27.07.2021 Bruder Thomas Abrell

Laudato Si – Nachgedacht (4)

Die Umweltenzyklika unter der Lupe

Noch ist die Ressource Holz scheinbar ausreichend verfügbar. Nicht nur in den Gebieten des Amazonas, sondern auch in Europa sind die Wälder zunehmend durch einen unkontrollierten Raubbau der Wälder gefährdet. Es gibt kaum noch intakte Bergwälder in den alpinen Regionen. Bild von Archiv Deutsche Franziskanerprovinz.

Die Umwelt ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit und eine Verantwortung für alle. Wenn sich jemand etwas aneignet, dann nur, um es zum Wohl aller zu verwalten. Wenn wir das nicht tun, belasten wir unser Gewissen damit, die Existenz der anderen zu leugnen. Deshalb haben die Bischöfe von Neuseeland sich gefragt, was das Gebot „Du sollst nicht töten« bedeutet, wenn „zwanzig Prozent der Weltbevölkerung Ressourcen in solchem Maß verbrauchen, dass sie den armen Nationen und den kommenden Generationen das rauben, was diese zum Überleben brauchen.“ (Enzyklika von Papst Franziskus: Laudato si‘ 95)

„Die Umwelt“ ist für mich ein eher abstrakter Begriff. Natürlich denke ich dabei an die Natur und die Menschen, mit denen ich zusammenlebe, und manches andere mehr. Doch wann muss ich mich damit auseinandersetzen, dass etwas nicht für mich reichen könnte? Es ist doch alles im Überfluss da. Dieses Gefühl hat in diesem Jahr einen Knacks bekommen. Als damit begonnen wurde, gegen Corona zu impfen, gab es plötzlich eine Warteliste. Es war klar: Der Impfstoff reicht nicht sofort für alle, er ist begrenzt. Ganz schnell wurde diskutiert, ob die Einkaufsstrategie nicht falsch war, weil andere auch etwas bekamen. Gilt hier nicht entsprechend: Der Impfstoff ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit?

Die aktuelle Pandemie lässt sich nur in den Griff bekommen, wenn alle Menschen Zugang zur Ressource Impfstoff haben. Da hilft es nicht, Grenzen abzuriegeln und Handelsströme zu kontrollieren. Viren lassen sich so nicht stoppen. Nur wenn ich anerkenne, dass alle Menschen eine Chance auf Impfung haben, lassen sich Infektionen auf Dauer einschränken. So gedacht ist der Impfstoff ein kollektives Gut und erinnert an andere Güter, die es gilt, zum Wohl aller zu verwalten. Die Erfahrung, auf ein wichtiges Gut warten zu müssen, sollte ein Anstoß sein, die anderen Ressourcen in den Blick zu nehmen, die uns scheinbar grenzenlos zur Verfügung stehen. Letztlich sind auch sie begrenzt, und ich verbrauche heute vielleicht schon das, was morgen notwendig wäre.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner / Sommer 2021


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