16.12.2022 Pater Hans-Georg Löffler

Demokratie braucht Religion

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Hans-Georg Löffler

Von einer Bekannten bekam ich ein Büchlein geschenkt, das ich bei einer längeren Zugfahrt mit Interesse gelesen habe. „Demokratie braucht Religion“ ist ein veröffentlichter Vortrag des Soziologen Hartmut Rosa mit einem Vorwort von Gregor Gysi.

Angesichts der massenhaften Austritte vieler aus den verfassten Kirchen, die mich beschäftigen und auch traurig machen, waren manche Aussagen beider Autoren ermutigend und auch tröstlich für mich.

Es geht mir um die Menschen in ihrer Suche nach Sinn und Erfüllung, nach Zuversicht und Trost. Es geht mir um unsere Gesellschaft und die Frage: woraus leben wir und worauf hin leben wir?

Da gebraucht Hartmut Rosa Stichworte, die mich nachdenklich machen. Er spricht von einer Gesellschaft, die gezwungen ist, immer schneller zu leben und effektiver zu arbeiten. Er spricht von Menschen, deren „To-do-Listen“ explodieren(!) und so eine wachsende Aggressivität gegenüber anderen hervorruft, aus der Not heraus, den Ansprüchen und Erwartungen nicht zu genügen. Er spricht davon, dass eine Gesprächskultur schwindet, weil die Zeit fehlt, aufeinander zu hören und einzugehen. Er spricht von einer großen Verunsicherung, weil der normale Menschenverstand überholt scheint und von allen möglichen Ratgebern verdrängt wurde und die Frage im Raum steht: „was mache ich richtig“?

Er spricht von einer „Aggressionsgesellschaft“, in der die Kirchen eine wichtige ausgleichende Funktion wahrnehmen können: Raum schaffen und Raum anbieten, in denen Menschen der Druck genommen wird, etwas können oder sein zu müssen. Er spricht vom „hörenden Herz“, das der Gesellschaft verloren geht und, dass sich in den Ritualen der Kirche ein großes „alternatives Reservoir“ finden lässt, durch das Menschen ihre Werthaftigkeit in einer Weise erfahren und sich in Beziehung setzen können zu sich, zu anderen und zu Gott, wie es marktwirtschaftliche Kategorien allein niemals erreichen können.

Eine Gesellschaft verarmt ohne Religion.

(Lesetipp: Hartmut Rosa, „Demokratie braucht Religion“, Kösel 2022)


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de.


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