Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.
Stellen Sie sich vor: Sie müssten Ihre Heimat verlassen, in Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen, werden an Grenzen zurückgewiesen oder unterwegs aufgegriffen und wieder in eine lebensbedrohliche Situation zurückgebracht, müssten Ihr Erspartes für Schlepper ausgeben und sind in Ihrem Zufluchtsland alles andere als willkommen. Einige der Ältesten unter Ihnen haben diese Erfahrung als Heimatvertriebene aus den Ostgebieten nach dem II. Weltkrieg selbst noch gemacht.
Die Zahl der Flüchtlinge weltweit steigt. Über 80 Millionen Menschen müssen jährlich aus politischen (Verfolgung), wirtschaftlichen (Hunger) oder religiösen Gründen ihre Heimat verlassen. Seit 70 Jahren sind sie (theoretisch) durch die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt, die am 28. Juli 1951 verabschiedet wurde. Ein Kernelement der Konvention besteht darin, dass Menschen ein Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben und nicht in Länder zurückgewiesen werden dürfen, in denen sie nicht sicher sind. Dies geschieht jedoch ständig an unseren europäischen Außengrenzen durch gewaltsame Zurückweisung, durch Push-Backs von Flüchtlingsbooten aus der Türkei Richtung Ägäis-Inseln durch die griechische Küstenwache, mit Flüchtlingsbooten Richtung Italien durch die libysche Küstenwache, in der spanischen Enklave Melitta an der Grenze zu Marokko. Die Europäische Union missachtet die Menschenrechte, verstößt damit permanent und systematisch gegen internationales Recht und ist nicht in der Lage, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu betreiben, die die Bezeichnung „humanitär“ verdient. Das Mittelmeer ist dementsprechend zu einem Massengrab geworden. Seit 2014 ließen rund 22.200 Bootsflüchtlinge hier ihr Leben: 2021 bislang erneut knapp 1.000 registrierte Tote.
Derzeit ist die Flüchtlingskonvention leider kaum mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist. Verzweifelt sucht das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) weltweit dringend nach Aufnahmeplätzen für rund 1,5 Millionen Menschen. Aktuell vollzieht sich das nächste Drama. Allein 270.000 Menschen haben seit Jahresbeginn auf der Flucht vor den Taliban ihre Häuser in Afghanistan verlassen. Die Türkei baut an einer drei Meter hohen Betonmauer an der Grenze ihres Nachbarlandes. 144 km sind bereits fertiggestellt. Die EU wird erneut versuchen, sich durch einen Deal mit der Türkei freizukaufen. Auf Kosten der Flüchtlinge – wie üblich. Ein Trauerspiel, doch für die Betroffenen eine bittere lebensbedrohliche Realität. Dabei könnten wir etliche Flüchtlinge mehr aufnehmen, wenn wir nur wollten, und viele (Kommunen) in Deutschland haben dazu ihre Bereitschaft signalisiert. Das aber ist politisch nicht gewollt. Armes reiches Deutschland!
Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
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