11.03.2022 Bruder Franz Richardt

Da hilft nur noch beten!

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Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Franz Richardt

Erschreckend, was wir zurzeit erfahren müssen. Ein überlegener Aggressor greift ein unterlegenes Brudervolk an. Was lange nicht im Rahmen des Denkbaren lag, ist eingetreten: Krieg in der Nähe – mit vielen Toten und Flüchtenden, mit Verunsicherung, Angst, Teuerung und der Zerstörung eines einigermaßen verlässlichen Weltgefüges.

Eine von vielen Resonanzen lautet in dieser Gemengelage: „Da hilft nur noch beten!“ Und das ist von denen, die es sagen, sehr ernst gemeint!

Manchmal mag in dieser existentiellen Bedrohung im Hintergrund dunkel die Frage lauern: „Ja, hilft denn beten wirklich?“ Geschieht nicht sowieso, was der Machthaber vorhat? Ich erlebe diesen Einwand als eine Frage der Anfechtung. Ich erfahre nicht, dass Herr Putin den Rückzug anordnet, obwohl wir darum beten.

Also hilft beten? – Ja! – Wenn auch nicht in Erfüllung meiner, unserer Wünsche. Aber das Gehen ins Gebet bringt mich ernsthaft vor Gott. Ich werde still, lasse wirken, was mir das Gefühl von Ohnmacht gibt, weiche nicht aus und antworte nicht schnell. Ich spüre die Herausforderung, die Wirklichkeit an mich heranzulassen. Ich vergegenwärtige mir die Not derer, die flüchten, die sich in Kellern vor dem Unheil schützen, die sich den Angreifern entgegenstellen. „Not lehrt beten.“ Ja – aber es gilt auch: „Beten lehrt Not!“ Deswegen hat Beten Wirkung. Nicht, dass Gott so eingreift, wie ich es möchte. Wohl aber, dass ich es vor Gott aushalte, in die Abgründe menschlicher Gewalt und göttlicher Liebe zu schauen.

Bei dieser Art von Weltbetrachtung vor Gott gerate ich an Abgründe: an den Abgrund der menschlichen Gewalt und an den Abgrund der göttlichen Gewaltlosigkeit: „Ein Abgrund ruft den anderen“ (Psalm 42,8).


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de.


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