12.07.2020 Bruder Stefan Federbusch

Historischer Abschied

Franziskaner verlassen Halberstadt

Am 12. Juli 2020 verabschiedeten sich die Franziskaner von einem für sie historischen Ort, von Halberstadt. Bereits 1223 waren dort die ersten Brüder eingetroffen. Außer der Zeit der Säkularisation war das Kloster fast durchgängig besiedelt. 1920 kehrten die Brüder zurück. Nach einhundert Jahren und einer wechselvollen Geschichte nun also der endgültige Abschied von dem Ort, an dem Thomas von Celano seine Lebensbeschreibung des hl. Franziskus verfasste.

 

Die Brüder beim Abschiedsgottesdienst. Mit Pater Alfons Nillies, Br. Michael Seidel und Pater Ubald Hausdorf verlassen die letzten Franziskaner den geschichtsträchtigen Ort. Bild von Sperling, bistum-magdeburg.de

Während der Reformation und der Säkularisation wurden die Franziskaner häufiger zwangsweise aus der Stadt vertrieben. Nun haben die Brüder Halberstadt „freiwillig“ verlassen. Dies in Anführungszeichen, da sie gerne geblieben wären, der personelle Rückgang aber zur Aufgabe verschiedener Standorte zwingt.
Für die Franziskaner ist es der Ort mit der längsten Präsenz. Bereits 1221 kamen die ersten Brüder über die Alpen und zogen relativ schnell gen Norden. Bereits 1223 ließen sie sich in Halberstadt nieder. Zu den ersten Brüdern gehörte Rodeger (Rüdiger), der spätere geistliche Berater der hl. Elisabeth. 1230 wurde die Teutonia in eine rheinische und eine sächsische Provinz aufgeteilt, zu der Halberstadt mit Hannover, Hildesheim, Braunschweig und Quedlinburg gehörte.

Im 16. Jahrhundert kam es im Zuge der Reformation immer wieder zu Besetzungen des Klosters (etwa 1547 durch den Rat der Stadt), zu Verwüstungen (1563 und 1567) und Vertreibungen der Brüder. 1596 wird das Kloster Eigentum des Domkapitels. 1619 verfügt Christian von Braunschweig die Ausweisung der Franziskaner. Lediglich Johannes Tetteborn darf bleiben. Er stirbt 1626. 1627 erhielten die Brüder das Kloster durch kaiserliches Mandat zurück, mussten dann aber im 30jährigen Krieg vor den schwedischen Truppen fliehen. 1635 kehrten sie nach Halberstadt zurück. 1721 besteht der Konvent aus 30 Mitgliedern. Ein Teil der theologischen Studien findet jetzt hier statt. Zu Beginn der Säkularisation 1804 leben 35 Brüder in Halberstadt. 1810 wird vom König von Westfalen die Aufhebung des Klosters verfügt. 1813 schenkt er Kloster und Kirche der Stadt Halberstadt.

Es dauerte bis 1920, ehe die Franziskaner zurückkehren konnten und in St. Andreas die Pfarrseelsorge übernahmen. Die fast 700 Jahre alte Kirche wird im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerbomt. Mit dem Wiederaufbau wird im April 1950 begonnen. Im Juni 1951 wird die Kreuzkapelle eingeweiht, im Oktober 1951 die Chor-Kirche. Ebenfalls 1951 wird mit dem Wiederaufbau des Klosters begonnen. Im September 1953 konnte es bezogen werden. Der Wiederaufbau der Kirche hatte sich zunächst auf den Chor beschränkt. Erst 1981 wurde mit dem Kirchenschiff begonnen. Am 6. Oktober 1984 wurde der Neubau eingeweiht. 1994 wurden Pfarrhaus und Kloster renoviert. 1996 begann mit den Franziskanerinnen von Münster-Mauritz der Betrieb der Wärmestube.

Am 18. Oktober 2009 wird im Zuge der Strukturreform des Bistums Magdeburg die neue Pfarrei St. Burchard gegründet. Die Franziskaner übernehmen weiterhin seelsorgliche Aufgaben in der Pfarrei. Am 8. September 2012 wird ein Festakt begangen: „750 Jahre Chronik des Bruders Jordan von Giano – eine ‚Halberstädter‘ Chronik“.

Bischof Dr. Gerhard Feige aus Magdeburg hielt die Predigt zur Verabschiedung. Bild von Bruder Stefan Federbusch.

Mit P. Ubald Hausdorf, Br. Michael Seidel (gehen nach Halle) sowie P. Alfons Nillies (zieht nach Paderborn) verlassen nun die letzten Franziskaner den geschichtsträchtigen Ort.

Verabschiedet wurden sie in einem Gottesdienst, dem der Bischof von Magdeburg, Dr. Gerhard Feige, vorstand. In seiner Predigt ging er auf das Sonntagsevangelium ein, in dem Jesus vom Samen spricht, der ganz unterschiedlich aufgeht. Auch die Brüder haben viel an Samen ausgestreut, ohne zu wissen, welcher Teil davon aufgeht. Eingeleitet hatte er seine Predigt mit der Bemerkung, dass die Liturgischen Bücher viele Formulare für Neustarts, Einweihungen und Segnungen bereithalten, aber kein Formular für einen Abschied.

Auf die Ambivalenz des Abschieds wies auch Provinzial Cornelius Bohl. An einem Ort des Anfangs wie Halberstadt fällt es noch schwerer, sich zu verabschieden. Er stellte die Frage, ob sich aus einem Abschied etwas lernen lasse… und ließ sie bewusst offen. Auch, ob die Brüder nach all der wechselvollen Geschichte jemals zurückkehren, könne zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen. Für die nächsten Jahrzehnte ist es angesichts der personellen Entwicklungen eher unwahrscheinlich.

  • Weitere Informationen zum Abschied finden Sie auf der Webseite des Bistum Magdeburg.
  • Link zur Predigt zur Verabschiedung der Franziskaner aus Halberstadt von Bischof Dr. Gerhard Feige.
  • Fernseheitrag: Der letzte Franziskanermönch in Halberstadt;: MDR Sachsen-Anhalt Heute auf
    Minute 17.20

 


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