24.03.2023 Bruder Johannes Roth

Ernst, aber nicht wörtlich!

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Johannes Roth

Anfang März war ich mit einer kleinen Gruppe franziskanisch gesinnter Menschen unterwegs im Heiligen Land. Eine wesentliche Erkenntnis war dabei vielleicht überraschend.

Zehn Tage lang waren wir unterwegs auf den Fußspuren Jesu im Heiligen Land, in Israel und Palästina. Eine Region, die auf den ersten Blick alles andere als „heilig“ wirkt. In den Medien hört man viel von Terror, Gewalt und Hass, die dort herrschen. Im Land selbst bekommt man davon als Pilger oder Pilgerin recht wenig mit.

Vom Flughafen in Tel Aviv ging es ziemlich direkt mit dem Bus an den See Gennesaret, wo das öffentliche Wirken Jesu begann. Danach fuhren wir in den Süden, schauten uns die beeindruckende Festung Masada an und schwammen eine Runde im Toten Meer, bevor wir für zwei Nächte in Betlehem Halt machten. Die letzten Tage verbrachten wir in der sehr wuseligen und trubeligen Stadt Jerusalem.

In dieser Zeit prasselten viele Eindrücke und Sinneserfahrungen auf uns ein, wir führten theologische und politische Diskussionen, erfuhren viel über Land und Leute und haben viele Heilige Stätten besucht.

Eine Erkenntnis, die wir bereits am zweiten Tag durch ein Gespräch mit einem Benediktiner in Tabgha gewinnen konnten, trug sich durch die Tage hindurch und wurde immer wieder zitiert: „Wir nehmen die Bibel ernst, aber nicht wörtlich.“ Häufig wird an den Heiligen Stätten eines Heilsereignisses aus der Bibel gedacht. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir nicht genau, wo es tatsächlich stattgefunden hat. Dadurch dass viele Menschen aber daran glauben, sind es für mich „durchbetete“ Orte und damit auch heilige Orte. Auch für mich war das Wort prägend für diese Tage: „Wir nehmen die Bibel ernst, aber nicht wörtlich.“ Und manchmal dachte ich, wie wäre es, wenn wir dies auch auf andere Themen und Traditionen übertragen würden. Vielleicht würde dies manches erleichtern und verbitterte Grabenkämpfe auflösen. Der Satz wird mich persönlich noch etwas länger begleiten und hoffentlich auch viele andere.


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2 Kommentare zu “Ernst, aber nicht wörtlich!

  1. Lieber Bruder Johannes

    Liebend gern würde ich einmal in das Land gehen, in dem Jesus lebte und wirkte. Ob ich das jemals schaffen werde, weiss ich nicht. Du schreibst: „In den Medien hört man viel von Terror, Gewalt und Hass, die dort herrschen. Im Land selbst bekommt man davon als Pilger oder Pilgerin recht wenig mit.“ Das ist ziemlich verallgemeinernd. Ich würde da eher sagen „Glück für Euch!“. Frag doch einmal den neuen Abt der Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem, Nikodemus Schnabel, oder den Patriarchen von Jerusalem, unseren Mitbruder Pierbattista Pizzaballa OFM, und viele andere mehr. Touristen und christliche Pilger werden von Israelis aus dem rechten Spektrum angepöbelt und angespuckt. Es werden Stühle nach diesen Besuchern geworfen und es gibt Angriffe auf die Dormitio-Abtei. Tendenz steigend. Und solange eine ultrarechte Partei in Israel mitregiert, wird dies kein vorübergehendes Phänomen sein. Also nochmals, Glück für Eure Pilgergruppe, dass Ihr das nicht erleben musstet.

    Ob die heutigen Pilgerstätten tatsächlich die Orte sind, an denen Jesus gewirkt hat, das wird wohl nie eindeutig geklärt werden können. Aber wie Du sagst, das ist auch nicht wichtig, denn durch fast 2.000 Jahre Gebet an diesen Stätten, sind die Orte geheiligt. Umso bedauerlicher ist es, dass Christen in der Grabeskirche eifersüchtig auf jede noch so kleine Regel schauen geradezu wie ein Raubtier seine Beute beobachtet. Und jeder noch so kleine Verstoss gegen eine der Regeln führt gleich zu einem Streit. Christlich? Heiliges Land? Manchmal zweifle ich an beidem. Das Verhalten unter den Geschwisterkirchen ist alles andere als christlich und alle zusammen, die steitenden Christen und die gewalttätigen Israelis, machen das Heilige Land zu einem profanen Ort, an dem eben nicht das Gute herrscht. Reichen die Gebete an den Pilgerstätten aus, damit aus dem Heiligen Land kein unheiliges wird?

    1. Lieber Bruder Ralf,
      vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar zu meinem Beitrag. Ja, ich gebe Dir recht, dass die beiden von Dir zitierten Sätze etwas verallgemeinernd und vor allem kurz gefasst sind. Das liegt aber auch daran, dass ich in diesem Kommentar – der eine gewisse Länge nicht überschreiten sollte, weil es sonst kein Kommentar mehr ist – auf etwas anderes hinaus wollte. Zu diesem Thema könnte man einen eigenen Kommentar schreiben. Ich denke aber schon, dass man als Pilger und Tourist von den politischen Spannungen weniger mitbekommt. Auf der anderen Seite sehe ich auch mit Sorge auf die zunehmenden Angriffe auf Christen und christliche Stätten. Das betrifft aber eher die einheimischen Christen und Ordensleute als die Pilger, würde ich sagen. Ich habe dahingehend auch meine persönlichen Erfahrungen gemacht. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.
      Gerne möchte ich auch auf die von Dir beschriebenen Spannungen in der Grabes- und Auferstehungskirche reagieren. Ich nehme schon wahr, dass sich in den ökumenischen Beziehungen in dieser Kirche und wie sie gelebt werden, etwas positiv verändert hat. Zum einen sind da die verschiedenen Renovierungsarbeiten (Grab und Fußboden), auf die man sich verständigt hat und die reibungslos durchgeführt werden. Das wäre vor einigen Jahren wahrscheinlich so noch nicht denkbar gewesen. Zum anderen ist da auch der Status Quo zu nennen. Das ist wahrscheinlich die Vereinbarung, die im Heiligen Land am längsten Bestand hat. Außerdem nehme ich schon wahr, dass die Spannungen unter den verschiedenen Konfessionen weniger geworden sind, weil durch verschiedene Vereinbarungen und Aktionen Vertrauen entstanden und gewachsen ist.
      Auch zu dem Thema, ob das Heilige Land wirklich heilig ist, könnte man einen eigenen Kommentar schreiben.
      Denken wir weiterhin an die Menschen in Israel und Palästina und beten wir für Frieden dort und weltweit.

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