Bruder René Walke

Helden

<> Der Kommentar der Woche.

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren die Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder René Walke

In dieser Woche wurde der Attentäter von Christchurch zu lebenslanger Haft verurteilt. Im März 2019 tötete er 51 Menschen, die in Moscheen zum Gebet zusammengekommen waren. Rassistische und neonazistische Motive stehen hinter dieser Tat der Gewalt und des Hasses. Der Täter wird einerseits verurteilt und im Gerichtssaal teilweise von den Überlebenden beschimpft. Andererseits wird er in manchen Internetforen als Held gefeiert und seine Befreiung aus dem Gefängnis wird dort bereits angekündigt. Viele Menschen sind verständlicherweise in ihrer Wut gegen diesen Menschen verhärtet, die anderen feiern vielfachen kaltblütigen Mord als Heldentat.

Eine andere Heldentat in einem Gerichtssaal aus dem Jahr 2003: Der vielfache Frauenmörder Gary Ridgway bekommt seinen Schuldspruch in der Gerichtsverhandlung. Wie in Christchurch haben die Angehörigen der über 40 Opfer die Möglichkeit, Worte an den Täter zu richten. Viele lassen ihrer Wut freien Lauf und wünschen Ridgway die Hölle, der selbst wie mit eingefrorener Miene teilnahmslos wirkt. Robert Rule, der Vater eines der Opfer, betritt den Rednerplatz. Er ist Anfang 60, hat silbernes Haar, einen langen Bart und ausgeprägten Bauch. Er wirkt unsicher, als er sagt: „Mr. Ridgway, hier sind viele Leute, die sie hassen. Ich bin keiner von ihnen. Mein Glaube sagt mir, dass mir vergeben ist, dass uns vergeben ist. Sie machen es mir besonders schwer, das zu glauben – aber – ihnen ist vergeben.“ In diesem Moment bricht der sonst versteinerte Angeklagte in Tränen aus.

Von den Angehörigen der Opfer in Christchurch kann niemand verlangen, dass sie vergeben sollen. Es wäre pietätlos und unsensibel, dieses zu fordern. Allerdings überwiegen ein Jahr nach der Tat nicht der Hass und die Spaltung, sondern die Zeichen und Bekundungen der Solidarität. An einem Zaun im Botanischen Garten steht ein Banner mit der Aufschrift: „Dieser Akt des Hasses hat uns als Nation stärker vereint, Muslime und Nicht-Muslime. Sie sind wir und wir sind eins.“

Die Bürgermeisterin von Christchurch berichtet in einem Interview: „Die Muslimische Gemeinschaft hat zu Frieden und Liebe, zu Mitgefühl und Vergebung aufgerufen, das war sehr stark – und das hat es uns erlaubt, sie in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Woanders auf der Welt sieht die Reaktion anders aus, da geht es um Vergeltung und Strafe, um Wut – das hier war anders.“

Vergebung ist ein mutiger Akt und somit sind die Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft in Neuseeland für mich in dieser traurigen Geschichte die Helden.


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