Als Schwestern und Brüder aus verschiedenen Ordensgemeinschaften im Erzbistum Paderborn haben wir uns im Rahmen eines Studientages mit Frau Professorin Agnes Wuckelt eingehend mit dem Synodalen Weg befasst. In zwei Gruppen wurden vornehmlich die Themen „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ bearbeitet. Dabei ist uns bewusst geworden, dass die Kirche auch von Orden und geistlichen Gemeinschaften lernen kann.
Dringenden Erneuerungsbedarf sehen wir im Leitungs- und Führungsstil der katholischen Kirche. Die synodale Struktur sollte als Leitlinie dienen: Aufeinander hören, immer wieder zuhören, nachfragen, Meinungsverschiedenheiten mit Respekt voreinander austragen, Gegensätze aushalten, manchmal auf schnelle Entscheidungen verzichten, um einen möglichst breiten Konsens zu finden. Das führt einerseits zu mehr Transparenz, andererseits aber auch zu größerer Akzeptanz von Entscheidungen.
Ordensleute verstehen das Leitungsamt auf jeder Ebene – Generalebene, Provinzebene oder Konventsebene – als ein Dienstamt an der Gemeinschaft, als ein Hinhören auf den Einzelnen und auf die Gemeinschaft als Ganzes. In den jeweiligen Konstitutionen ist das Prinzip der Subsidiarität fest verankert. Auch demokratische Strukturen gehören zu unserem Selbstverständnis. Gleichzeitig werden in vielen Klöstern und Gemeinschaften die Leitungen auf Zeit gewählt bzw. ernannt. Auf die Gesamtkirche bezogen stellen wir uns die Frage, warum es nicht möglich sein sollte, kirchliche Leitungsämter auf Zeit zu übertragen.
Eine weitere Frage, mit der wir uns auseinandergesetzt haben, lautet: Wie kommen Menschen in ein kirchliches Amt? Kann z. B. ein Bischof – wie dies in der frühen Kirche selbstverständlich war – nicht auch vom gesamten Kirchenvolk, bzw. von den Gemeinden und den kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einer Diözese gewählt werden?
Die theologische Diskussion um die Frage, ob die Kirche „die Vollmacht habe, Frauen zu Priesterinnen zu weihen“ wird z. Zt. hauptsächlich von Vertretern des Lehramtes und der Theologie geführt. Letztlich geht es um die Frage der Christusrepräsentanz: Ist diese an das männliche Geschlecht, bzw. an den geweihten Priester gebunden? Dazu gibt es eine Reihe von Gegenargumenten: Im Neuen Testament kann man entdecken, wie anerkennend und wertschätzend Jesus mit Frauen, die in seiner Nachfolge standen, umgegangen ist. Dazu kommt, dass Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu waren. Paulus nennt die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Apostel. Jesus hat sowohl Männer als auch Frauen ausgesandt, seine Botschaft vom Reich Gottes in Wort und Tat zu verkünden. Wir Ordensleute versuchen dies auf sehr unterschiedliche Art und Weise zu leben.
Darüber hinaus fragen wir uns: Welche Bedeutung hat die persönliche Berufung? Auch Frauen fühlen sich zu sakramentalen Diensten und Ämtern berufen. Das muss wahr- und ernstgenommen, aber vor allem wertgeschätzt werden. Ein Blick in die Weltkirche zeigt, dass Frauen (nicht nur) in Ermangelung von geweihten Priestern Gemeinden leiten. Sie begleiten Menschen seelsorglich und sind in der Verkündigung tätig. Ganz selbstverständlich bauen sie dort Gemeinden und Kirche auf, und sie tun das, was zu tun ist. Auch hier ist eine Parallele zu zahlreichen Ordensfrauen weltweit zu ziehen, die ganz selbstverständlich in der Diakonie, in Verkündigung und Katechese, aber auch in der Liturgie tätig sind. Bei uns in Deutschland gibt es Frauen als geistliche Begleiterinnen und in vielen anderen pastoralen Diensten, die sich mit ihren Charismen einbringen und sie authentisch leben. Das charismenorientierte Handeln wird auch im Zukunftsbild der Erzdiözese Paderborn eingefordert. Es geht darum, hier als Kirche auf das Wirken der göttlichen Geistkraft zu vertrauen und nach Wegen zu suchen, wie die Menschen den Glauben an Gott und die Gemeinschaft der Christen für sich als Hilfe, Orientierung und Halt entdecken können.
Wir glauben, dass die Kirche in Deutschland den Orden und geistlichen Gemeinschaften viel zu verdanken hat. Auch in Zukunft wollen wir durch unser Zeugnis und durch unsere Dienste unseren Beitrag zum Aufbau einer lebendigen Kirche leisten. Orden und geistliche Gemeinschaften sind zu allen Zeiten ungewohnte, neue Wege gegangen. Deshalb können sie für die Kirche vor Ort ein Vorbild darin sein, allzu selbstverständlich Gewordenes zu verlassen und in unbekannte Sphären aufzubrechen. Das bedeutet nicht, dass in der Vergangenheit alles falsch war, sondern dass das Volk Gottes fähig ist, seinem Glauben im Alltag immer neuen Ausdruck zu verleihen. Dies ist ein Weg ständiger Umkehr, aber auch kluger Experimente – mit einer Offenheit für neue Aufbrüche und Wandlungen; ein Weg, der sicher nicht leicht ist. Dazu ist nicht nur Entschlossenheit erforderlich, sondern vor allem Mut zur Anerkennung der Berufungen und Charismen vieler Frauen und Männer, die aus einer tiefen Christusverbundenheit ihr Leben gestalten wollen. Es braucht Mut, den Gnadengaben, die Gott schenken will, Raum zu geben und sie zu fördern.
Unser Leben als weltweite Kirche fordert uns heraus, geschwisterlichen Austausch zu pflegen und alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft, Vergangenheit, Religion, Weltanschauung, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung – als Kinder Gottes zu achten. Viele Ordensgemeinschaften sind weltweit vernetzt und setzen sich in allen Kontinenten für die Grundrechte der Menschen und einen geschwisterlichen Umgang miteinander ein.
Deshalb setzen wir große Hoffnung auf den Synodalen Weg hier in Deutschland als eine zeitgemäße Form, Veränderungen in Kirche und Gesellschaft zu gestalten und zu begleiten.