03.03.2023 Bruder Franz Richardt

Ein hörendes Herz

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Franz Richardt

Hartmut Rosa hat im letzten Jahr einen Vortrag unter dem Thema „Demokratie braucht Religion“ veröffentlicht. Kurz zusammengefasst sieht er folgende Verbindung zwischen guter demokratischer Kultur und christlichem Glauben: Wachstum hat es immer gegeben. Aber in der Gegenwart muss es Wachstum geben, sonst geht es bergab. Daraus ergibt sich ein Aggressionsverhältnis zur Welt. Wir beuten die Welt immer mehr aus. Dies hat Rückwirkungen auf das politische Miteinander, in dem es einen harten Streit zwischen den Meinungen gibt und andere Meinungen als die eigene eigentlich nur wegmüssen „Halt dein Maul – ich habe Recht“.

Will man dieses Verhalten zueinander verändern, ist es notwendig, aufzuhören, im doppelten Sinn: Steigerungsmentalität stoppen und aufhorchen, wo uns von wo anders her Weisungen kommen. Dazu braucht es nicht nur im demokratischen Sinn das Recht, dass jeder eine Stimme hat, sondern dass auch Ohren dazu gehören, die die Stimme des anderen wahrnehmen und zunächst einmal akzeptieren.

Es braucht darüber hinaus ein „hörendes Herz“ (Salomo), das sich von einem Anruf von außerhalb berühren lässt und darauf antwortet (Resonanz). Dafür gibt es gerade im christlichen Glauben eine Kultur und ein Reservoir von Räumen, Geschichten, Riten, in denen sich das Hören mit dem Herzen ereignen kann.

Hören auf andere Stimme (Transzendenz), in Resonanz kommen, der Entfremdung entkommen, Zukunft ermöglichen – dazu kann das Christentum einen notwendigen Beitrag zur Demokratie leisten. Gregor Gysi hat zu diesem kleinen Buch ein – gerade auch die christliche Religion lobendes – Vorwort geschrieben.


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de.


Ein Kommentar zu “Ein hörendes Herz

  1. Lieber Bruder Franz Richardt

    Dein Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf.
    Vielleicht liegt es an der verkürzten Wiedergabe des Vortragsinhaltes von Hartmut Rosa, jedenfalls vermisse ich eine Begründung für die Aussage „Aber in der Gegenwart muss es Wachstum geben, sonst geht es bergab.“ Dieses Denken kann nur in einem entchristlichten Raum entstehen. Und die Wirtschaft ist solch ein Raum. Wer hier christliches Gedankengut einbringt, macht sich zur Zielscheibe für Spott und Ausgrenzung und ist ein willkommenes Mobbingopfer – und das auf allen Ebenen, vom einfachen Angestellten bis zum Firmenchef bzw. CEO. Aber warum ist das so? Und da liegt der Hund doch begraben. Weil die heutige Gesellschaft, besonders die jüngeren Generationen, vielleicht noch getauft, aber nicht mehr religiös sind. Und damit meine ich nicht nur, dass kein Interesse mehr am Rosenkranzgebet oder einer Maiandacht mehr besteht, sondern dass der christliche Glaube absolut keinen Stellenwert und keine Auswirkung mehr auf das Leben dieses Bevölkerungsteils hat. Und wer sich nicht vom Glauben, vom Evangelium inspirieren und leiten lässt, der gerät nur allzu leicht in das Fahrwasser der sogenannten „Freien Marktwirtschaft“ mit ihrem Konsumdenken und der Gier nach immer mehr. Denn das ist das neue goldene Kalb, um das man tanzt.
    Ich habe einmal den Satz gehört „Das Christentum ist Kommunismus in Reinform.“ Ob man das nun unterschreiben mag, das überlasse ich jedem selbst. Aber dieser Satz hat was, vor allem dann, wenn man all das Negative aussen vor lässt, das man mit Kommunismus verbindet (siehe UdSSR, DDR, Kuba, Nordkorea, China usw.) und sich mit den Schriften von Marx und Engels auseinandersetzt.
    Letztlich braucht es aber auch das nicht, wenn man sich allein auf das Evangelium konzentriert. Hier können wir doch ganz wunderbar lernen, wie wir uns zu verhalten haben – und das in jedem Teil unseres Lebens und jeder Facette unseres Denkens und Handelns.

    Nur, wie kommen wir dahin? Es fängt im Kleinen an, in unserem persönlichen Umfeld und in unseren Familien. WIR sind aufgefordert, das Evangelium zu leben. Nicht nur lesen und hören, sondern TUN! Dann können wir die Menschen um uns herum überzeugen. Und dann kann es gelingen, dass Eltern ihre Kinder wieder christlich erziehen und diese nicht nur zu Geschenke-Empfängern an Weihnachten, Ostern, Erstkommunion und Firmung werden. Und wir haben es als mündige Bürger doch ebenfalls in der Hand, Politiker zu wählen, die sich zum Christentum bekennen und entsprechend handeln. Diese Politiker haben auch letztendlich die Macht, sich der gierigen Wirtschaft entgegenzustellen und Bedingungen zu schaffen, die der Aubeutung unserer Welt, der göttlichen Schöpfung ein Ende bereiten.

    Am Schluss braucht es aber Mut, Mut zum Hören und Mut zum ersten Schritt. Hoffentlich ist es dafür noch nicht zu spät.

    Es gibt das Sprichwort „Bescheidenheit tut not.“ Das wäre doch ein kleiner erster Schritt in die richtige Richtung.

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