23.08.2024 Bruder Thomas Abrell

Demokratie verstehen

| Jetzt | Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Thomas Abrell

Wütend, laut, radikal – die neue Protestkultur? – diese Frage stellt Dunja Hayali im ZDF in der Sendung „am Puls“ vom 22. August. Es geht um Proteste und Demonstrationen, wie sie gefühlt immer mehr zu unserem Alltag gehören und besonders als Bauernproteste oder Klimakleberaktionen zum Störfaktor im Alltag geworden sind.

Demonstration und Demokratie klingen nicht ohne Grund ziemlich ähnlich. Geht es doch immer um die Stimme des Volkes und die scheint immer lauter zu werden, weil der Frust über das Handeln der Regierung wächst. Demonstrationen vermitteln diesen Eindruck, gerade wenn sie als die letzte Möglichkeit verstanden werden, sich zu Wort zu melden. Dabei stellt sich die Frage, ob es wirklich die Meinung des Volkes ist oder nur die einer Minderheit, die es versteht, sich eine laute Stimme zu verschaffen. Frau Hayali weist in einem Interview darauf hin, dass die Medien ihren Anteil an der Fruststimmung im Land haben, weil leise, versöhnliche Stimmen und Grautöne hinten runterfallen (vgl. SZ vom 20.8.24).

Wütend, laut und radikal – wer so auftritt, ist meist nicht an Auseinandersetzung und Dialog interessiert, sondern an der Durchsetzung der eigenen Position ohne Kompromisse. Demokratie aber ist nur im Dialog und mit Kompromissbereitschaft möglich. Da setzt sich nicht die lauteste Stimme durch, sondern der bestmögliche Konsens.

Voraussetzung ist der Mut zur Auseinandersetzung mit anderen Meinungen. Forderung und Ablehnung allein genügen nicht, denn jede Entscheidung hat Folgen und diese sind darzustellen. Alternativen sind zu diskutieren, um schließlich Entscheidungen zu fällen, die gut begründet sind. Die Menschen müssen verstehen können, wie es zu Entscheidungen kommt und welche Folgen das für sie hat bzw. welche Folgen damit vermieden werden. Demokratie gelingt nur, wenn Menschen den Sinn von Entscheidungen verstehen. Das lässt sich nur im Dialog und mit der entsprechenden Transparenz erreichen.

Eine demokratische Gesellschaft ist so viel wert, wie es ihr gelingt, zumindest die allermeisten Menschen mitzunehmen.


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
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