08.04.2020 Bruder Cornelius Bohl

Ostern verschieben? Nein, jetzt erst recht!

Osterimpuls von Provinzialminister Cornelius Bohl

Ostern passiert, wenn uns der Auferstandene begegnet – egal, ob unterwegs wie bei den Emmausjüngern oder durch verschlossene Türen hindurch. Bild von Archiv Deutsche Franziskanerprovinz.

Ich habe das zunächst für einen Witz gehalten, aber es wurde tatsächlich diskutiert, ob man das Osterfest aufgrund der Corona-Pandemie nicht verschieben sollte. Was wäre denn ein günstiger Zeitpunkt für Ostern? Müssen dazu die Restaurants offen haben, damit man gut essen gehen kann? Schönes Frühlingswetter sollte auf jeden Fall garantiert sein! Und, ja, natürlich, reisen sollte man können, je nach Geschmack und Geldbeutel zu einem Verwandtschaftsbesuch mit Feiertagsspaziergang um die Ecke oder zu einem Kurzurlaub auf die Malediven.

Es ist ungewohnt und schmerzlich, die Kar- und Ostertage ohne gemeinsame Gottesdienste und die lebendige Erfahrung einer Gemeinde zu begehen. Mir selbst aber macht die außergewöhnliche Situation in diesem Jahr neu bewusst, worum es eigentlich geht: Wir erinnern uns an das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu als den tragenden Grund unseres Lebens, so wie es nun einmal ist. Jesus hat wie wir und mit uns gelitten. Er ist für uns am Kreuz gestorben. Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes. Sein Vater aber holt ihn mit uns heraus aus dem Tod ins Leben.

Es ist schön, wenn wir diese innerste Wirklichkeit unseres Lebens jedes Jahr mit berührenden Liturgien und dann vielleicht auch noch mit einem ersten Biergartenbesuch feiern können. Unbedingt nötig ist es nicht. Unsere existentielle Verbundenheit mit Christus hängt nicht an den mehr oder weniger erfreulichen Rahmenbedingungen unseres Alltags, nicht an vertrauten Gottesdienstformen und nicht einmal am Empfang der Sakramente. Mehrere Bischöfe haben in den letzten Wochen, in denen der sakramentale Kommunionempfang nicht mehr möglich ist, an die Tradition der „geistigen Kommunion“ erinnert. Das kann hilfreich sein. Hilfreicher aber ist für mich die Überzeugung, dass ich Christus wirklich, real in alltäglichen Lebenserfahrungen begegnen kann. Das führen uns gerade die drei österlichen Tage vor Augen:

Die Fußwaschung am Gründonnerstag. Jesus ist gegenwärtig, wo Menschen einander dienen und füreinander da sind. In wie vielen Altenpflegerinnen, Ärzten, freiwilligen Helferinnen und aufmerksamen Nachbarn ist Christus in diesen Tagen da! Die Fußwaschung gibt Anteil an Jesus! Was ihr einem anderen Menschen tut, das habt ihr mir getan, hat er gesagt. Das ist auch Realpräsenz.

Karfreitag. Wenn Jesus unsere Krankheiten auf sich genommen hat, dann blickt er uns an aus den Gesichtern der Menschen, die heute leiden und sterben. Natürlich denken wir an alle, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben und ihre Familien; an die Kranken in den Altenheimen. Da haben wir die Nachrichtenbilder aus Italien und Spanien und den USA vor Augen. Auf einmal sind Leid und Tod so nahe gekommen! Würzburg und Wolfsburg und Heinsberg plötzlich – nicht Lampedusa und Lesbos. Wir zählen jeden Tag aufmerksam unsere Infizierten und Toten – wer zählt sie an der türkisch-griechischen Grenze oder im Flüchtlingslager für mehr als eine halbe Millionen aus Myanmar geflohener Rohingya irgendwo in Bangladesch? Überall dort leidet Christus heute!

Und dann der Karsamstag. Auch in Nicht-Corona-Zeiten der stille Tag ohne Liturgie, unterbrochen nur von Trauer- und Klagepsalmen. Das Fehlen Gottes aushalten! Die Erfahrung, dass Jesus nicht mehr da ist in meinem Leben und ich eigentlich nicht mehr richtig glauben kann, kann also eine Erfahrung innerhalb des Glaubens sein! Das „Paradox des anwesend-abwesenden Gottes“ nennt das Christian Lehnert.

Schließlich Ostern. Vielleicht haben wir manchmal ein sehr verkürztes Osterverständnis. Mal kurz drei Tage aushalten – dann ist alles vorbei. Noch ein paar Wochen durchhalten – dann kehren wir in Deutschland wieder zum normalen Leben zurück. Hoffentlich! Aber Ostern geschieht schon jetzt und immer, wenn Menschen mitten in einem Gewaber diffuser Ängste anderen Mut machen. Wo sie in einer Zeit, da die Polizei mit Lautsprechern zu sozialer Distanz aufruft, kreative Wege finden, Nähe zu leben. Wo sie sich selbst zurück nehmen, um das Leben anderer nicht zu gefährden. Dieses Jahr höre ich es ganz neu, dass der Auferstandene durch verschlossene Türen kommt und in die Angst hinein zusagt: Friede sei mit Euch! Nein, wir müssen Ostern nicht verschieben. Ostern passiert nicht dann, wenn alles wieder normal und schön ist. Ostern passiert, wenn uns der Auferstandene begegnet – egal, ob unterwegs wie bei den Emmausjüngern oder durch verschlossene Türen hindurch.


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