Das diesjährige Grundlagenseminar für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung fand vom 4. bis 6. März 2016 in Hofheim mit dem Thema „Franziskus und der Sultan – Im Dialog mit Muslimen“ statt.
46 ganz unterschiedliche Personen kamen im Exerzitienhaus Hofheim zusammen, Menschen aus der franziskanische Gemeinschaft, Interessierte, Ordensfrauen und –männer und ein, gerade für dieses Wochenende besonderer Teilnehmer: Moutazem – ein Muslim aus Syrien.
Bruder Jürgen Neitzert, Islamwissenschaftler und interkultureller Pädagoge, führte uns mit Franziskus‘ Begegnung mit dem Sultan Malik al Kamil in das Thema ein. Im Jahre 1219 hatte sich Franziskus den Kreuzfahrern angeschlossen und war entsetzt über deren unchristliches Verhalten. Daher bittet er darum, zum Sultan gehen zu dürfen, was ihm auch gewährt wird. Vom Sultan wird er herzlich aufgenommen, als Friedensbringer. Auch wenn seine „eigentliche Mission“, die Bekehrung des Sultans scheitert, hat diese Reise doch große Bedeutung für ihn.
Er erzählt nach seiner Rückkehr kaum von dem Erlebten, aber seine Erfahrungen zeigen sich im kurz darauf verfassten Brief an die Lenker der Völker. Br. Jürgen berichtete von der Entwicklung und Präsenz der Franziskanerbrüder in muslimischen Ländern, wo sie seit Jahrzehnten und auch aktuell tätig und gern gesehen sind.
Thomas Schimmel stellte uns das seit 3 Jahren bestehende Projekt „1219 Religions- und Kulturdialog“ vor, dessen Ziel die Aufklärung über die Religionen (inkl. der Eigenen!) und ein Einladung zum Dialog ist. In einer Einführung über den Islam hörten wir etwas über das Leben Mohammeds, der im Islam als wichtigster Prophet und Gottesgesandter gilt, dem in Visionen das Wort Gottes (Allahs) offenbart wurde. Andere haben für ihn diese Visionen, die Koransuren niedergeschrieben.
Neben dem Koran, der wichtigsten Quelle für die Muslime, werden weitere wichtige Bücher anerkannt – die 5. Bücher Mose, die Psalmen und die Evangelien. Neben den Anweisungen im Koran gibt es im Islam noch die sog. Hadithe, Aussprüche und Handlungsweisen des Propheten Mohammad. Es gibt folgende fünf Glaubensgrundsätze: Glaube an den einen Gott, Glaube an seine Engel, Glaube an seine Propheten, Glaube an die Auferstehung und das Gericht, Glaube an das vorherbestimmte Schicksal. In der Glaubenspraxis des Islam gibt es fünf Säulen: Glaubensbekenntnis (öffentlich beim Gebet), Rituelles Gebet (5x Tage), Almosensteuer (2,5% des Geldes, das nach allen Ausgaben übrig ist), Fasten im Monat Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka.
Ein Blick in den Koran eröffnete viele Verbindungen zu unserer eigenen Religion. Die 14. Sure ist z.B. nach Abraham benannt, er wird als Freund Gottes bezeichnet und mit ihm endeten sowohl im Christentum wie auch im Islam die Menschenopfer. Die 3. und 19. Sure erzählen die Geburts- und Kindheitsgeschichte von Maria, Josef und dem im Islam als „Prophet der Liebe“ angesehen Jesus. Maria ist die einzige Frau, die namentlich genannt wird und gilt als „das“ Modell der Frau. Ein Unterschied in den Erzählungen über Jesu Leben ist, dass er aus Sicht eines Muslimen nicht gekreuzigt, sondern direkt von Gott aufgenommen wurde.
Ein Überblick über die vielen Rechtsschulen und Gruppierungen im Islam, wie z.B. die Schiiten und Sunniten (mit jeweils nochmal Untergruppen) machte deutlich, dass es nicht „den“ Islam gibt, sondern viele verschiedene Ausformungen.
Wer barmherzig ist, dem wird Barmherzigkeit zuteil
Mit dem Sufismus, der mystischen Ausprägung des Islam, lernten wir nochmal theoretisch und auch ganz praktisch eine andere Seite kennen. Das Ziel des Sufismus ist es, Gott näher zu kommen, eine Reinigung des Herzens zu erlangen, ein permanentes Gottesgedenken. Zur Zeit des Propheten war der Sufismus Bestandteil des gelebten Islam, dieser „innere Teil“ des Islam bildete sich dann mehr und mehr zurück.
Aus Sicht der Sufis gibt es drei Ebenen der Religion: die äußere Ebene ist der Islam – die 5 Säulen, die durch Gesetze das Zusammenleben regeln. Die mittlere Ebene ist der Iman – die fünf Glaubensgrundsätze, die sich im Herzen vollziehen. Die dritte, innerste Ebene ist „Ihsan“, Vortrefflichkeit, was ein permanentes Verstehen der Gottespräsenz in all meinen Handlungen in meinem Leben zum Ziel hat. In einem Hadith ist diese Vortrefflichkeit beschrieben: „Und wenn ich ihn liebe, dann bin ich sein Ohr, mit dem er hört, und sein Auge, mit dem er sieht, seine Hand, mit der er etwas ergreift und sein Fuß, mit dem er geht.“
Ganz konkret berichtete uns ein Mitglied der Tariqa Alawiyya von der Entstehung und Geschichte des Alawiyya Ordens, der heute weltweit in der AISA organisiert ist. Eines der Hauptziele von AISA ist die Förderung der Friedenskultur und des Zusammenlebens. Im Juni 2014 wurde AISA von den Vereinten Nationen als NGO anerkannt und hat seitdem den Sonderberaterstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der UN. Das aktuelle Projekt von AISA ist eine Petition für die Einführung eines Welttages des Zusammenlebens durch die Vereinten Nationen.
Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und ein Dialog der Religionen sind Beispiele für ihre Anliegen, was sich z.B. in dem schon seit den 80er Jahren in Köln praktizierten Friedensgebet der Tariqa Alawiyya mit den Franziskanern zeigt.
Ganz praktisch ermöglichten uns einige Mitglieder der Tariqa Alawiyya an einem Gebet teilzunehmen. Wiederkehrende, meditative Gesänge und rezitierte Koranverse in arabischer Sprache prägten das einstündige Gebet. Der Charakter des Gebets lud ein, mit dem Herzen zu hören, was mit Worten für unsere Ohren nicht verständlich war. Das Sufi-Gebet war ein ganz besonderes und berührendes Erlebnis.
Eine andere, weniger mystische Seite des Islam, lernten wir in der Tarik-Moschee in Frankfurt kennen. Dort wurden wir herzlich von einem Gemeindemitglied, dem Imam und dem Lehrer willkommen geheißen. Nach einer Führung konnten wir in der Moschee unsere Fragen zum Islam, zur Gebetspraxis und zu anderen Themen stellen.
Beim gemeinsamen, verpflichtenden Abendgebet konnten wir alle im hinteren Teil der Moschee anwesend sein. Das Gebet hat einen rituellen Ablauf und beginnt immer mit der 1. Sure des Korans. Zwischen den allgemeinen, gemeinsamen Gebeten ist beim Niederwerfen, der Moment wo man Gott am nächsten ist, auch Zeit für ein stilles, persönliches Gebet. Frauen beten in der Moschee in einem eigenen Frauengebetstraum, die Freitagspredigt wird auch dorthin übertragen.
Nach dem Abendgebet konnten wir noch die spontane Gastfreundschaft bei einer Tasse Tee genießen, bevor wir uns auf den Weg zum libanesischen Abendessen machten.
Im gemeinsamen Gottesdienst zum Abschluss der Tage hörten wir das Evangelium vom barmherzigen Vater und die 1. Sure des Korans in arabischer Sprache, die jedes Gebet eröffnet und den barmherzigen Gott preist:
„Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes
Lob sei Gott, dem Herrn der Welten
dem Barmherzigen und Gnädigen, der am Tag des Gerichts regiert!
Dir dienen wir, und Dich bitten wir um Hilfe.
Führe uns den geraden Weg, den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer, die D(ein)em Zorn verfallen sind und irregehen! Amen“
[1. Sure des Korans]
Vielleicht ist die Barmherzigkeit ein verbindendes Element, das hilft, nicht auf die Unterschiede und das Trennende zu schauen, sondern auf das Verbindende und auf gleiche Ziele, wie das friedliche, gemeinsame Zusammenleben. So wie es ein Plakat an der Tarik Moschee und der St. Gallus Kirche, eine gemeinsame Aktion der christlichen und muslimischen Gemeinden aus dem Gallus-Viertel in Frankfurt, ausdrückt: „Wer barmherzig ist, dem wird Barmherzigkeit zuteil.“ (Hadith)