschichte Israels wie die Menschheitsgeschichte zur Vorgeschichte des Christentums gefälscht zu haben.
Wie also erlebt sich der Glaubende in der Geschichte? Mir selbst scheint wichtig:
- Christsein geht nur in Geschichte, nicht neben ihr. Gott hat sich geschichtlich offenbart. Er ist in Jesus in die Geschichte eingetreten. Jesus sendet in die Geschichte.
- Das Reich Gottes beginnt schon in der Geschichte, aber es ist nie mit einer konkreten geschichtlichen Situation zu identifizieren. „Die Geschichte ist nicht das Letzte, um was es geht. Aber es geht um das Letzte nur in der Geschichte“ (Alfred Delp SJ).
- Geschichte ist auf weite Strecken grausam und unverständlich. Aber es gibt in der Geschichte auch die Erfahrung von Versöhnung, Solidarität, Einsatz für Gerechtigkeit. Dabei können wir etwas vom Reich Gottes ahnen.
- Wir können Geschichte nicht „machen“, haben aber Verantwortung in ihr. Geschichte ist immer offen, appelliert an unsere Freiheit, fordert Entscheidungen. Politik und Weltgestaltung gehören untrennbar zur christlichen Berufung.
- Als Gott in Jesus Mensch wird, schreibt er keine Siegergeschichte. Sein Leben ist die Geschichte eines Verlierers. Christen haben daher einen besonderen Blick für die Opfer der Geschichte.
- Der Glaube selbst ist geschichtlich. Er hat sich im Lauf der Geschichte immer weiter entfaltet und kulturell wie sprachlich wechselnde Ausdrucksformen angenommen. Auch mein Lebensweg ist eine lebendige Geschichte mit Gott.
Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2017.
ich finde diese seite cool da sie zahlreiche informationen enthält lol
Danke für das Lob Konsti – lol.