26.07.2024 Bruder Martin Lütticke

Alte, weiße Männer …

| Jetzt | Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren die Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Martin Lütticke

Die Nachricht der letzten Tage war der Rückzug des US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden aus dem Rennen für die nächste Präsidentschaftswahl.

Gott sei Dank! Ich fand es unwürdig, dass der offensichtlich immer gebrechlicher werdende 81-jährige Biden so starr an seiner Kandidatur festhielt. Ich fand es unwürdig, wie die mediale Welt auf jeden sprachlichen Patzer Bidens reagierte.

Was ist das für ein Wahlkampf im angeblich mächtigsten Land der Welt, wenn die Wähler und Wählerinnen zwischen einem 81-Jährigen geistig und körperlich angeschlagenen Kandidaten und einem 78-Jährigen notorischen Lügner und Egomanen entscheiden können? Und die ungläubige Frage lautete: Sind das die beiden besten Kandidaten in diesem großen Land, in dieser Demokratie?

Nun also die deutlich jüngere Kamala Harris. Auch wenn sie bisher nicht als Präsidentschaftskandidatin nominiert ist, fliegen ihr viele Sympathien zu, allein schon, weil sie nicht zur Gruppe der „alten, weißen Männer“ zählt. Und viele – ich auch – wünschen ihr Erfolg auf dem Weg ins Weiße Haus, allein schon um Donald Trump zu verhindern.

Aber – wer sich als Vertreter der Kirche über „alte, weiße Männer“ in der Politik beklagt, der hat natürlich vor der eigenen Haustür genug zu kehren. Papst Franziskus ist 87 Jahre alt und sichtlich körperlich eingeschränkt, sein Vorgänger Benedikt ist mit 85 Jahren zurückgetreten aus Sorge, dem Amt geistig nicht mehr gewachsen zu sein. Und die Bilder eines sterbenskranken Papstes Johannes Paul II. sind noch sehr präsent.

Ich gönne jedem Menschen in diesem Alter seinen Ruhestand. Und ich wünsche jedem den Mut und die Kraft, freiwillig von Aufgaben loszulassen, bevor es allen anderen offensichtlich ist, dass jemand einer Aufgabe nicht mehr gewachsen ist.

Braucht nicht eine weltweite, riesengroße Organisation wie die katholische Kirche andere Menschen, die sie leiten?

Ich bin dankbar für die Erfahrung und Weisheit vieler alter Menschen und schätze, was sie in das gemeinsame Leben einbringen. Aber für höchst herausfordernde Leitungsaufgaben in weltlichen und geistlichen Großgemeinschaften braucht es eine andere Dynamik, als ein 80-Jähriger sie hat.

Auf Joe Biden folgt mit Kamala Harris eine deutlich jüngere farbige Frau. Diese Chance gibt’s wohl in der Kirche nicht. Bis auf einen 85-jährigen Papst eine deutlich jüngere farbige Frau folgt, wird noch viel Zeit vergehen. Da ist bei uns noch viel Luft nach oben …


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
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