„Sohn Gottes, Jesus, durch dich wurde alles erschaffen. In Marias Mutterschoß nahmst du menschliche Gestalt an; du wurdest Teil dieser Erde und sahst diese Welt mit menschlichen Augen. Jetzt lebst du in jedem Geschöpf mit deiner Herrlichkeit als Auferstandener. Gelobt seist du.“ (Enzyklika von Papst Franziskus: Laudato si‘ 246)
Unser christlicher Glaube gründet im Gedanken der Menschwerdung Gottes. In Jesus Christus wird Gott Teil seiner Schöpfung und sieht die Wirklichkeit aus der Perspektive „Mensch“, das heißt: mit menschlichen Augen. Wir sind als Menschen Teil dieser Erde, und doch müssen wir lernen, die Welt auch mit menschlichen Augen zu sehen. Wir sollten also versuchen, uns in sehr unterschiedliche Lebensrealitäten von Menschen hineinzuversetzen: beispielsweise die Perspektive von Menschen auf der Flucht einzunehmen, mit ihrer Angst vor Verfolgung oder vor dem Verhungern und ihrer Hoffnung, mit der Flucht ein Land zu erreichen, wo sie ihrer Not entkommen und menschenwürdig leben können. Oder auch die Lebenswirklichkeit mit den Augen eines Arbeiters in den Kobaltminen zu sehen, der Tag für Tag einer vergifteten Atemluft ausgesetzt ist und dabei noch nicht mal einen Lohn erhält, der ihn für die Beeinträchtigung seines Lebens entschädigt.
Mit menschlichen Augen sehen heißt: Andere Menschen nicht als Konkurrent oder Konkurentinnen im Kampf um Wohlstand, sondern als Partner und Partnerinnen auf Augenhöhe zu betrachten, mit den gleichen Rechten auf ein menschenwürdiges Leben, wie wir es für uns erwarten. Der menschgewordene Sohn Gottes lebt in jedem Geschöpf. Alle Geschöpfe sind deshalb in Jesus miteinander verbunden. Aus dieser Verbundenheit können wir uns nicht lösen, wir können sie nur leugnen. Aber dann würden wir uns selbst verleugnen, indem wir uns die Verbindung mit Gott absprechen. Doch selbst wenn wir es wollten, wir können uns nicht aus dem gemeinsamen Haus der Schöpfung herauslösen. Wir können uns nur darum bemühen, als Teil der Schöpfung zu leben, und unser Möglichstes tun, dass diese Welt allen – Menschen, Tieren und Pflanzen – einen Raum bietet, der ein Leben in Würde ermöglicht – heute und in Zukunft.