Bruder Franz Richardt

Mit Leib und Seele beten

Eine alte Gebetsweise neu entdeckt

Gebetsweisen des Heiligen Dominikus. Miniaturen aus dem Codex Rossianus (3), aufbewahrt in der Vaticanischen Bibliothek. Bild von Ordine dei Predcatorie, Provincia San Domenico in Italia, Domenicani del Nord Italia.
Gebetsweisen des Heiligen Dominikus. Miniaturen aus dem Codex Rossianus (3), aufbewahrt in der Vaticanischen Bibliothek.
Bild von Ordine dei Predcatorie, Provincia San Domenico in Italia, Domenicani del Nord Italia.

„Ich bin immer wieder überrascht, wie dankbar Besucherinnen und Besucher in Seminaren sind, wenn ich Sie – falls es passt – zu einem Körpergebet einlade. Die Gebetshaltung ist einfach:“

  • Ich stehe vor dem lebendigen Gott und hebe an meinen Armen (Handflächen nach unten) empor, was am Tag auf mich zukommen wird.
  • Dann öffne ich die Hände nach oben, lockere die Arme bis in die Schulter hinein (Wie wenn ich einen Rucksack absetze).
  • Ich halte Gott in annehmender Haltung hin, was meine Tageswirklichkeit ausmacht.
  • Ich hebe die Hände zum Himmel und bitte Gott um seinen Segen.
  • Den ich dann anschließend mit meinen Händen symbolisch in meine Herzmitte lege.
  • ihn aber nicht bei mir allein behalte, sondern die Arme ausbreite
  • und mit nach unten weisenden Handflächen auf die Menschen und Situationen lege, denen ich an diesem Tag begegnen werde.
  • So wird die Rundbewegung zu einer runden Sache. Die Leute sagen mir im Anschluss oder in der Abschlussreflexion des Seminars, wie sehr ihnen diese Verbindung von Körperbewegung und Gebet, von Tun und Denken, gutgetan hat.

Körperhaltungen im Gebet

Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen. Oft bewirkt die Haltung des Körpers ein inneres Gespür für die Tiefen- und Weite-Dimension meines Lebens; und oft ist es umgekehrt, die Versenkung in die Tiefe und Ruhe des Atems bewirkt körperliche Haltungsänderungen – oft mit der Erfahrung verbunden, sich augenblicklich lockerer, geweiteter und aufmerksamer zu fühlen.

Dieses Wissen um den Leib-Seele-Zusammenhang ist nicht neu. Ein Text, der vor 1280 entstanden ist, trägt die Überschrift „Wie der selige Dominikus leiblich betete.“ Dieser Text ist später mit Bildern versehen worden und so zu einer Schule des Betens geworden. Darin werden ganz unterschiedliche Körperhaltungen mit entsprechender Gebetshaltung verbunden.

Auch beim heiligen Franziskus finden sich viele Hinweise auf diesen Leib-Seele-Zusammenhang, der das Beten beeinflusst. „Er erfüllte die ganze Welt mit dem Evangelium Christi, indem er oft an einem einzigen Tag vier bis fünf Flecken oder auch Städte durchzog und überall die frohe Botschaft vom Reiche Gottes verkündete. Dabei hatte er seinen ganzen Leib zur Zunge gemacht, um seine Zuhörer durch das Beispiel nicht weniger als durch das Wort zu erbauen“, so Thomas von Celano. Die innere Gebetsverbindung mit dem Gekreuzigten drückt sich bei Franziskus in seinem Leib aus: „denn wie sein Geist im Innern den gekreuzigten Herrn angezogen hatte, ebenso sollte sein ganzer Leib das Kreuz Christi auch äußerlich anziehen.

Der Zusammenhang von Körperhaltung und Gebet wird auch immer wieder bewusst, wenn man bei einer Konferenz ansagt: „Lasst uns mit einem Gebet beginnen!“ Stets ist zu beobachten, dass sich fast alle Teilnehmer für diesen Augenblick des Gebets körperlich bewegen und eine andere Haltung einnehmen. Sie richten sich auf, stellen beide Füße auf den Boden, geben dem Brustkorb Raum zu freiem Atem, senken die Augen und falten die Hände. Was hier Spontan passiert, ist ein Hinweis darauf, dass auf dieses „Lebenswissen“ zurückgegriffen werden kann, um den Körper auch bewusst in das Gebet einzubeziehen.

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Sommer 2016


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