Von Bruder Helmut Schlegel ofm und Ricarda Moufang (Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität, Frankfurt)

Das Wunder der Menschen

Schöpfung: Wer staunt, fängt an zu glauben …

Wir laden Sie zu vier Schritten ein: staunen – hören – glauben – tun.

Eine fröhlich staunende Menschenmenge: Bild von Bruder Michael Blasek
Eine fröhlich staunende Menschenmenge: Bild von Bruder Michael Blasek

staunen

„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott.“ So steht es in Psalm 8. Christen glauben: Gott hat den Menschen nach seinem Bild erschaffen, als Mann und Frau. Aufrecht stehen Menschen zwischen Erde und Himmel, und nur der Mensch fragt nach Gott, nach einem Lebenssinn, nach Gerechtigkeit und Wahrheit.

Der menschliche Organismus lädt fortwährend zum Staunen ein. Allein, wie die Organe miteinander vernetzt sind; das milliardenfache Geschehen, das sich auf der Zellebene abspielt; wie das vegetative Nervensystem für eine reibungslose Energieaufnahme sorgt und wie Glücks- und Schlafhormone im Gehirn dafür zuständig sind, dass wir uns gut oder matt fühlen.

Die Evolution hat den Menschen mit einem Gehirn ausgestattet, das Bewusstsein entwickelt hat. Der Mensch weiß um seinen Tod. Er hat Gefühle wie Liebe und Mitleid. Der Mensch kann planen, erfinden, kreativ sein. Der Mensch lernt. Er kann die Naturgesetze erkennen – er hat auch die mathematischen Gesetze erkannt, nach denen das Universum funktioniert. Gerade Physiker sind immer wieder davon überrascht, dass der Kosmos tatsächlich nach diesen Gesetzen funktioniert!

Keine Spezies kann so liebevoll, keine Spezies kann so grausam sein wie der Mensch. Das Wissen um Gut und Böse und die Freiheit, zwischen beidem zu wählen – auch das ist ein Wunder und gleichzeitig die größte Herausforderung. Es wird immer deutlicher, dass das „Wunder Mensch“ nur überleben wird, wenn alle Menschen zusammenarbeiten und sich für die Bewahrung der Schöpfung, für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen.

Staunen wir also über uns selbst und über die Liebe Gottes, die sich im Wunder der Schöpfung und in Jesus Christus gezeigt hat.

hören

Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt: Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde! (Ps 8,5-7.10)

glauben

Bewahre mich Gott, vor menschlichem Hochmut.
In vielem übertreffen mich die anderen Geschöpfe –
die Zirruswolken, die Ginstersträucher oder die
Schimpansen. In der Klarheit ihres Daseins, in der
Treue ihrer Hingabe, in der Kunst des Überlebens.

Was mich so anders macht: Ich kann mich selbst
erkennen, ich weiß, dass ich Geschöpf bin, ich kenne
meine Größe und auch meine Endlichkeit.

Was mich hervorhebt: Mein Geist kann zum Himmel
blicken. Demut ist sein besonderes Talent,
und seine Freude ist die Dankbarkeit.

Was mich hervorhebt: Mein Geist kann zum Himmel
blicken. Demut ist sein besonderes Talent,
und seine Freude ist die Dankbarkeit.

tun

Ich mache mich mit meinem Körper vertraut. Ich lerne, seine Grenzen zu respektieren: seine Müdigkeit am Abend, seine Anfälligkeiten und Krankheiten. Ich lasse ihm die Pflege zukommen, die ihm guttut.

Ich mache mich mit meiner Seele vertraut. Welche Gedanken beschäftigen mich? Welche Gefühle sind vorherrschend? Welche Sorgen quälen mich?
Ich übe die geistliche Unterscheidung und frage: Woher kommen meine inneren Bewegungen? Kommen sie aus Angst und Mutlosigkeit oder aus Kraft und Entschiedenheit? Führen sie zu mehr Trost und Frieden oder zu mehr Zerrissenheit und Unruhe?

Ich nehme die Menschen, die mir begegnen, mit ins Gebet. Ich bete weniger darum, dass dies oder jenes mit ihnen geschieht, sondern ich bringe sie einfach vor Gott und übergebe sie seiner Führung.

 

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2014