Christof Wolf SJ

„Komm heiliger Geist…“

Meditation zu Pfingsten

Komm Heiliger Geist… – Pfingstflamme;
Bild von Bruder Gabriel Gnägy OFM.

Wo Gottesfurcht den Hochmut vertreibt und Frömmigkeit den Neid, da wirkt der Heilige Geist. Wo Wissenschaft und Objektivität den Zorn zum Schweigen bringen, und wo Stärke und Mut im Kampf für Gerechtigkeit die Trägheit besiegen, da wirkt der Heilige Geist. Wo guter Rat und Hilfe sich barmherzig an andere verschenken, so dass die Habsucht keine Macht hat, und wo der Verstand sich auf die Wahrheit richtet und so alle Unmäßigkeit und Verzerrung überwindet, da wirkt der Heilige Geist. Wo Weisheit inneren Frieden schafft und so der rastlosen Suche nach immer neuem Genuss ein Ende setzt, da wirkt der Heilige Geist.

Bonaventura 1268

Der heilige Bonaventura hat viel über die Natur Gottes nachgedacht. Über den Heiligen Geist schreibt der Franziskaner im Jahr 1268 „Collationes de septem donis Spiritus sancti“ (Über die sieben Gaben des Heiligen Geistes). Heiliger Geist ist für ihn ein Beziehungsgeschehen. An der Qualität von Beziehungen sehen wir, wo der Geist Gottes wirkt. Ausgehend von Paulus, „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22-23), entwickelt Bonaventura sein eigenes System: Jede Gabe hat einen Gegensatz und einen Zustand der Vollendung:

Gottesfurcht (1) vollendet sich in der Armut im Geiste und hat als Gegenteil den Hochmut. Dieser macht die anderen klein. Hochmut ist Beziehungslosigkeit, man verliert den anderen aus dem Blick und baut nur auf sich. Demut dagegen eröffnet ein Beziehungsgeschehen.

Frömmigkeit (2) vollendet sich in Güte und Milde und ihr Gegenteil heißt Neid. Neid ist Beziehungsgift. Wer neidisch ist, ärgert sich über die Existenz des anderen, empfindet ihn als Störung, kann sich nicht mit ihm freuen über die Gaben Gottes. Fromm ist also nicht der Frömmler, sondern wer den anderen nichts neidet.

Wissenschaft (3) vollendet sich in der Gabe der Tränen und hat als Gegenteil den Zorn. Zorn und Wut zerstören Beziehungen, auch in der Politik, wenn Wutbürger das Sagen haben. Ein Wissenschaftler schaut die Welt zunächst objektiv an, wie der Astronom unterm Sternenzelt, er nimmt die Wirklichkeit wahr und wird dann von ihrer Erhabenheit zu Tränen gerührt.

Stärke (4) vollendet sich im Hunger nach Gerechtigkeit und hat als Gegensatz die Trägheit. Wer träge ist, bleibt selbstbezogen. Trägheit ist ein Beziehungskiller. Wie viele Beziehungen gehen an Trägheit und mangelndem Mut kaputt, an der Verschieberitis, am selbstgefälligen Nichthandeln. Der Hunger nach einer besseren Welt schafft Beziehung und Gerechtigkeit.

Rat (5) vollendet sich in der Barmherzigkeit und hat als Gegenteil die Habsucht. Habsucht richtet sich gegen Beziehungen. Wer habsüchtig ist, mag dem anderen keinen guten Rat geben, weil er alles für sich behalten will. Guter Rat ist teuer, und der Habsüchtige gibt etwas Teures bestimmt nicht her.

Verstand (6) vollendet sich in Herzensreinheit, und sein Gegensatz heißt Unmäßigkeit. Der Verstand richtet sich auf die Wahrheit aus, die Unmäßigkeit ist eine Verzerrung. So wie wir heute die Natur ausbeuten, gefährden wir das Leben der nachfolgenden Generationen. Das ist Unmäßigkeit, gegen jeden Verstand. Sie beschmutzt unsere Herzen. Würden wir dem Verstand folgen, wäre unser Herz rein, wie die Beziehung zu denen, die nach uns kommen.

Weisheit (7) vollendet sich im Frieden und hat als Gegenteil die Unkeuschheit. Der Weise lebt im Frieden mit sich und anderen. Er ruht in sich und stiftet Frieden. Der Unkeusche ist friedlos. Er kann nie genug bekommen vom Sinnengenuss, er ist der Getriebene, der nichts und niemandem die Treue halten kann, weil er von einer Sensation zur anderen jagt.


Als Giovanni um 1221 in Bagnoregio (Italien) geboren wird, ahnt noch keiner, was aus dem Jungen werden wird. Der Kleine ist schwer krank, und seine Mutter bringt ihn zum Hl. Franziskus, der Giovanni segnet – und tatsächlich wird er gesund. In die Geschichte eingegangen als einer der großen Philosophen und Theologen der Scholastik ist er unter dem Namen Bonaventura. Der Legende nach verdankt er seinen Namen dem hl. Franziskus, den die Mutter mit dem fünfjährigen Giovanni nochmals besuchte, und der ausgerufen haben soll: „O buona ventura!“ (gute Zukunft). Später selbst Franziskaner geworden, schreibt Bonaventura die einzige vom Orden als authentisch akzeptierte Biographie des heiligen Franziskus und überdies eine Fülle von philosophischen und theologischen Schriften.

Der hl. Bonaventura stirbt im Alter von 57 Jahren während des zweiten Konzils von Lyon anno 1274. Seinen Gedenktag feiern wir am 15. Juli.


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