Pater Franz Josef Kröger

Greccio und das Krippenspiel

Der Ort an dem Franziskus das Krippenspiel entdeckte

Greccio gehört mit Sicherheit zu den Lieblingsorten des heiligen Franziskus. Vom Rieti-Tal herkommend, sieht der Besucher das Kloster wie ein „Nest“ eingebettet in die grünbewachsene Felsformation. Franziskus möchte hier das Weihnachtsfest feiern. Er will Christus zu den Menschen bringen. Dazu hat er sich etwas Besonderes ausgedacht. Mit einem Krippenspiel „verlebendigt“ er das Geschehen der Menschwerdung. Diese neue Weise, die Weihnachtsbotschaft zu verkünden, berührte und berührt die Menschen bis in unsere Tage. Die zahlreichen Krippendarstellungen geben davon ein beredtes Zeugnis.

Überall an diesem Ort wird man auf mannigfache Weise an dieses Ereignis erinnert. Besonders eindrücklich jedoch in der Mariengrotte, dem authentischen Ort, an dem Franziskus das Krippenspiel entdeckt hat.

 

Fresco in der Mariengrotte. Franziskus betet das Christuskind an. Daneben Maria, die das Neugeborene stillt. Bild von Kerstin Meinhardt.
Fresco in der Mariengrotte. Franziskus betet das Christuskind an. Daneben Maria, die das Neugeborene stillt. Bild von Kerstin Meinhardt.

Erinnerung an die Menschwerdung Gottes

Greccio – ein Ort, der im Gedächtnis der Menschen wohl kaum einen Platz gefunden hätte, gäbe es da nicht die Geschichte mit Franziskus und der Krippe. Greccio ist eine jener Einsiedeleien im Rieti-Tal, die Franziskus so sehr liebte. Hier, etwa zwei Autostunden von Assisi entfernt in der Region Lazio, inszenierte er 1223 ein historisches „Krippenspiel“. Franziskus schuf damit einen Ort der Erinnerung an die Menschwerdung Gottes und an die Menschwerdung des Menschen. Greccio – ein Ort bleibender und „gefährlicher“ Erinnerungen; ein Ort, geschaffen für einen „Weckruf“.

Manchmal ist es gut und nützlich, sich bei anderen wieder in Erinnerung zu bringen. Sich in Erinnerung bringen, das kann bedeuten, die gemeinsame Geschichte vor dem Vergessen zu bewahren; aber auch Beziehungen neu zu gestalten, alte Beziehungen wieder aufzufrischen oder sich einander zu vergewissern.

Sich in Erinnerung bringen – das ist ein Hintergrund der Menschwerdung Gottes. Wenn wir in das Alte Testament schauen, so lesen wir von vielen Versuchen Gottes, sich den Menschen immer wieder in eine lebendige Erinnerung zu bringen. Doch letztlich scheitern alle Versuche. Kein Prophet, keine Verbannung und Verschleppung, keine noch so großartige Offenbarung Gottes vermag den Menschen eine dauerhafte, stabile und das Leben prägende Erinnerung an Gott zu vermitteln. Nach kurzer Zeit verblasst die Erinnerung und der Mensch geht wieder seine eigenen Wege. Gott greift dann sozusagen zu einem letzten Mittel. Gott bringt sich selbst ins Spiel. Nicht in „Glanz und Gloria“, wie es vielleicht zu erwarten gewesen wäre, sondern in der „Demut Gottes“, wie Franziskus die Menschwerdung und vor allem sein „tägliches Herabsteigen in der Gestalt von Brot und Wein“ in der Feier der Eucharistie bezeichnet.

Die „Schwachstelle“ in diesem „Spiel“ allerdings bleibt immer der Mensch, der sich schwertut, die „Stärke“ in dieser „Schwäche“ Gottes zu sehen; der sich schwertut, diesen Weg, für den Gott selber sich starkmacht, auch für sich selbst als einen gangbaren und gottgewollten Weg zu entdecken.

„Weckruf“ Krippenspiel

Das Innere der Mariengrotte. Eine in den Felsen geschlagene Nische, die als ursprünglicher Ort der Krippenfeier angesehen wird. Bild von Kerstin Meinhardt.
Das Innere der Mariengrotte. Eine in den Felsen geschlagene Nische, die als ursprünglicher Ort der Krippenfeier von Franziskus angesehen wird. Bild von Kerstin Meinhardt.

Für Franziskus war die Inszenierung eines Krippenspiels, wie wir es gerne nennen, alles andere als eine Spielerei. Was die Erinnerung an die Menschwerdung Gottes in Franziskus selbst wachgerufen und ausgelöst hatte, das wollte er zu einem „Weckruf“ für Menschen seiner Zeit werden lassen. Sein Biograf Thomas von Celano berichtet am Ende der Erzählung über die Weihnachtsfeier in Greccio: „… ein frommer Mann hatte eine wunderbare Vision. Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes hinzutreten und das Kind wie aus einem tiefen Schlaf erwecken. Gar nicht unzutreffend ist diese Vision; denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit Gottes Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt.“

Dabei wird das Geschehen für Franziskus zum Spagat: Einerseits „feiert“ Franziskus einen Gott, der in Demut und Armut geboren wird und dadurch eine besondere Nähe zu Menschen entstehen lässt, die „im Schatten des Todes“ leben; für Franziskus eine existenzielle Aufforderung, diese Nähe auch in seinem Leben zu verwirklichen. Andererseits berauscht sich Franziskus an diesem Fest, dem „Fest der Feste, an dem Gott, der ein kleines Kind geworden ist und an menschlichen Brüsten hing … er wünschte, dass an diesem Tag die Armen und Hungrigen von den Reichen gespeist würden und dass man Ochs und Esel mehr Korn und Heu gebe also sonst …“ Als ein Bruder meint, falls Weihnachten auf einen Freitag fiele, dürfe man selbst angesichts dieses Festes kein Fleisch essen, da widerspricht Franziskus energisch und lässt sich zu der Aussage hinreißen, dass an einem solchen Tag selbst „die Wände Fleisch essen“ sollen.

Ein Zeugnis von Einfachheit

Wie nicht anders zu erwarten, stößt man bei einem Besuch als Erstes auf die Krippenkapelle. Den Ort also, wo Franziskus im Jahre 1223 von einem Bekannten mit Namen Johannes die Weihnachtsfeier vorbereiten ließ. Bei Thomas von Celano heißt es dazu: „Etwa zwei Wochen vor Weihnachten ließ Franziskus ihn (Johannes) zu sich kommen und sagte: „Wenn du möchtest, dass wir in diesem Jahr in Greccio Weihnachten feiern, dann geh schnell an die Vorbereitungen und tue genau das, worum ich dich bitte. Ich möchte die Erinnerungen an das Kind wachrufen, das in Bethlehem geboren wurde, und so greifbar wie möglich mit eigenen Augen die schmerzlichen und ärmlichen Umstände sehen, worunter es zu leiden hatte. Ich möchte sehen, wie es in der Krippe auf Stroh zwischen Ochs und Esel lag“. Johannes bereitete alles so vor, wie Franziskus es ihm aufgetragen hatte.“

„Was du weckst, das weckt dich wieder.“

Ein Flur der zu den Zellen der Brüder führte.
Ein Flur der zu den Zellen der Brüder führte.

Über dem Altar fällt rechter Hand eine ungewöhnliche Darstellung von Maria und dem Jesuskind auf. Auf dem alten Fresko aus dem 14. oder 15. Jahrhundert gibt Maria dem Jesuskind die Brust.

Geht man den Gang weiter, der rechts von der Kapelle verläuft, steht man nach ein paar Metern in der alten Einsiedelei. Sie gilt als einer der ältesten Aufenthaltsorte von Franziskus und seinen Brüdern und ist „ein eindrucksvolles Zeugnis von Armut und Einfachheit“. Zunächst stößt man auf die Küche und den Speiseraum der Brüder, dann auf den Schlafsaal. An der Wand deuten Kreuze auf die Schlafstellen der Brüder hin. Dabei war wegen der Enge an ein Schlafen im Liegen kaum zu denken. Vielmehr dürften die Brüder im Sitzen geschlafen haben. Für Franziskus selbst gab es eine kleine Zelle, die durch einen Vorhang vom Schlafsaal abgetrennt war. Hier soll Franziskus auf nacktem Felsen gebetet und geschlafen haben.

Der Weg führt vom Schlafsaal zurück zur alten Einsiedelei und von dort über eine Treppe nach oben. Rechter Hand gelangt man zum Schlafsaal des Bonaventura (1221–1274), des langjährigen und den Orden stark prägenden Generalministers. Zu beiden Seiten des Ganges liegen kleine Zellen, in denen die Brüder bis zum Jahr 1915 geschlafen haben sollen. Linker Hand führt der Weg zunächst in den ursprünglichen Chor, den die Brüder heute wieder zum Gebet nutzen, und weiter zur sogenannten Kirche des Bonaventura. Links vom Altar gelangt man in die alte Sakristei. Über dem Altar hängt eine Kopie des „weinenden Franziskus“ aus dem 14. Jahrhundert. Der Weg aus der Kapelle führt durch einen kleinen Laden wieder nach draußen. Nach dem Besuch dieser historischen Stätten kann man sich zum Abschluss die verschiedenen Krippen in der neuen Kirche anschauen, die 1959 erbaut worden ist.

Vielleicht wäre es – bei aller Armutsliebe des Franziskus – ganz in seinem Sinne, den Besuch der Einsiedelei mit einem „Weihnachtsessen“ im nahe gelegenen Dorf Greccio zu beschließen.


Ein Kommentar zu “Greccio und das Krippenspiel

  1. Liebe Franziskaner,
    diesen Mundarttext von mir wird am Samstag 22.12. der Wiesbadener Kurier drucken – wie Sie sehen, diente mir Ihre homepage als eine meiner Quellen. Ich wohne ganz nahe beim Kloster Marienthal im Rheingau! Gesegnete Weihnachtstage Leo Gros

    En Wörter-Verhau rund um des Krippche

    Wammer de Rhoi enunner fährt bis Monheim, kammer do ebbes finne, was se „Kribbe“ nenne. Des sin Buhne wo de Fluss reguliern helfe solle. Eichendlich warn des, wie an de Nordsee, mo Flechtwerke aus kräftische Weidezweische. Warum ich des hier verzehl? Weil unser Weihnachstkripp aus der gleiche Wortwurzel kimmt un ursprünglich en Futter-Rauf gemeent hot, wo geflochte war! So steht im Eltviller Vocabularius Ex Quo „cruppa“ beim lateinische Wort presepe – eichendlich im alde Latein praesaepe. Dodevon singe mer im Lied „In dulci jubilo“- “liegt in praesepio“. Un des kimmt von saepio – ich umzäune (mit Flechtwerk?). Mer halle fest: Ebbes Geflochtenes als Vorschutz for en Deich odder als Futterrauf is eine Krippe. Genuch verwirrt? Dann mache mer doch emol en Abstecher no Greccio im Rietital in Italie (zwische de Eltviller Partnerstadt Passignano un Rom; nit weit vom Kiddericher Valldin seim Städtche Terni), un en Zeitmaschin „beamt“ uns ins Jahr 1223. Do laafe beim Kloster Greccio Mensche rum un baue en Stall un en Futterkripp uff, un hole en Ochs un en Esel ebei – so wie Franziskus von Assisi des sein wohl betuchte Freund Johannes geheiße hatt‘. Er wollt, dass dem Lukas sei Geschicht vom Kind im Stall greifbar wern sollt – des erschte Krippespiel mit lebendische Mensche, wammer so will. Wer vun Eich hot schon emol im Krippespiel mitspille derfe? Un wer guckt nit gern die scheene Schnitzkrippe aa, wo in de Kerche, uffem Weihnachtsmarkt in Wissbade oder dehaam in de Wohnstubb uffgebaut wern? Un jetz halt Eich fest: 1785 nenne se in Frankreich zum erschde Mol en Platz, wo mer neugeborne verlassene Kinner unnerbringt „crêche“ – im Gedanke an en anner Baby, was aach nit in eme saubere Klinikbett uff die Welt komme war. Seit 1887 ging der Name dann uff die Betreuungplätz for klaane Kinner übber – crêche is dann in Frankreich die – Kinner-kripp!
    Übberichens hot de Franziskus 1223 gesaat, Weihnachte wär for ihn des „Fest der Feste, an dem Gott ein kleines Kind geworden ist und an menschlichen Brüsten hing“. Er hot gewünscht, dass „an diesem Tag die Armen und Hungrigen von den Reichen gespeist würden und dass man Ochs und Esel mehr Korn und Heu gebe also sonst.“
    Was solle mir jetz mit dere uralt Geschicht vum Lukas aafange? Ei – zuhörn mit offene Ohrn, un se uns „zu Herze nemme“. Des Kind vun Betlehem, un den Mann zu dem’s gewachse is, „an uns eranlosse“. Wie saat unsern Altbischof Franz (!) Kamphaus? „Mach’s wie Gott – werde Mensch“. In dem Sinn wünsch ich uns all en geseechnetes Weihnachtsfest.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert