07.01.2022 Bruder Markus Fuhrmann

„Du musst Dein Ändern leben“

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Markus Fuhrmann

Gehören Sie zu den Menschen, die sich an Silvester etwas für das neue Jahr vornehmen? Wollen Sie Stress abbauen, mehr Sport treiben oder sich gesünder ernähren? Wenn ja: Haben Sie bereits erste Schritte zur Umsetzung Ihres „guten Vorsatzes“ unternommen? Nein? Dann sind Sie wahrscheinlich in guter Gesellschaft.

Der größte Teil der „guten Vorsätze“ zum Jahreswechsel dürfte sich vermutlich in Wohlgefallen auflösen. Sei es, weil die Vorsätze unrealistisch sind, der Veränderungsdruck nicht ausreicht oder weil es an innerer Motivation und damit auch an Umsetzungsdisziplin mangelt. Die Magie des neuen Anfangs zu Jahresbeginn ist jedenfalls keine Erfolgsgarantie für den persönlichen Neustart.

Was für unsere kleinen Lebenswelten und die persönlichen Vorsätze gilt, das trifft offensichtlich auch für die globalen Herausforderungen zu. Nachhaltige Veränderung fällt schwer.

Vor 50 Jahren wurde die Studie „Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ veröffentlicht. Das zentrale Ergebnis der Studie lautete ebenso nüchtern wie alarmierend: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ – 50 Jahre später müssen wir feststellen, dass diese Analyse im Wesentlichen stimmt. Und dennoch hat sich bisher wirtschafts- und umweltpolitisch auf globaler wie auf nationaler Ebene viel zu wenig getan. Das ist ein Skandal, der mich nicht kalt lässt.

„Du musst Dein Ändern leben“ – Eine Postkarte mit diesem Spruch klemmt an der Zettelkiste auf meinem Schreibtisch. Was könnte dieser originelle Appell für die Verringerung meines eigenen ökologischen Fußabdrucks heißen? Denn es genügt ja vermutlich nicht, nur auf die Politik, die Wirtschaft und „die Anderen“ zu schimpfen. Wie kann ich persönlich etwas ändern?

Am besten mit einem konkreten und gut umsetzbaren Projekt. Zum Beispiel so weit wie möglich auf die Nutzung von Auto und Flugzeug zu verzichten. Oder sich beim Lebensmittel-Einkauf für regionale und saisonale (und womöglich ökofaire) Produkte zu entscheiden. Oder zu einem „grünen Stromanbieter“ zu wechseln. Oder beim Kleiderkauf auf die sozial-ökologische Herstellung der Kleidung Wert zu legen und auf entsprechende Zertifizierungssiegel zu achten. – Hauptsache, ich fange an, mein Ändern zu leben! Das verändert die Welt.


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7 Kommentare zu “„Du musst Dein Ändern leben“

  1. Lieber Bruder Natanael

    Zunächst einmal ist mir bewusst, dass Zwang niemals gut ist. Es muss Überzeugung hinter den Dingen stehen, die man tut und sagt. Aber – und da bin ich mir sicher – es wird wieder eine Zeit kommen, in der den Bürgern wieder mehr Vorschriften gemacht werden, bis hin zur Menge der zu verbrauchenden Lebensmittel und Wasser. Um letzteres wird es mit grosser Wahrscheinlichkeit sogar Kriege geben.
    Du lehnst eine Verordnung von oben ab. Vielleicht hätte Bruder Markus den Titel seines Beitrages nicht mit einem „MUSS“ versehen sollen. Muss heisst nicht können oder dürfen. Es ist ein Imperativ!

    Ob 30 Euro für ein einzelnes T-Shirt ein Verstoss gegen die Armut ist, diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich wiederhole nur nochmals, was ich schon zuvor geschrieben hatte. Menschen mit Geringeinkommen haben nicht den Luxus darüber zu entscheiden, ob 30 Euro für ein einzelnes Shirt nun bezahlt werden soll oder nicht. Hier sind die Prioritäten völlig anders. By the way: 30 Euro, das wären 60 D-Mark gewesen. Wir haben damals 30 Mark pro Monat als Taschengeld bekommen.

    Was den Verzicht auf Fisch und Fleisch angeht. Wie Du schreibst, verzichtest Du auf Fisch, weil Du einmal einen Bericht über den Fischfang gesehen hast. Nun, ich bin Tierschützer, und das durch und durch. Ich empfehle den Film „Meet Your Meat“. Das sollte helfen zu verstehen, warum Vegetarier / Veganer so sehr für den Verzicht auf Fleischprodukte kämpfen. Ich selbst bin Pescetarier, d.h. ich esse Fisch. Das aber nur aus Gesundheitsgründen, weil ich bereits einen Herzinfarkt hinter mir habe. Davor hatte ich auf Fisch und Fleisch verzichtet. Und es hat überhaupt nicht weh getan!

    Zum Schluss noch dies. Es geht mir keinesfalls darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Oder zu verurteilen. Und das sollte innerhalb der franziskanischen Familie ohnehin nicht sein. Nur um es nochmals zu wiederholen: Es heisst mit aller Regelmässigkeit, dass wir Menschen etwas tun müssen 8wohlgemerkt müssen und nicht dürfen oder können!). Aber wenn es um die Umsetzung geht, dann wird gezögert, gezaudert, diskutiert und die Verwantwortung weitergegeben. Können wir uns das wirklich noch leisten? Ich denke nicht.

  2. Lieber Markus

    Ich stimme Dir voll und ganz zu. Ich habe das Gefühl, dass im Grossen wie im Kleinen jeder auf den Anderen wartet, dass dieser vorangeht. Die grossen Wirtschaftsnationen hoffen darauf, dass sie dann selbst weniger tun müssen und den Verzicht lieber anderen überlassen können. Und im Kleinen – sprich: wir Einzelne? Wir suchen doch auch oft genug Ausreden, um nur ja nichts tun, um nur ja auf nichts verzichten zu müssen. Immer wieder hört man: „Dann soll doch der oder die zuerst anfangen.“ Und so gehen wir dem Untergang entgegen, sehenden Auges, stur und unbelehrbar. Ansonsten ist nicht zu verstehen, dass selbst 50 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome die Lage immer noch prekär, wenn nicht sogar noch schlimmer ist.
    Zwei „Aber“ muss ich dennoch einwerfen.
    1.) Es ist nicht unberechtigt zu sagen, dass man sich ein konsequent umweltfreundliches Handeln auch leisten können muss. Gerade gestern noch habe ich die Werbung eines umweltfreundlichen Unternehmens (ökologische Materialien, CO2-neutrale Herstellung und Transport, keine Kinderarbeit usw.) gesehen. Im Ausverkauf wurden da T-Shirts für rund 30 Euro pro Stück angeboten. Und es waren jetzt keine wirklich modischen Knüller. Welche Familie oder Einzelperson mit geringem Einkommen / geringer Rente oder in Abhängigkeit von HARTZ IV kann sich das leisten? Bei diesen Menschen liegen die Prioritäten völlig anders!
    2.) Wir glauben immer noch – oder sollen glauben, dass das E-Auto uns aus dieser Krise hilft. Die Industrie hat sich auf diesen Weg gestürzt, ohne andere ernsthaft in Betracht zu ziehen (siehe Wasserstoff). Dabei wird völlig ausgeblendet, dass zum einen der wichtige Bestandteil Silizium nicht mehr lange vorhanden sein wird (genau wie Erdöl!) und zum anderen der Abbau und die Produktion unweltschädlich und energieaufwendig sind. Und dann spreche ich da noch nicht einmal davon, dass bei einem Umstieg auf 100% E-Autos ja auch der Strom fürs Aufladen irgendwo herkommen muss. Und um es ganz deutlich zu sagen: Dass die EU nun versucht, Gas und Atomenergie als „grün“ zu klassifizieren, ist Betrug, Dummheit und ein Versuch, uns Bürger hinters Licht zu führen. Das soll wohl der Versuch sein, uns zu Lemmingen zu machen, die blind in grosser Schar einer dem anderen hinterherläuft, nur um am Schluss dann doch in den Abgrund zu stürzen.

    Zum Schluss noch dies: Wir sind ALLE aufgerufen, unseren Teil zur Umkehr beizutragen. Beginnen können wir im Kleinen, z.B. Einschränkung des Handygebrauchs, damit es nicht ständig an der Steckdosen zum Aufladen hängen muss. Fernseher aus, wenn nichts Gescheites läuft (was immer öfter der Fall ist). Elektrogeräte komplett vom Strom nehmen, wenn sie nicht in Gebrauch sind (kein Standby-Modus!). Kühl- und Gefrierschrank nicht auf Tiefsttemperatur einstellen (1 Grad weniger Kälte macht bereits einen deutlichen Unterschied). Einkauf von saisonalem Gemüse und Obst und Achten auf die Herkunft. Dann noch ein kleiner Tipp: Man kann einen Ausflug aufs Land machen und schauen, wo man regionale Produkte kaufen kann. Oft sind hier Obst, Gemüse, Eier und Mehl deutlich günstiger.

  3. Dem Kommentar von Pater Markus kann ich voll und ganz zustimmen, vor allem weil auch ich selbst schon in diese Richtung gedacht habe. Dennoch habe ich eine Frage. Bezüglich „Lebensmittel“, „Einkauf“ etc. ist es doch sicherlich nicht so, dass dies jeder der Mönche für sich alleine regeln kann. Gibt es auch in der Klosterökonomie derart veränderndes Denken und Handeln, oder bleibt es bei frommen Wünschen?

    1. Liebe Gerlinde+Willems, Sie fragen, ob es denn bei uns im Orden auch auf der Ebene der Gemeinschaft und nicht nur individuell ein ökologisches Umdenken gibt. Die Antwort ist Ja und Nein. Von den Beispielen, die Bruder Markus aufgeführt hat, wird tatsächlich vieles bei uns auch so umgesetzt. So haben wir als Ordensprovinz für unsere Häuser einen Rahmenvertrag mit einem kirchlichen Ökostrom-Anbieter. Unsere Geldanlagen für die Alterssicherung und den Gebäudeunterhalt unterliegen strengen ethisch-ökologischen Kriterien. In einer Reihe von Klöstern wird beim Lebensmitteleinkauf bewusst darauf geachtet, dass regionale, saisonale und womöglich biofaire Produkte bevorzugt werden. Viele Brüder bemühen sich, möglichst öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und grundsätzlich auf einen einfachen Lebensstil zu achten, also nicht unnötig zu konsumieren. – Aber ja, da ist noch Luft nach oben. Ich würde mir wünschen, dass wir als Franziskaner in noch mehr Bereichen der Nachhaltigkeit deutlicher vorangingen.

      1. Lieber Natanael

        Dann erlaube ich mir zu fragen: Wie sieht es denn mit dem Fleischkonsum aus? Die Fleischproduktion ist ressourcenverschlingend! Wasser und Getreide werden in Unmengen verbraucht. Wird hier Verzicht geübt oder gibt es nach wie vor mehrmals die Woche Fleisch und Wurstwaren auf den Tisch (wie ich es aus meiner Zeit im ersten Orden erinnere)? Ich denke, es kann nicht den einzelnen Hausgemeinschaften überlassen bleiben, wie weit sie umdenken und ihr Leben verändern. Da muss schon eher die neue Leitlinie „von oben“ ausgegeben werden. Das mag dem einen oder anderen nicht passen, da man sich als mündiger Mensch sieht. Aber wie ich in meinem Kommentar geschrieben habe: Man kann nicht darauf warten, dass irgendwann einmal irgendwer vorangeht oder gar alles nur den Anderen überlassen. Diese Zeit haben wir einfach nicht mehr. Und wenn der Franziskanerorden mit seinem konsequenten Umdenken und Handeln als gutes Beispiel voranginge , wäre das sicher ein aufrüttelndes Zeichen.

        1. Hallo Bruder Ralf
          Ich habe mir neulich T-Shirts gekauft (es war wirklich dringend nötig!) Aber ich habe über 30 Euro pro Stück ausgegeben, ökofair und regional produziert. War das nun ein Verstoß gegen die Armut? Dafür hätte ich in einem Discountmarkt einen 5er-Pack bekommen.
          Ich esse gerne Schnitzel mit Pommes oder Spaghetti mit einer Bolognese Sauce – ich bin kein Vegetarier. Aber: Ich verzichte seit Jahren komplett auf Fisch, nachdem ich eine Doku über die international gängigen Fangmethoden gesehen hatte und das Leid für Umwelt und Menschen, das dadurch erwächst. (Fun Fact: Es gibt ein Wort für Fleischverzicht, aber keines für Fischverzicht!)
          Aber letztendlich sind das einzelne, freiwillige gewählte Änderungen in meinem Leben, für die ich mich bewusst entschieden habe. Wir dürfen das auf gar keinen Fall anordnen, einfordern oder befehlen. Oder gar mit dem Finger aufeinander zeigen und einander beschämen oder ausgrenzen.
          Eher so wie der heilige Franziskus in seiner Regel rät: „Ich warne und ermahne sie, jene Leute nicht zu verachten oder zu verurteilen, die sie weiche und farbenfrohe Kleider tragen und sich auserlesener Speisen und Getränke bedienen sehen, sondern vielmehr soll jeder sich selbst verurteilen und verachten … Ich rate aber meinen Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, wenn sie durch die Welt ziehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen, noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und mit allen anständig reden, wie es sich gehört.“

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