Heimat – das muss irgendetwas mit Kuhglocken zu tun haben, so jedenfalls ein Eindruck aus meiner frühen Kindheit. In einem Urlaub hatte ich einen bayerischen „Heimatabend“ erlebt. Dort, wo ich daheim war, gab es keine Kuhglocken. Kuhglocken waren interessant, aber fremd. Heimat musste auch etwas Fremdes sein.
Noch eine Kindheitserinnerung: In der Nähe wohnten „Heimatvertriebene“. Ich verstand nicht, warum sie immer von dort erzählten, wo sie herkamen. Hier war es doch auch schön. Ich war schließlich auch hier zu Hause. Später stand Heimat für das allzu Bekannte und Gewohnte, war eng und langweilig. Neu und spannend schien das Andere, Fremde, die Weite. Bis ich dann die Heimat wiederentdeckt habe: vertraute Straßen, erinnerungssatte Orte, eine lieb gewordene Gegend. Inzwischen bin ich Franziskaner. Heimat hat immer noch mit Orten zu tun. Wenn jemand sagt, er sei überall daheim, bin ich skeptisch: Ob er irgendwo wirklich zu Hause ist? Aber Heimat ist mehr als nur ein Ort: Ich bin daheim in einer Gemeinschaft, in der Kirche, in der Beziehung zu Gott. Hoffentlich auch bei mir selbst.
Ich lebe gerne in einer multikulturellen Gesellschaft mit Menschen aus allen Ländern der Erde. Aber ich frage mich auch, wie es den vielen Geflüchteten hier geht, in einem fremden Land, einer fremden Kultur, einer fremden Sprache. Der Begriff „elend“, aus dem Mittelhochdeutschen, bedeutet ursprünglich „nicht einheimisch“, in der Fremde lebend …
Heimat ist kein Wort, das festschreibt, was ist. Heimat ist etwas, was wir suchen, verlieren, wiederfinden, oft eher versprochen als eingelöst. Dabei ist es nicht egal, wie dieses Wort gefüllt wird: „Heimat“ kann selbstzufrieden und träge machen oder aber Lebenslust und Energie vermitteln, kann andere Menschen ausgrenzen oder einladen. Ich bin wohl beides: beheimatet und fremd zugleich. Wie der heilige Alexius, der nach einer lebenslangen Wanderung durch die halbe Welt in die Heimat zurückkehrt, aber nicht erkannt wird und wie ein Fremder vor der Tür seines Elternhauses bettelt. Oder wie Franziskus und seine Brüder, die zwar „Pilger und Fremdlinge“, aber auch „unter fremden Dach zu Hause“ waren.
Die neue Ausgabe unserer Zeitschrift erklärt nicht, was Heimat ist. Sie lädt ein zu fragen, was Heimat schenkt und wo ich zu Hause bin.
Weitere Themen
- Kunst und Kultur: Die Stimme von Assisi – Bruder Alessandro Brustenghi
- Franziskanische Gebetsschule: Sich vom Wort Gottes ergreifen lassen
- Libanon: Die Explosion ist nicht das größte Problem
- Fleischindustrie: Wir müssen Grundlegendes ändern
Kostenlos erhältlich in allen Franziskanerklöstern und Häusern, im Direktversand an tausende Bezieher.
Sie können die Zeitschrift auch als Druckausgabe bestellen:
Provinzialat, Zeitschrift Franziskaner,
Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München.
Tel.: 089 211 26-150
eMail: zeitschrift@franziskaner.de