06.08.2021 Bruder Thomas Abrell

Erdüberlastungstag: Wer, wenn nicht wir!?

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Thomas Abrell

Ich würde ja gerne mehr Steuern bezahlen, aber der Staat hebt seine Steuersätze ja nicht an. Immer wenn der Ruf nach einer höheren Besteuerung großer Einkommen laut wird, bringen Medien mindestens einen Millionär, der sich in dieser Weise äußert. Ich frage mich dann, warum tut er es nicht freiwillig? Muss dazu der Staat erst tätig werden? Ich glaube nicht, dass hier Freiwilligkeit bestraft werden würde. Und es ist nicht die einzige Gelegenheit, bei der nach dem Staat gerufen wird. Vor kurzem brachten Gewerkschaftsvertreter eine 4-Tage-Arbeitswoche ins Spiel, bei vollem Lohnausgleich. Im Bewusstsein, dass das nicht für alle Firmen leistbar wäre, kam gleich der Vorschlag dazu, dass hier sich ja der Staat an der Finanzierung der Löhne beteiligen könne. In einem Interview zum Thema „Klimawandel“ forderte eine Vertreterin von fridays for future allein ein engagiertes Handeln der Politik ein, um dem Problem der Erderwärmung beizukommen. Bei Vorschlägen, die eine Verhaltensänderung der Menschen bewirken könnten, winkte sie ab. Drei Beispiele, wo meiner Meinung mit Freiwilligkeit vieles möglich wäre.

Ich habe ein positives Menschenbild. Das schließt mit ein, dass Menschen zu verantwortlichen Entscheidungen fähig sind. Es widerspricht diesem Bild, wenn unangenehme Entscheidungen an die Verantwortlichen einer Gesellschaft abgeschoben werden. Die Ausrede, dass es ja keine entsprechenden Gesetze gibt, spricht nicht für ein vernunftbegabtes Wesen. Niemand wird daran gehindert, dass er nicht unabhängig vom Gesetzbuch vernünftig handelt. Das mag zwar manchmal von Nachteil sein, aber wir sind selbst für unser Leben verantwortlich, sowohl persönlich als auch als Gesellschaft, eine Verantwortung, die uns niemand abnehmen kann.

Am 29. Juli war der diesjährige Erdüberlastungstag. Damit wurden alle Ressourcen verbraucht, die uns die Natur für dieses Jahr zur Verfügung gestellt hat. Ab sofort leben wir auf Pump der nachfolgenden Generationen. Im Klartext heißt das, wir, die Individuen und die Betriebe, leben über unsere Verhältnisse, nicht ein Staat. Dieser kann zwar den Rahmen für einen besseren Klimaschutz abstecken, doch ist das wirklich eine notwendige Voraussetzung? Verantwortliches Handeln wartet nicht, bis es durch entsprechende Gesetze erzwungen wird. Mit Blick auf unseren Ressourcenverbrauch sind der sparsame Umgang mit Energie und Wasser, der Verzicht auf Plastik, eine veränderte Mobilität Beispiele, wie eigenverantwortliches Handeln aussehen kann. Da unseren Ressourcenverbrauch zu verringern, ist auch ohne entsprechende Gesetze möglich. Das haben wir selbst in der Hand.


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2 Kommentare zu “Erdüberlastungstag: Wer, wenn nicht wir!?

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    Heft 3/2021 ist (wie die anderen Vor-Zeitschriften) ein thematisch sehr ansprechendes, vielfältiges, anspruchsvolles Heft. Großes Kompliment an alle Beteiligten!

  2. Lieber Bruder Thomas

    Wie Du schreibst, hast Du ein positives Menschenbild. Ich meine es ganz ehrlich, wenn ich sage, dass mich dies freut. Vielleicht ist das möglich, wenn man in einer klösterlichen Gemeinschaft lebt und die Aussenbeziehungen sich auf Mitglieder der Kirchengemeinde beschränken. Auch das ist nicht negativ gemeint. Schauen wir doch mal auf das, was z.B. ich in meiner Umwelt sehe, im täglichen Leben und ausserhalb der Gemeinde. Zu Beginn der Pandemie klang es noch ganz euphorisch, dass die Menschen sich wieder aufs Selbermachen und Wiederverwerten besinnen. Eine Chance für die Umwelt! Was ist davon heute übrig geblieben? OK, es gibt Leute, die einen Garten haben und sich ein paar Hühner halten und Salat und Gemüse selbst anbauen. Die Verkaufszahlen für E-Autos, E-Bikes, E-Roller steigen. Die Politik freuts und manch einer denkt, er könne sich jetzt zurücklehnen und müsse nichts mehr zur Klimaverbesserung beitragen. Nimmt man jetzt noch die Verkaufszahlen für Handys dazu, dann sollten langsam und allmählich die Alarmglocken läuten bei allen, die sich ein wenig mit der Herstellung all dieser Produkte auskennen. Das Augenmerk liegt da besonders auf den Batterien, die für diese Dinge gebraucht werden. Die Rohstoffe für die Produktion werden knapper. Es müssen immer neue Landstriche umgegraben werden, um an diese Stoffe heranzukommen. Wertvolles Land für die Lebensmittelproduktion geht verloren, Menschen werden vertrieben – und von der Umweltverschmutzung als „Nebenprodukt“ einmal ganz zu schweigen. Die Informationen zu all diesen Dingen sind offen zugänglich. Aber nur wenige Menschen erweisen sich da als „mündige Bürger“ und lesen diese Infos. Schon gar nicht folgen Konsequenzen aus diesem Informieren oder nur bei den wenigsten. Freiwilligkeit beim Verzicht? Wohl kaum! Ich war nun schon lange nicht mehr in Deutschland und weiss daher nicht, wie es in den Städten und auf dem Land aussieht. Hier in der Schweiz muss man feststellen, dass das Littering stark zugenommen hat. An allen Strassen, auch den eher weniger benutzten Landstrassen, liegt der Verpackungsmüll (Platikgefässe / -flaschen und Aluminiumdosen), achtlos odr bewusst aus dem fahrenden Auto geworfen. Nicht zu vergessen, die lieben „umweltbewussten“ Fahrradfaher hinterlassen ebenfalls ihre Spuren. Ganz zu schweigen von den Hygienemasken, die man allerorten findet. Mündige Bürger? Intelligente Bürger? Ich bezweifle das sehr. Ein positives Menschenbild? Nein, eher nicht. Aussicht auf Veränderung? Ich möchte es einmal so ausdrücken: Die Menschheit rast in einem Wahnsinnstempo dem Abgrund entgegen, wissentlich und in permanenter Partylaune. Wie also soll dem entgegengewirkt werden? Die Freiwilligkeit sehe ich da nicht als Mittel der Wahl. Das funktioniert nicht, wie man sieht. Also muss es doch etwas oder jemand sein, der lenkend – stark lenkend – eingreift und regelt. Das ist und bleibt nun mal der Staat. Und es zeigt sich immer wieder, dass eine Wirkung nur dann eintritt, wenn es wehtut. Wenn es den Menschen im Geldbeutel wehtut. Vielleicht nicht das beste Beispiel, aber eines, das zeigt, dass es genau auf diese Weise funktioniert: Singapur. Und es braucht letztlich auch einen Staat, der tatsächlich willens ist, eine Veränderung herbeizuführen. Ein Staat, der nicht von der Wirtschaft erpressbar ist. Ein Staat, dessen Parlamentarier nicht als Lobbyisten für bestimmte Wirtschaftszweige fungieren. Und vor allem ein Staat, der nicht denkt, wir hätten noch 30 Jahre Zeit, bis wir eine Klimaneutralität erreicht haben sollten. Denn Wissenschaftler sagen, dass, selbst bei einer 180°-Umkehr am heutigen Tag, die Auswirkungen frühestens in 2 bis 3 Generationen zu spüren sein werden.

    Lieber Thomas, ich lasse mich gern von einem positiven Menschenbild überzeugen. Aber bis dahin bleibt meines eher pessimistisch, ja sogar negativ.

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